Half Dome: Prototyp der Oculus Rift 2 mit 140°-Sichtfeld und Vari-Fokus
Oculus hat auf der Facebook-Konferenz F8 mit „Half Dome“ den Prototyp eines neuen VR-Headsets gezeigt. Dieser bietet ein deutlich größeres Sichtfeld und einen variablen Fokus. Obwohl in der Präsentation nie direkt der Name Rift 2 gefallen ist, deutet vieles darauf hin, dass es sich um einen Nachfolger der Oculus Rift handelt.
Oculus sieht notwendige Verbesserungen der Glaubwürdigkeit von Virtual Reality in drei generellen Bereichen: Hand-Tracking, Visual Immersion und 3D-Reconstruction. Was damit gemeint ist und welche Lösungen bereitstehen, zeigte Maria Fernandez Guajardo, Head of Product Management und Core Tech bei Oculus VR, in der Eröffnungs-Keynote des zweiten Tages der F8.
Zweimal Software, einmal Hardware
Von den angesprochenen Verbesserungen sollen Hand-Tracking und 3D-Reconstruction durch neue Algorithmen verfügbar werden. Beim Hand-Tracking will Oculus dank Deep Learning massive Fortschritte gemacht und in allen Bereichen Genauigkeiten von nahezu 100 Prozent erzielt haben. Dies kann eine Nutzung ohne Controller ermöglichen und die Immersion wird erhöht, wenn die eigenen Hände in der virtuellen Realität präsent sind.
Hinter dem Begriff 3D-Reconstruction verbirgt sich die Möglichkeit, reale Umgebungen und Gegenstände in die virtuelle Welt zu transportieren. Dies soll mit Dual-Kameras, wie sie zum Beispiel in vielen aktuellen Flaggschiff-Smartphones vorhanden sind, möglich sein und damit für viele Anwender nutzbar werden. Ein Anwendungsbeispiel ist die Option, Freunde und Bekannte in eine virtuelle Version des eigenen Zuhauses einzuladen oder fremde Orte zu erkunden.
Half Dome könnte die Oculus Rift 2 werden
Die „visuelle Immersion“ benötigt hingegen eine neue Generation an Headsets, die besser simulieren können, was der Mensch in der echten Welt wahrnimmt. Wohin die Reise geht, hatte Oculus schon auf der Hausmesse Oculus Connect 3 im Jahr 2016 anhand des Prototypen Santa Cruz vorhergesagt und zeigt jetzt mit dem „Project Half Dome“ genannten Prototyp, dass diese Ziele in greifbare Nähe rücken.
Variabler Fokus und 140°-Sichtfeld
Zur Tiefenwahrnehmung nutzt der Mensch zwei verschiedene Ansätze, und für eine ermüdungsfreie Nutzung ist es auf lange Sicht nötig, beide zu simulieren. Der offensichtlichere von beiden ist der Abgleich der Bildinformationen des rechten und des linken Auges. Dieser wird, von 3D-Kinofilmen bis zur aktuellen Generation von VR-Headsets, schon heute überzeugend simuliert. Jedes Auge erhält ein eigenes Bild, das aus leicht versetzter Perspektive berechnet oder gefilmt wurde, und das Gehirn kann damit abschätzen, wie weit die gezeigten Gegenstände entfernt sind.
In der realen Welt kommt jedoch hinzu, dass die Augen jeweils auf die entsprechende Entfernung fokussieren müssen. Die aktuelle Generation von Headsets arbeitet ausnahmslos mit einem festen System aus Linsen und Bildschirmen, das alle Bildinhalte in einem virtuellen Abstand von zwei Metern darstellt. Das heißt, der Nutzer fokussiert mit den Augen immer, als ob er einen Gegenstand in zwei Metern Entfernung betrachtet. Fast jede aktuelle VR-Software passt sich daran an, indem sie versucht, relevante Inhalte in diese oder größere Entfernung zu setzen. Bei längerer Nutzung führt dieses Vorgehen jedoch zu Ermüdung. Gegenstände in der Nähe erscheinen unscharf. An dieser Stelle kommt der sogenannte variable Fokus ins Spiel. Der Bildschirm und die Linsen im Headset sind nicht mehr fest installiert, sondern können sich bewegen, so dass sich die Fokusebene verschiebt. Ein ähnliches Ziel, wenn auch mit Lichtfeldtechnik statt mit beweglichen Displays, strebt Magic Leap an.
Besonders hebt Oculus dabei hervor, dass diese Mechanik für den Nutzer geräusch- und vibrationsfrei wirkt und in ein Gehäuse passt, das nicht größer als das der aktuellen Oculus Rift ist. Zusätzlich zum variablen Fokus gibt es eine Erhöhung des Sichtfeldes von aktuell circa 110° auf ungefähr 140°. Dies entspricht zwar noch nicht dem vollen menschlichen Sichtfeld, reduziert aber den „Taucherbrilleneffekt“, der bei der aktuellen Generation noch stark ausgeprägt ist. Nicht bekannt ist, wie stark die Auflösung bei Project Half Dome erhöht wurde, jedoch sprach Oculus in der Keynote vor zwei Jahren, in der sowohl der variable Fokus als auch das vergrößerte Sichtfeld in Aussicht gestellt wurden, von 4.000 × 4.000 Pixeln pro Bildschirm. Um diese Menge Pixel zu befeuern, wird Oculus wie bei der Oculus Go mit „Foveated Rendering“ arbeiten.
Oculus Rift 2 oder nur eine Techdemo?
Oculus sprach im Rahmen der aktuellen F8-Keynote immer nur von einem Prototyp oder von Project Half Dome, aber die Vermutung liegt nahe, dass es sich um einen Nachfolger der Oculus Rift handelt. Allein der Fakt, dass alle bisher bekannten Spezifikationen exakt in dieser Weise schon 2016 genannt wurden, lädt dazu ein, hier mehr als nur einen möglichen Prototyp zu sehen. Damit bleibt in erster Linie die Frage nach dem Zeitplan. Ende 2016 sprach Oculus von einer „five year prediction“, womit es vom jetzt gezeigten Prototyp bis zur tatsächlichen Veröffentlichung noch gut drei Jahre dauern könnte. Dies scheint durchaus möglich. Fraglich bleibt, ob Oculus noch einen Zwischenschritt geht und einen Konkurrenten zu HTCs Vive Pro veröffentlicht, der keiner neuen Generation entspricht, sondern nur inkrementelle Verbesserungen bietet.