EU-Urheberrechtsreform: Der Showdown für Upload-Filter steht kurz bevor
Morgen um 10 Uhr ist der Showdown: Dann findet die entscheidende Abstimmung über Upload-Filter und das Leistungsschutzrecht im Rechtsausschuss des EU-Parlaments statt. Noch ist der Ausgang offen. Kurz vor Toresschluss erhöhen Wirtschaftsverbände, Netzaktivisten und YouTuber nochmals den Druck, um die Richtlinie zu verhindern.
Wie der Ausschuss über die Upload-Filter abstimmt, lässt sich derzeit noch nicht vorhersagen. Die Mehrheitsverhältnisse sind knapp. Die EU-Abgeordnete Julia Reda (Piraten) sprach zuletzt von einer hauchdünnen Mehrheit für den entsprechenden Artikel 13 der Reform, der Vorsprung soll sich auf eine Stimme belaufen. Die Abstimmung gilt als entscheidend, da sich das EU-Parlament als Ganzes für gewöhnlich dem Votum eines Ausschusses anschließt.
Warnung vor Zensurmechanismen
Angesichts dieser Ausgangslage haben die Gegner der Reform in den letzten Tagen daher nochmals deutlich Position bezogen. „Die EU will Upload-Filter einführen und überschreitet damit erstmals die Grenze zwischen Kontrolle und Zensur“, erklärte etwa Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer vom wirtschaftsnahen IT-Branchenverband Bitkom. Ebenso spricht der Internetwirtschaftsverband Eco von „Zensurbehörde und Überwachungsapparat“, den Plattformbetreiber angesichts der Upload-Filter-Regel „zwangsläufig“ einführen müssten.
Netzaktivisten protestieren schon seit Monaten, auch YouTuber melden sich nun zu Wort. Initiativen wie SaveYourInternet und SaveTheLink fordern seit geraumer Zeit, Nutzer sollten sich direkt an die Abgeordneten wenden, um die Reform noch zu verhindern. Bereits zuvor hatten sich Internetvordenker wie Tim Berners Lee, die Wikimedia Foundation und sogar die UN zu Wort gemeldet. Der Tenor ist stets derselbe: Wenn das EU-Parlament dem Beschluss zustimmt, droht das Ende des bis dato bekannten Internets in Europa.
Ungemach durch Artikel 13
Im Zentrum der Kritik steht der vielerorts erwähnte Artikel 13. Wie in noch älteren Entwürfen der Reform ist mittlerweile zwar nicht mehr direkt von Upload-Filtern die Rede. Stattdessen heißt es aber: Betreiber von Plattformen, über die Nutzer Inhalte teilen können, sollen Lizenzen mit Rechteinhabern abschließen. Falls das nicht möglich ist, müssen sie „wirksame und verhältnismäßige Maßnahmen“ ergreifen, um zu verhindern, dass Nutzer urheberrechtlich geschütztes Material hochladen. Eine vagere Formulierung, technisch ändert sich im Kern aber nichts. Die Plattformbetreiber werden verpflichtet, sämtliche Inhalte der Nutzer zunächst zu prüfen. Und müssen entsprechende Lizenzen bei den Rechteinhabern kaufen, damit die Inhalte überhaupt angezeigt werden können.
Das ist nicht nur eine Umkehr vom bislang gängigen Prinzip, wonach Urheberrechtsverstöße erst verfolgt werden, wenn Betreiber darauf hingewiesen wurden. Sondern ziele laut den Kritikern im Kern darauf ab, sämtliche Inhalte im Internet zu monetarisieren. „Artikel 13 ist ein beispielloser Schritt hin zu einer Umwandlung des Internets von einer offenen Plattform für Austausch und Innovation zu einem Werkzeug für die automatisierte Überwachung und Kontrolle seiner Nutzer“, heißt es in dem offenen Brief, den Internetpioniere wie WWW-Entwickler Tim Berners Lee unterschrieben haben (PDF). Selbst der Wirtschaftsverband Bitkom erklärt, der Entwurf opfere das freie Internet, um „überkommene Geschäftsmodelle von gestern zu schützen“.
Komplett neu sind Upload-Filter zwar nicht. YouTube nutzt diese seit geraumer Zeit, eingesetzt werden sie auch schon im Kampf gegen Terror-Propaganda. Doch bei urheberrechtlich geschützten Material, das direkt beim Upload gescannt wird, erreicht das Thema eine neue Dimension. Denn das Kernproblem ist: Die Filtermechanismen prüfen anhand einer Datenbank, ob es sich bei den Uploads um Texte, Bilder oder Videos handelt, die urheberrechtlich geschützt sind – und ob die Plattform eine Lizenz hat. Ist das nicht der Fall, wird der Upload direkt gesperrt. Ob es sich nun um Satire, Memes, journalistische Beiträge oder Remixe handelt, die eigentlich von der Kunst- und Redefreiheit geschützt sind – all das können die Filter nicht erkennen.
Rechtlich ungenau: Welche Plattformen betroffen sind, können nicht einmal die Verantwortlichen sagen
Wie umkämpft die einzelnen Passagen sind, verdeutlicht der letzte Entwurf von Artikel 13, auf den der österreichische Journalist Erich Möchel in einem ORF-Bericht verweist. Umstritten ist dabei nicht nur, wie die Regeln für die Upload-Filter im Detail ausfallen. Selbst welche Plattformen nun genau betroffen sind, lässt sich noch nicht sagen. Für gemeinnützige Projekte wie Wikipedia soll es Ausnahmen geben. Trotzdem muss der federführend für die Reform verantwortliche CDU-Abgeordnete Axel Voss im Interview mit dem NDR-Magazin Zapp einräumen: „Ich zähle Facebook und Twitter und YouTube dazu. Kann das aber rein rechtlich im Grunde so nicht sagen, weil das nachher eine Rechtsauslegung des Europäischen Gerichtshofs sein wird.“
Das Ziel der Befürworter der Reform wird hier deutlich. Mit der Reform will man die Branchengrößen wie Facebook, Google und Twitter an die Kandare nehmen, diese sollen die Lizenzverträge mit den Rechteinhabern abschließen. Das Problem an dieser Stelle ist allerdings: Es sind vor allem die führenden Tech-Konzerne, die sich sowohl die Entwicklung von Filtermechanismen als auch den Abschluss von kostspieligen Lizenzpaketen leisten können. Wer auf der Strecke bleibt, so die Befürchtung, sind vor allem die mittleren und kleineren Dienste sowie Startups.
Leistungsschutzrecht: Mahnmal
Ein Beispiel für die Problematik liefert die deutsche Version des Leistungsschutzrechts. Das war ebenfalls als Google-Steuer konzipiert, zahlen musste der Suchmaschinenbetreiber bis dato aber nicht. Der Rechtsstreit dauert bis heute. Betroffen waren vor allem die kleineren Anbieter, während das Ergebnis für die Verlage ernüchternd ausfällt: Im Jahr 2017 beliefen sich die Einnahmen durch das Gesetz auf 30.000 Euro, während die Ausgaben für die Rechtsstreitigkeiten bei rund 2,25 Millionen Euro lagen.
Nichtsdestotrotz versucht es die EU im Rahmen der Urheberrechtsreform nun mit einem erneuten Anlauf. Der als „Link-Tax“ bezeichnete Artikel 11 enthält die entsprechende Regelung, die im Kern vorsieht: Suchmaschinen sollen Lizenzgebühren an Presseverlage zahlen, wenn sie Inhalte der Verlage in die Suchergebnisse aufnehmen. Wie gehabt ist das Kleingedruckte entscheidend. So steht etwa noch die Frage im Raum, ob bereits Online-Artikel unter das Gesetz fallen, die Nutzer in sozialen Netzwerken teilen. Ebenso umstritten ist noch die Frage, inwieweit die Überschrift betroffen ist. Klar ist nur: Am Ende werden es erneut Gerichte sein, die über die Reichweite des Gesetzes entscheiden.
Ebenfalls umstritten ist Artikel 3 der Reform, der sich mit Text- und Data-Mining befasst. Es geht also um das automatisierte Auswerten von Daten, um Muster oder Zusammenhänge zu erkennen. Bis dato war strittig, ob man frei verfügbare Inhalte im Netz analysieren kann. Die EU will mit der neuen Richtlinie die Rechtslage nun eigentlich klarstellen. Problematisch ist aber ein Rechtevorbehalt für die Rechteinhaber, der sich in der Praxis als ziemliches Hemmnis erweisen kann. So erklärt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Rohleder: „Für die Weiterentwicklung der Schlüsseltechnologie Künstlicher Intelligenz ist Data Mining der wichtigste Grundbaustein. Mit der Beschränkung beim Data Mining führt der Richtlinienentwurf die Vorhaben zur Förderung von KI ad absurdum.“
EU-Kommission und Mitgliedsstaaten votierten bereits für Upload-Filter
Sollte der Entwurf für die Urheberreform tatsächlich vom Rechtsausschuss im EU-Parlament beschlossen werden, drohen also Kollateralschäden und Gerichtsverfahren. Nach dem Votum im EU-Parlament folgen zwar noch die Trilog-Verhandlungen mit der Kommission und dem EU-Rat. Gravierende Änderungen sind dann aber nicht mehr in Sicht. Beide Institutionen votierten in ihren Entwürfen bereits für Upload-Filter und das Leistungsschutzrecht.