Rainbow Six Siege: Im 3. Jahr trotz Lootboxen so stark wie nie zuvor
tl;dr: Die letzten zwei Jahre hat Ubisoft Rainbow Six Siege kontinuierlich weiterentwickelt und an Technik sowie Inhalten geschraubt. Zum Start des dritten Jahres wird das mit einem neuen Spielrekord belohnt. Und doch ist nicht jede Entwicklung positiv: Ausgebaut wurden auch die Mikrotransaktionen.
Das dritte Jahr
Seit dem Test von Rainbow Six Siege hat Ubisoft den Taktik-Shooter unter anderem mit 18 neue Operatoren, sieben weiteren Karten und zahlreichen Verbesserungen an Technik und Spielmechanik erweitert. Zum Start des dritten Jahres liefert Ubisoft im Rahmen der „Operation Outbreak“ überdies eine vier Wochen lang spielbare Koop-Kampagne mit Zombies. Grund genug, sich den schon im November 2015 hochspannenden Shooter erneut anzuschauen und dabei insbesondere einen weiteren Blick auf die Monetarisierung zu werfen.
Der Reiz der Lootbox
Noch immer ist die Monetarisierung der größte Kritikpunkt am Spiel, vor allem weil Ubisoft mittlerweile in alle Schubladen des Monetarisierungsbaukastens greift. Das Spiel besitzt zum Beispiel einen bis zum Bersten gefüllten Ingame-Shop mit teuren Skins, die teils direkt, teils mit Ingame- oder Premium-Währung bezahlt werden können. Darüber hinaus gibt es jährliche Season-Pässe, die kleinere Boni mit sofortigem Zugriff auf neue Operatoren verknüpfen – und nun auch Beuteboxen, die im Rahmen der Produktpflege eingebaut wurden.
Neben die Alpha Packs, die sich momentan nur erspielen lassen, sind im 3. Jahr Outbreak Packs getreten, die ausschließlich gekauft werden können. Damit das attraktiv wird, werden über die Kisten exklusive Skins für das aktuelle Event veräußert. Bei aller Freude über die ansonsten gelungene Weiterentwicklung: Glücksspiel-Mechaniken sind kein Zeichen einer fairen, kundenorientierten Monetarisierungsstrategie. Sie einzuführen, nachdem derartige Systeme unter massiver Kritik stehen, ist – neutral ausgedrückt – mutig.
Operatoren sind der Kaufreiz
Immerhin lassen sich die meisten kosmetischen Dinge gezielt kaufen. Obwohl sich vieles durch das Spielen freischalten lässt, dominiert bei kosmetischen Extras durch hohe Preise in der Standard-Währung „Ansehen“ klar die Kaufoption; das Einkommen, im Casual-Spielmodus rund 650 bis 750 Ansehen pro Stunde, ist in Operatoren besser angelegt als in quietschbunten oder kaum sichtbaren Skins, die nicht zum Setting passen.
Das hat seinen Grund im Gamedesign, denn Taktiken werden von der Auswahl und Zusammenstellung der Operatoren bestimmt. Unbedingt begrüßenswert ist daher, dass die 20 Standard-Operatoren des Jahres 2015 sowie jegliche Aufsätze für Waffen nicht länger mit Ingame-Währung freigeschaltet werden müssen. Die nun 18 DLC-Operatoren kosten hingegen jeweils 25.000 „Ansehen“ beziehungsweise 25 bis 35 Stunden Spielzeit, je 600 Rainbow-Credits (~5 Euro, günstiger im Bundle) oder den Kauf eines oder mehrerer Season Pässe beziehungsweise Bundles, in denen 8 Operatoren zwischen 20 und 30 Euro verkauft werden.
Kein Hass auf neue Spieler
Ob das akzeptabel ist, hängt mit der Frage zusammen, welche Arten von Monetarisierung in welcher Art Spiel akzeptabel sind und was guter Service beziehungsweise ein Add-On, als das die Operatoren-Packs zu verstehen sind, kosten darf. Für sich genommen wäre das System in Anbetracht der umfangreichen Weiterentwicklung sicherlich fair, zumal die zusätzlichen Figuren nicht notwendig sind um Spaß zu haben. Im Kontext der anderen Verkaufsangebote und dem Preisschild wirkt das Angebot insgesamt aber exzessiv; beim erneuten Spielen ließ sich die Frage nach der Fairness nicht aus dem Hinterkopf verdrängen.
Hardcore-Spieler wird das System indes zu keinem Zeitpunkt stören, bei normaler Spielzeit entsteht durch die Einkommensstruktur aber ein Dilemma, das an das Gameplay gekoppelt wird: Die 16 zusätzlichen Operatoren der ersten zwei Jahre kosten rund 500 Stunden Spielzeit, sind also nicht ohne Weiteres freizuschalten. Das geht anderswo durchaus besser. Dass der Shooter „neue Spieler hasst“, stimmt zwar so nicht, Ubisoft wirbt allerdings merklich für Zusatzkäufe im Rahmen eines preis- und leistungsdifferenzierten Angebots. In gewisser Weise ist Rainbow Six deshalb weniger als Vollpreis-Titel zu verstehen, der Shooter wirkt durch seine Verkaufsstruktur wie Free-to-Play-Spiel, das in verschiedenen Starterbundles gekauft werden kann.
Spielerisch in Bestform
Zur Motivation hat Rainbow Six die Progression durch freischaltbares Gameplay so wenig nötig wie vor zwei Jahren. Spielerisch präsentiert sich das Spiel überzeugender denn je und motiviert stetig zu dieser ganz sicher letzten Runde bis mitten in die Nacht hinein. Die Duelle zwischen ungleich ausgestatteten Teams schwanken zwischen schnellen Schusswechseln, Psychospielchen und taktischem Vorgehen nach notwendiger Aufklärung, das nach langsamen Vortasten binnen weniger Sekunden von hektischer Action abgelöst werden kann. Technische Optimierungen tun ihr Übriges in allen Bereichen des Spiels: Beleuchtung, Anti-Cheat-System, Servergeschwindigkeit, Maps, Matchmaking, Menüs, Nachlademechanik, Kugelphysik und mehr wurden sinnvoll optimiert.
Wohl dosierte Schusswechsel und permanent variierenden Bedrohungsszenarien, die in Abhängigkeit von Operatoren und Teams selbst genug Stellmöglichkeiten für reichlich Abwechslung bieten, erzeugen ein Spielgefühl, das so kaum ein anderer Titel des aktuellen Angebots auf den Monitor zaubert. Nicht einmal der Einbezug der in verschiedenen Graden taktisch sinnvoll zerstörbaren Umgebung wurde im Genre kopiert. Diese Art von Moderne hat sich noch nicht durchgesetzt. Dabei profitiert die Unterhaltung auch von der Möglichkeit, das „Spielfeld“ zu eigenen Gunsten zu verändern.
Die zusätzlichen Operatoren passen perfekt in diese Konstellation, indem sie das Portfolio an sinnvollen Taktiken ausbauen. Ihr Einsatz ist vielleicht etwas stärker an die Spielsituation gekoppelt, aber nicht weniger effektiv; dass mehr Kooperation und Absprachen nötig werden, ist in einem Teamspiel kein Nachteil. Geschickt machen sich die neue Fähigkeiten verschiedene Spielebenen zu Nutze.
Dokkaebi lässt die Telefone der Verteidiger klingeln und hebt sie akustisch hervor, Frost macht sich visuelle Unaufmerksamkeit mit Fallen zu Nutze, Mira schafft mit Fenstern neue Sichtlinien. So erweitert Ubisoft vorhandene Systeme und Mechaniken in neue Dimensionen. Nötig sind die neuen Fähigkeiten nicht, nicht einmal um Spaß zu haben. Spaß lässt sich mit dem Basis-Set ebenso genießen wie mit den Add-On-Operatoren. Sie sind aber eine unbedingt empfehlenswerte Ergänzung, die das Spiel bereichern. Ähnliches gelingt auch den neuen, kostenlos veröffentlichten Karten, neue Szenarien mit der ein oder anderen Besonderheit erzeugen einen mittlerweile großen Pool, der den gegenwärtigen Standard von Mehrspieler-Shootern übertrifft.
Zombies gegen Operatoren
Mit dem Outbreak-Event kann in den kommenden vier Wochen zudem eine Coop-Alternative zum öden Terrorist Hunt gespielt werden. In diesem Modus werden drei Spieler in drei – ärgerlicherweise durch das Matchmaking zufällig ausgewählten – kurzen Missionen zum Eindämmen einer außerirdischen Zombie-Seuche abkommandiert. Statt wenigen Gegnern bevölkern nun Horden nunmehr auch logisch hirnloser Gegner den Bildschirm und setzen Spieler gehörig unter Druck.
Diese Änderung reduziert erstens die Bildrate gegenüber dem Versus-Modus merklich und produziert zweitens ein anderes Spielgefühl: Hier wird der Shooter mit höherem Dauerfeuer-Anteil schneller und hektischer. Trotz vertonten Dialogen, Zwischensequenzen und „Bossen“ fehlt es ihnen an besonderen Momenten. Outbreak ist so ein solider Zombie-Modus und eine nette, kurzzeitige Abwechslung. Sein Reiz liegt im Gedanken an die Zukunft: Hier zeichnet sich ein Ansatz für eine echte Kampagne ab.
Fazit
In einem Punkt hat sich das Spiel nicht geändert: Es trägt noch zwei Gesichter. Einzigartigem und herausragendem Gameplay steht ein Hang zu Mikrotransaktionen gegenüber, der zwar nicht zum Schlechtesten gehört, was die Branche bislang hervorgebracht hat, aber exzessiv erscheint. Damit müssen Spieler leben – und können das in Anbetracht der spannenden Grundformel offenbar. Denn der Taktik-Shooter erreicht mit dem Beginn des dritten Lebensjahres so viele Spieler wie nie zuvor.
Rainbow Six bietet also nun erst recht technisch gute und spielerisch packende sowie abwechslungsreiche Shooter-Unterhaltung, die aber durchaus bezahlt werden will. Der Shooter ist und bleibt ein teures Vollpreis-to-play-Vergnügen, eine „hochspannende Ballerei mit Mikrotransaktionen“, die mit der Monetarisierung zumindest das gute Gefühl beim Spielen stört, während es parallel als Unterhaltungsangebot brilliert. Eine (erneute) Empfehlung hat sich das Spiel aufgrund des letzteren Aspekts verdient - wenn die richtige Version gekauft wird.
Welche Version kaufen?
Der Versionsdschungel lässt sich mit wenigen Empfehlungen lichten. Die grind-lastige Starter-Edition kann getrost ignoriert werden, zumal die Standard-Version im Handel im besten Fall nicht mehr kostet. Sie ist für rund 15 bis 20 Euro Kaufpreis der beste Einstieg in das Spiel. Alle Operatoren durch Spielen freischalten zu können, ist jedoch eine unrealistische Erwartung.
Aus diesem Grund ist die Jahr-2-Gold-Edition gegenwärtig der beste Kauf: Sie enthält für rund 30 Euro die acht Operatoren des letzten Spieljahres und kann bei Gefallen mit einem Unlock-Paket für 20 Euro um die acht Operatoren des ersten Jahres ergänzt werden. Für insgesamt 50 Euro halten Spieler dann in Form der gegenwärtigen „Komplettedition“ ein umfangreiches, packendes Spiel in der Hand, bei dem keine Unlock-Erwägungen und Mikrotransaktionen, sondern das Gameplay im Mittelpunkt stehen können.
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