Lenovo IdeaPad 720S im Test: AMD Raven Ridge mit Feststellbremse
tl;dr: Der mobile Ryzen 5 2500U konnte im Test von ComputerBase mit hoher CPU- und GPU-Leistung überzeugen. Der Ryzen 7 2700U versprach da noch einen draufzusetzen. Doch weit gefehlt. Im Lenovo IdeaPad 720S ist die APU schnell dermaßen langsam, dass sogar das Muster getauscht wurde. Aber die Ergebnisse bleiben gleich.
Viel langsamer als erwartet
Hinweis: Neue BIOS-Dateien sollen inzwischen mehr Leistung freischalten, als sie im Test im April nutzbar war. In Ermangelung eines Testmusters konnte die Redaktion das aber nicht unabhängig bestätigen.
Nach dem Acer Swift 3 mit AMD Ryzen 5 2500U (Test) erreichte ComputerBase bereits im Februar ein zweites Notebook mit AMDs mobiler APU Raven Ridge. In diesem Fall war es der Ryzen 7 2700U im Lenovo IdeaPad 720S. Und nach den sehr guten Ergebnissen des Swift 3 verhieß der noch etwas schnellere Prozessor im schlankeren Notebook mindestens genauso interessante Ergebnisse zu liefern. Interessant waren sie auch. Interessant schlecht.
Unzählige mit Lenovo und AMD ausgetauschte E-Mails später blieb Ende März nur der Austausch des ersten Testmodells gegen ein zweites. Aber die Ergebnisse blieben dieselben.
Dieser Test fasst die über die letzten Wochen gewonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse in Bezug auf die Leistung kompakt zusammen. Weitere Aspekte des Gerätes bleiben dabei außen vor, denn wer sich für Raven Ridge interessiert, der findet im IdeaPad 720S nicht das, was er sucht.
12 Watt TDP bis ca. 72 Grad Celsius
Schon der erste Benchmark im Test, ein Durchlauf des Cinebench R15, kam nicht an die Erwartungen heran. Mit unter 600 Punkten im Multi-Core-Test blieb das Ergebnis des nominell langsameren Ryzen 5 2500U unerreicht. Zwangsläufig ungewöhnlich ist das zwar noch nicht, denn insbesondere die Kühlung kann einen stärkeren Prozessor in einem anderen Notebook schneller zum Drosseln des Taktes veranlassen, als einen schwächeren in einem Notebook mit potenterem Kühlsystem. Allerdings gab es auf diese Ursache keinen Hinweis. Als Ursache entpuppte sich dann auch nicht die Temperatur, sondern die TDP.
12 statt 15 Watt TDP für Spitzenlasten
Während HWiNFO beim Ryzen 5 2500U im Acer Swift 3 unter Volllast eine Package Power von rund 11 Watt ausgab, waren es beim Ryzen 7 2700U im Lenovo IdeaPad 720S nie mehr als 9 Watt – weder bei Last auf der CPU noch bei kombinierter Last auf CPU und GPU. Und in der Tat: Offiziell genehmigt Lenovo dem Prozessor keine 15 Watt TDP, sondern nur 12 Watt. Kurzfristige Ausnahmen von dieser Obergrenze, wie von Intels mobilen CPUs bekannt, gibt es keine.
Modell | Kerne/ Threads |
CPU-Takt/ Turbo |
Grafik | Shader | max. GPU-Takt | Speicher | cTDP | TDP |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Mobile | ||||||||
Ryzen 7 2700U | 4/8 | 2,2/3,8 GHz | Vega10 Mobile | 640 | 1.300 MHz | DDR4-2400 | 12-25 W | 15 W |
Ryzen 5 2500U | 4/8 | 2,0/3,6 GHz | Vega8 Mobile | 512 | 1.100 MHz | DDR4-2400 | 12-25 W | 15 W |
Ryzen 3 2300U | 4/4 | 2,0/3,4 GHz | Vega6 Mobile | 384 | 1.100 MHz | DDR4 | 12-25 W | 15 W |
Ryzen 3 2200U | 2/4 | 2,5/3,4 GHz | Vega3 Mobile | 192 | 1.100 MHz | DDR4 | 12-25 W | 15 W |
Ein Blick auf den Stromverbrauch bzw. das Delta zwischen Leerlauf und anfänglicher Last bei maximalem Takt in Cinebench R15 lässt Lenovos Intention erahnen: Während der Ryzen 5 2500U im Acer Swift 3 bei einer offiziellen TDP von 15 Watt 26 Watt mehr aufnahm als im Leerlauf und damit 5 Watt mehr als 15-Watt-CPUs von Intel, erreicht der auf 12 Watt gedrosselte Ryzen 7 2700U genau diesen Wert. Weil die CPU in einem ursprünglich für Intel-Prozessoren entwickelten Chassis sitzt, dürfte die Anpassung der CPU an das Kühlsystem also Lenovos Hintergedanke gewesen sein.
Damit ist es dem Ryzen 7 2700U im Lenovo IdeaPad 720S bereits bei kurzen Lasten verwehrt, Ergebnisse wie der Ryzen 5 2500U im Notebook von Acer zu erreichen. Problematisch ist das aber noch nicht.
Unter Dauerlast wird gedrosselt
Wird die CPU aber etwas länger oder in kurzen Abständen immer wieder stark gefordert, geht die Schere noch deutlich weiter auseinander. Gut zu sehen ist das an den Ergebnissen der zehn ohne Pause hintereinander durchgeführten Cinebench-R15-Durchläufe (Multicore).
Während des zweiten Durchlaufs senkt das IdeaPad 720S die von der CPU aufgenommene elektrische Leistung weiter ab. Zum Ende des Benchmarks sind es laut HWiNFO noch 5,0 bis 5,5 Watt, der Takt der vier Kerne fällt auf 1,6 bis 1,7 GHz – das liegt unter dem Basistakt von 2,2 GHz. Der Prozessor wird also nicht nur im Turbo gebremst, sondern wirklich gedrosselt. Im Cinebench ergeben sich bei 1,6 bis 1,7 GHz dann nur noch 10 Watt Mehrverbrauch gegenüber dem Leerlauf, also 50 Prozent weniger als zum Start.
Vom dritten bis zum zehnten Durchlauf ändert sich daran nichts mehr. Im Ergebnis erreicht das Notebook mit 360 Punkten nur noch gut 60 Prozent der Leistung des Acer Swift 3 und liegt damit nur 15 Prozent vor Intels mobilen Zweikern-CPUs der 15-Watt-Klasse, die nicht mehr aktuell sind.
Dieselbe reduzierte Package-Power und Taktraten von nur noch 1,6 GHz unter Dauerlast waren auch in anderen Anwendungen zu beobachten. Egal ob POV-Ray oder HandBrake, nach kurzer Last zeigte sich überall dasselbe Bild.
Wird die CPU zu warm, sinkt der Takt drastisch
In diesem Fall scheint Lenovo aber keine feste Laufzeit bis zur Drosselung vorgegeben zu haben, wie das bei mobilen Plattformen (von Intel) über die offizielle TDP hinaus bekannt ist. Vielmehr haben sich 72 Grad Celsius CPU-Temperatur als halbwegs verlässliche Grenze erwiesen, bei deren Überschreiten der Prozessor weiter eingebremst wird. Darunter passierte es nie, manchmal stieg die Temperatur aber auch noch etwas höher. Das Problem: Auch wenn die Temperatur nach dem Takteinschnitt schnell auf rund 60 Grad Celsius fällt, lässt das IdeaPad 720S keine höheren Taktraten mehr zu.
Auch das Acer zeigte bei etwas über 70 Grad Celsius fallende Taktraten, war aber stets bemüht, den Takt unter Einhaltung der Temperaturgrenze möglichst hoch zu halten. Lenovo hingegen drosselt den Ryzen 7 2700U unwiderruflich stark, sobald die Grenze einmal erreicht wurde, obwohl die CPU bei daraufhin stark reduzierter Lüfterdrehzahl für den Rest der Laufzeit weit von der Grenze entfernt bleibt. 60 Grad CPU-Obergrenze ist von vielen Notebooks mit CPU von Intel als dauerhafte Obergrenze bekannt.