Cambridge-Analytica-Skandal: Bundesregierung will Facebook-Vertreter vorladen
Als Reaktion auf Facebooks Cambrigde-Analytica-Skandal fordert nun auch die Bundesregierung Konsequenzen. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) will Vertreter aus der Führungsriege von Facebook vorladen, um zentrale Fragen zu beantworten. Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) spricht derweil von einem neuen Datenrecht.
Sind deutsche Nutzer betroffen?
So will Barley vor allem erfahren, ob deutsche Nutzer betroffen sind. Konkret sagte die Bundesjustizministerin der Funke-Mediengruppe: „Facebook muss für den Skandal Verantwortung übernehmen. Die Frage, was mit den Daten von 30 Millionen deutschen Nutzerinnen und Nutzern passiert, ist eine zentrale Frage des Verbraucherschutzes.“ Daher sei es nun Aufgabe des europäischen Facebook-Managements, den Vorfall gegenüber der Bundesregierung umfassend aufzuklären. Vertreter des Unternehmens sollen daher vorgeladen werden.
Generell kritisiert sie zudem, dass es „nicht hinnehmbar“ sei, wenn Nutzer in sozialen Netzwerken „gegen ihren Willen ausgeleuchtet werden, um sie ganz gezielt mit Wahlwerbung oder Hass gegen den politischen Gegner zu bombardieren“. Daher wären klare Regeln erforderlich.
Was genau Cambridge Analytica mit den 50 Millionen Nutzerdaten angestellt hat, die ein Forscher mittels einer App sammelte sowie weiterleitete, ist derzeit aber nicht ganz klar. Medienberichten vom November 2016 zufolge hatte die politische Datenanalyse-Firma darauf aufbauend psychologische Profile entwickelt, um im Rahmen von Trumps Präsidentschaftskampagne gezielt Werbung auf dem sozialen Netzwerk zu schalten. Ob solche Big-Data-Verfahren überhaupt funktionieren, ist aber ebenso fragwürdig wie die Rolle, die Cambridge Analytica im Wahlkampf tatsächlich gespielt hat. Mittlerweile bestreitet das Unternehmen sogar, den Datensatz verwendet zu haben. Die Aussagen sind aber widersprüchlich.
Massenhaftes Datenerfassen ohne Einwilligung nicht vereinbar mit EU-Datenschutz
Von der Kritik abgesehen verweist Barley außerdem noch auf das europäische Datenschutzverständnis, das eine Einwilligung der Nutzer vorsieht – und diese sei nur wirksam, wenn Nutzer auch wirklich wissen, was mit ihren Daten geschieht. Angesichts der rund 50 Millionen Nutzerdaten – die Forscher nicht nur von Nutzern der Sammel-App, sondern auch von deren Freunden erhalten haben – ist das vor allem mit der ab Mai geltenden EU-Datenschutz-Verordnung relevant. Denn diese sieht bei Verstößen Strafen von bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes vor. Bei Facebook sind das aktuell rund 40 Milliarden US-Dollar, dementsprechend hoch wäre dann auch die Geldbuße.
Barley ist derweil nicht die einzige unter den EU-Politikern, die Vertreter von Facebook vorladen wollen. Auch das EU-Parlament hat bereits entsprechende Schritte angekündigt.
Neue Gesetze als Konsequenz aus dem Datenskandal
Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) will derweil ein neues Datenrecht schaffen. Im Handelsblatt sagte er: „Wir müssen schnell gesellschaftlich ausgleichende Regelungen für die Nutzung von Daten für die Wissenschaft sowie staatliche und private Dienstleistungen finden.“ Wie genau diese Regeln aussehen sollen, erklärt er zwar nicht, die Details sollen aber von einer Datenethik-Kommission im Bundestag binnen eines Jahres erarbeitet werden. Dabei soll es zudem nicht ausschließlich um Big-Data-Analyseverfahren gehen, sondern auch noch um Aspekte wie Algorithmen, künstliche Intelligenz und digitalen Innovationen.
Zuckerberg will bei politischer Aufklärung mitwirken
Nachdem der Skandal seit Tagen die öffentliche Debatte bestimmt, hatte sich gestern Abend auch Mark Zuckerberg zu Wort gemeldet. Er entschuldigte sich zwar für die Vorfälle, ein richtiges Schuldeingeständnis war die Stellungnahme aber nicht. So verwies er etwa auf Maßnahmen, die Facebook in der Vergangenheit ergriffen habe. Ebenso sei auch das soziale Netzwerk selbst von den App-Entwicklern sowie Cambrigde Analytica getäuscht worden.
Allerdings erklärte er sich dazu bereit, falls nötig auch vor dem US-Kongress auszusagen. Ebenso zeigte er sich bei verschärften Gesetzen nicht völlig abgeneigt. Im Interview mit CNN sagte er etwas abstrakt: „Ich bin nicht sicher, ob wir nicht reguliert werden sollten.“ Denkbar wäre das seiner Ansicht nach etwa bei der Transparenz von Werbeanzeigen.
Facebook-Vertreter sagen nichts Neues im Bundestag
Aufgrund des Datenskandals hat der Bundestagsausschuss Digitale Agenda heute Morgen kurzfristig eine Sondersitzung einberufen, in der Vertreter von Facebook über die Hintergründe befragt wurden. Die Antworten waren allerdings wenig ergiebig, zum Ärger der Abgeordneten. So erklärte ein Vertreter der CDU-Fraktion: „Wie sich Facebook hier verhält, finde ich unterirdisch.“ Im Prinzip hätten die Vertreter eine halbe Stunde mit dem Vorlesen aus Pressetexten vergeudet.
Inhaltlich brachte die Sondersitzung daher kaum etwas Neues ans Tageslicht. Eine zentrale Frage war, ob sich auch Informationen über deutsche Nutzer in dem 50-Millionen-Datensatz befinden. Auf mehrmaliges Nachfragen hin erklärte nun eine Facebook-Managerin, dass sei nicht bekannt. Mit dieser Antwort war der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar nicht zufrieden, bei 50 Millionen erfassen Profilen sei das äußerst wahrscheinlich.
Er kritisierte außerdem, dass die Vorfälle absehbar waren. Dennoch blieb die überwiegende Mehrheit der Fragen in der einstündigen Sitzung unbeantwortet, heißt es in der Mitteilung des Bundestags. Nach der Osterpause planen die Ausschussmitglieder daher eine weitere Sitzung.
Bundesdatenschutzbeauftragte glaubt nicht an Kurswechsel
Weiterhin besteht zudem Skepsis, ob Facebook beim Umgang mit Drittanbietern tatsächlich einen so scharfen Kurswechsel einschlägt, wie es Mark Zuckerberg in seinen Stellungnahmen suggeriert hat. So erklärt die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff laut einem Bericht von Heise Online: „Das Geschäftsprinzip von Facebook ist ja gerade, Daten zu generieren und sie gewinnbringend zu vermarkten.“ Bevor man sich daher auf Zuckerbergs Worte verlässt, müsste er erst einmal unter Beweis stellen, dass Facebook aus den Vorfällen gelernt hat. Und Änderungen vornimmt.
Den Nutzern empfiehlt sie derweil ein bedachtes Vorgehen. Jeder müsse sich gut überlegen, welche Informationen und Daten er von sich preisgebe.