Cambridge-Analytica-Skandal: Facebook steht vor formvollendetem Desaster
Angesichts des Cambridge-Analytica-Skandals steht Facebook nun massiv unter Druck. Neue Vorwürfe über den Umgang mit den Nutzerdaten machen die Runde, zudem wollte der Sicherheitschef wohl schon im Dezember im Streit gehen. Abgerundet wird das Desaster durch drohende Bußgelder in Milliardenhöhe sowie fallende Aktienkurse.
Ex-Mitarbeiter: Cambridge-Analytica-Vorfall eher Regel als Ausnahme
Die neuen Vorwürfe stammen von Sandy Parakilas. Er ist ehemaliger Produktmanager und war zwischen 2011 und 2012 für die Zusammenarbeit mit Drittanbietern verantwortlich, die ebenfalls Facebooks Nutzerdaten auswerten. Dem Guardian sagte er nun, er habe die Verantwortlichen im Konzern schon damals gewarnt, die laxen Regeln könnten zu einem massiven Datenleck führen.
Konkret sagte er: „Meine Bedenken waren, dass Facebook nicht überwachen konnte, welche Daten die Entwickler von den Servern ziehen. So hatten wir keine Ahnung, was die Entwickler mit den Daten machen.“ Es gab zwar die Nutzungsbedingungen und die Einstellung, doch die wurden weder gelesen noch verstanden. Ebenso wenig habe Facebook seine Möglichkeiten ausgeschöpft, um einen Missbrauch der Daten zu unterbinden. Deswegen könne nun auch niemand sagen, wie viel Facebook-Daten auf so etwas wie „Schwarzmärkten“ für Nutzerdaten kursieren.
Im Falle von Cambridge Analytica waren es 50 Millionen. Erstellt wurde der Datensatz mit einer App für einen psychologischen Test. Diese wurde 270.000 Mal heruntergeladen und sammelte dann sowohl die Daten der entsprechenden Nutzer als auch die ihrer Freunde – die Anwender hatten dem in den Nutzungsbedingungen regelkonform zugestimmt. Publisher der App war der Cambridge-Professor Dr. Aleksandr Kogan, der diese Daten dann wiederum an die Strategic Communication Laboratories (SCL) sowie Cambridge Analytica als politische Analysefirma weitergab. Ein Verstoß gegen die Regeln, den Facebook jedoch nicht als Datenleck verstanden wissen will. Und Cambridge Analytica ist sich ebenfalls keiner Schuld bewusst.
Brisant ist allerdings, dass Facebook schon 2015 davon wusste. Doch die Nutzer wurden nicht informiert, wie der britische Observer am Samstag enthüllte. Stattdessen verlangte der Konzern lediglich, den Datensatz „nachweislich“ zu löschen, verließ sich dabei aber alleine auf Aussagen von SCL und Cambridge Analytica. Ob es aber tatsächlich passierte, kontrollierte Facebook dem Observer-Bericht zufolge zwei Jahre lang nicht. Jetzt kam ans Licht, dass Daten weiterhin Verwendung fanden.
Facebooks Sicherheitschef tritt ab
Was Facebooks Position ebenfalls nicht in ein besseres Licht rückt, ist der angekündigte Rücktritt von Sicherheitschef Alex Stamos. Er wollte offenbar schon im Dezember gehen, meldet heute die New York Times unter Berufung auf Aussagen von ehemaligen und aktuellen Mitarbeitern. Der Hintergrund war offenbar ein Streit mit anderen Verantwortlichen über den Umgang mit den politischen Manipulationsversuchen, die sowohl staatliche als auch private Akteure über die Plattform lancieren wollen. Stamos selbst hatte für mehr Offenheit und weitere Maßnahmen plädiert, um die Probleme in den Griff zu bekommen.
Am Ende konnte Stamos dem Bericht zufolge aber noch überzeugt werden, zumindest bis August zu bleiben. Er soll die Übertragung seiner Aufgaben überwachen, außerdem befürchtet man offenbar in der Führungsriege von Facebook, es hinterlasse einen schlechten Eindruck, wenn Stamos das Unternehmen direkt verlässt. Sein Sicherheitsteam werde nun aber in die Produkt- und Infrastrukturabteilung des sozialen Netzwerks integriert, von seinen einst rund 120 Mitarbeitern sind mittlerweile nur noch drei da.
Stamos selbst äußert sich auf Twitter zurückhaltend. Entgegen der Gerüchte sei er bei Facebook noch voll eingebunden, nur sein Tätigkeitsfeld habe sich gewandelt. Er befasse sich nun stärker mit Sicherheitsrisiken sowie der Sicherheit von Wahlen.
Facebook droht nun Milliarden-Strafe und politische Konsequenzen
Ärger droht Facebook nun auch auf politischer. Wie Bloomberg berichtet, prüft die amerikanische Handelsbehörde Federal Trade Commission (FTC), ob das soziale Netzwerk angesichts des Cambridge-Analytica-Affäre gegen Auflagen aus dem Jahr 2011 verstoßen hat. Ausschlaggebend waren damals Beschwerden, dass Facebook die Privatsphäre-Einstellungen verändert hatte, ohne die Nutzer zu informieren. In einem Vergleich verpflichtete sich der Konzern dann, Daten nicht mehr heimlich und ohne Zustimmung weiterzugeben.
Genau das könnte aber der Fall gewesen sein, als Cambridge Analytica die 50 Millionen Nutzerdaten abgegriffen hatte. Im Falle einer Verurteilung könnte seitens der FTC eine empfindliche Geldstraße drohen. Von bis zu 40.000 US-Dollar pro Verstoß ist die Rede, was im Endeffekt eine Summe im Milliarden-Bereich ergibt.
Ebenso verärgert sind Abgeordnete aus dem US-Kongress. Bereits bei der Anhörung wegen der russischen Beeinflussung des US-Präsidentschaftswahlkampfs gab Facebook keine gute Figur ab. Und angesichts des erneuten Datenlecks, das im Zusammenhang mit politischer Werbung auf der Plattform steht, fordert die Senatorin Amy Klobuchar nun verschärfte Vorgaben. Man könne, so Klubuchar auf Twitter, die sozialen Netzwerke nicht sich selbst überlassen, es reiche nicht, wenn die Verantwortlichen „Vertraut uns“ sagen.
Facebook selbst bestreitet aber, die Privatsphäre der Nutzer nicht zu respektieren. So heißt es in einer aktuellen Stellungnahme, der Datenzugriff von App-Anbietern wurde bereits vor Jahren eingeschränkt, Nutzer können den Datenaustausch besser kontrollieren und Facebook gehe gegen Unternehmen vor, die gegen die Vorgaben verstoßen. Angesichts des aktuellen Vorfalls vertritt der Konzern aber nach wie vor die Ansicht, es habe keinen Verstoß gegen die Auflagen gegeben.
Cambridge Analytica habe den Konzern getäuscht, als erklärte wurde, der Datensatz sei gelöscht worden. Die Datenanalyse-Firma weist hingegen die Schuld ebenfalls von sich und verkündete in einer Stellungnahme, die Daten seien auf legalem Weg beschafft worden. Allerdings wächst auch der Druck auf Cambridge Analytica. Channel 4 News hat ein heimlich mitgeschnittenes Gespräch veröffentlicht, in dem Vertreter der Firma behaupten, sie könnten Politiker in kompromittierende Situationen mit Bestechungsgeldern oder ukrainischen Sexarbeitern verstricken.
Unabhängig davon, wer nun an dem Desaster schuld ist, bei Facebook macht sich die Vorfall bereits beim Aktienkurs bemerkbar. Der ist im Tagesverlauf um rund sieben Prozent abgestürzt.