Lenovo IdeaPad 720S im Test: AMD Raven Ridge mit Feststellbremse
2/2Leistung in Anwendungen
Auf die in Benchmarks erzielten Leistungswerte hat dieses Verhalten mal mehr und mal weniger Einfluss: Je kürzer der Test, desto eher kann die CPU die 12 Watt TDP über die Laufzeit nutzen, weil die 72 °C CPU-Temperatur gar nicht oder erst spät erreicht werden. Je länger die Last, desto größer wird allerdings der Anteil der Zeit, in der das Notebook mit gedrosselter CPU operieren musste.
Gut zu erkennen ist das am Transkodierer HandBrake. Das Swift 3 mit Ryzen 5 2500U musste Anfang des Jahres noch zwei Läufe in Version 1.0.2 über sich ergehen lassen, die mit der gewählten Basisdatei in vier bis sechs Minuten abgeschlossen sind. Hier zeigt das IdeaPad 720S am Ende einen Rückstand von rund 30 Prozent auf den schnellsten Lauf mit dem Swift 3.
Inzwischen ist ComputerBase aber auf HandBrake 1.0.7 gewechselt und nutzt eine andere Datei sowie ein anderes Szenario, der Benchmark läuft deshalb länger. Infolgedessen fällt das IdeaPad mit über 13 Minuten zu unter 8 Minuten um über 60 Prozent auf Intels 15-Watt-Vierkern-CPUs zurück – und der damals noch nicht so getestete Ryzen 5 2500U müsste in etwa so schnell wie die CPUs der Konkurrenz sein.
Auch in POV-Ray 3.7 zeigt sich dieses Verhalten: Im ersten Durchlauf mit anfänglich hohen Taktraten werden noch annehmbare Ergebnisse erzielt. Auf 931 Punkte folgen im zweiten Durchlauf dann aber schon nur noch 760 Punkte und 631 Punkte im dritten Durchlauf – auf dem Niveau bleibt es.
Auch im PCMark 10 ist die Schwäche der CPU unter anhaltender Last zu erkennen.
Leistung Spiele
In Spielen kommt zur auf 12 Watt reduzierten TDP und der schnellen drastischen Drosselung noch ein weiteres Problem hinzu: Obwohl Raven Ridge für Notebooks DDR4-2400 im Dual-Channel-Modus unterstützt und jedes Megabyte an Bandbreite ohne dedizierten Grafikspeicher auch gebrauchen kann, ist das IdeaPad 720S nur mit DDR4-2133 im Single-Channel-Modus konfiguriert. Die im Vergleich zu Intels IGPs so starke Vega-GPU von Raven Ridge ist infolgedessen nur noch ein Schatten ihrer selbst.
Nicht einmal mehr die Leistung des Intel Core i7-8650U im passiv gekühlten Surface Book 2 13 Zoll wird erreicht, gerade so kann noch von einem Gleichstand die Rede sein.
Der synthetische Benchmark 3DMark Sky Diver sieht zwar noch einen Vorteil. Mit seinen relativ kurzen Sequenzen kann Raven Ridge hier aber auch noch von der zum Start immerhin nur auf 12 Watt limitierten TDP profitieren. Unter Dauerlast ist der Vorteil gegenüber Intel auch in anderen Spielen neben Overwatch dahin.
Ein Argument für Raven Ridge findet sich beim Lenovo IdeaPad 720S also auch in der Spieleleistung nicht, obwohl der Ryzen 7 2700U mit mehr Shadern und höherem Takt sogar noch einmal deutlich schneller als der Ryzen 5 2500U sein sollte.
Fazit
Moderne mobile Prozessoren können mit unterschiedlicher TDP und längeren oder kürzeren Abweichungen von der dauerhaften Verbrauchs-Obergrenze konfiguriert werden. Ein weiterer Einflussfaktor auf die Leistung im Alltag ist die Temperatur und damit das Kühlsystem. Und auch die maximal gestattete CPU-Temperatur können OEMs wählen. Dass derselbe Prozessor in einem anderen Notebook nicht dieselbe Leistung liefern muss, ist die akzeptierte Konsequenz, vielen Käufern aber im Alltag nicht bewusst.
Was der AMD Ryzen 7 2700U im Lenovo IdeaPad 720S unter Dauerlast und in Spielen abliefert, wich allerdings so deutlich von den Erwartungen ab, dass das erste Muster nach vielem Hin und Her noch einmal getauscht wurde – ohne dass die Ergebnisse besser geworden sind. Warum Lenovo die CPU so konfiguriert hat, ist wenigstens noch in Bezug auf die maximale TDP ersichtlich: Mit 12 statt 15 Watt verbraucht das System gegenüber dem Leerlauf genauso viel mehr wie die Intel-Prozessoren, für die das Chassis entwickelt wurde.
Warum der Hersteller dann allerdings derart hart die Bremse zieht, wenn die CPU die Temperaturschwelle von 70 Grad Celsius überschritten hat, darauf haben weder die Redaktion noch der Hersteller bisher eine Antwort parat. Die Temperaturen, die sich daraufhin trotz reduzierter Lüfterdrehzahl einstellen, sind mit rund 60 °C in jedem Fall nicht als kritisch zu betrachten. Und in Spielen trifft die Wahl des langsamen Speichers im Single-Channel-Modus das System doppelt hart. Vorteil für AMD? Nicht mehr vorhanden.
Auch wenn viele Anwender ihre Notebooks im Alltag nur für Bruchteile einer Sekunde bis maximal wenige Sekunden in Office-Apps, im Browser oder beim Entpacken von Dateien belasten und das IdeaPad 720S hier nur geringfügig schlechter als erwartet abschneidet, fällt das Fazit der Redaktion am Ende deutlich aus: Wer dachte, im IdeaPad 720S sein AMD-Raven-Ridge-System gefunden zu haben, muss weitersuchen. Die schnelle Drosselung und das Speicher-Interface stutzen AMDs Prozessor so stark zusammen, dass am Ende nur 50 Euro Preisvorteil im Vergleich zur Alternative mit Intel Core der 8. Generation und kein Vorteil bei der Geschwindigkeit zubuche stehen.
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