Free for All: Neuer Steam-Ansatz unklar und umstritten
Valves Ankündigung, künftig nur noch Spiele, die „illegal“ sind oder „trollen“ wollen, aus dem Store zu werfen, wird kritisch aufgenommen. Erwartet wird, dass die Plattform künftig auch eindeutig rassistischen, diskriminierenden und menschenverachtenden Titeln ein Heim bietet. Eindeutiger ist die Haltung aber nicht geworden.
Nicht bessere Kuration, sondern deren völligen Entfall um niemanden zu verärgern, war das, was Valve im Wesentlichen angekündigt hatte. Befürchtet wurde und wird, dass Valve sich nicht länger um die Inhalte kümmert und die Schleusen für jede Art von Aussage öffnet, wie die Formulierung der Ankündigung und der Blick auf die Firmenpolitik in anderen Bereichen von Steam dringend nahelegt. Damit berührt die neue Politik die Frage, inwieweit moderative Eingriffe geboten und was in einem öffentlich einsehbaren Raum tolerierbare Äußerungen sind. In Teilen wird die Ankündigung, wie Motherboard herausstellt, „von denen gefeiert, die das Löschen von schwulen- und frauenfeindlichen Spielen als „Zensur“ empfinden“.
So kreist die Diskussion auch um die Befürchtung, dass Valve eindeutig Inakzeptables erlaubt und universelle Werte hinter monetäre Interessen zurückstellt. Praktisch hat sich am durchaus unbefriedigenden Status quo aber bislang nichts geändert: Valve hat innerhalb kurzer Zeit den AIDS Simulator, Asset Flip Simulator, ISIS Simulator und Triggering Simulator von Steam entfernt und sich dabei auf „Trollen“ als Grund berufen.
Trollen ist ein Gummiparagraph
Die Einschränkung dient damit als wachsweicher Gummiparagraph, um offenkundig rein verletzende Spiele entfernen zu können. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Diskussion unter dem Twitter-Beitrag von Rami Ismail des Indie-Studios Vlambeer. Dort wird deutlich, dass die Ankündigung, alles mit ein paar Einschränkungen zuzulassen, doch nur eine Kuratierung in neuem Gewand ist, die wie bisher klare Regeln oder zumindest Richtlinien vermissen lässt. Der einzige Unterschied: Harmlose Spiele, die keine universellen Normen oder offenkundig Rechte verletzen wie die zuletzt gesperrten Spiele mit expliziten erotischen Inhalten, werden künftig auf Steam zu finden sein.
Zumindest kurzfristig hat sich nichts zum noch Negativeren geändert. Grundsätzliche Probleme aber bleiben bestehen: Es gehe um „rudimentäre Schutzmaßnahmen, an denen Valve permanent scheitert“, schreibt Koktaku. Die Seite verweist dabei auf den Umgang mit „Fake Spielen“, sogenannten Asset Flips, die nur aus Marktplatz-Elementen der Spieleengines bestehen, rassistische Community-Gruppen oder Glücksspiel-Webseiten rund um CS: GO. In jedem dieser Fälle habe Valve lediglich nach Berichterstattung in der Presse, massiven Beschwerden von Nutzern oder drohenden rechtlichen Konsequenzen gehandelt, nicht aber proaktiv im Vorfeld, obwohl dies durchaus eindeutig möglich und geboten gewesen ist.
Erst Kritik führt zu Handeln
Auch die Amok-Sim Active Shooter hatte das zuletzt gezeigt. Das Spiel wurde entfernt, weil der Entwickler laut Valve ein Troll sei. Wie Vice President Doug Lombardi betonte, wäre das Spiel auch von jedem anderen Entwickler nicht akzeptiert worden. Vorgegangen ist Valve gegen das Produkt aber erst, nachdem es durch eine breite Öffentlichkeit entdeckt wurde. Dem Unternehmen wird deshalb der Vorwurf gemacht, sich aus der Verantwortung zu stehlen und dies nun als positiven, offen Ansatz zu verkaufen, der im schlimmsten Fall dazu führt, dass rassistische, diskriminierende und menschenverachtende Spiele bis zu öffentlicher Kritik ein Heim auf Steam finden. Die Brandbreite an kontroversen Positionen, die Valve gemäß den Worten der Ankündigung nun zulassen will, wird etwa vom Spiegel hinterfragt:
Etwa nach dem Motto 'Wenn ein Aufklärungsspiel über häusliche Gewalt auf Steam sein soll, muss auch der menschenverachtende Vergewaltigungssimulator verfügbar sein?
Spiegel
Verstanden wird die neue alte Politik aber auch als Ankündigung, nun nicht einmal mehr zu versuchen die Spiele zu prüfen. Es ist deshalb gar nicht so klar, dass Valve den Store nicht für rassistische Propaganda öffnen wird, wie Venture Beat formuliert, vor allem aber, dass es nicht eigentlich nur um die alte Schrottspiel-Thematik geht. Dafür ist der Kontext zu breit und groß – denn dass Valve technisch kaum oder nicht funktionsfähige Spiele nicht filtert, ist seit Jahren bekannt.
Neu ist der schöne Schein
Was bleibt, ist vorerst alter Wein in neuen Schläuchen: Valve löscht rassistischen, diskriminierenden und menschenverachtenden Müll nachdem er ins Rampenlicht gerät, verweigert sich aber einer klaren Positionierung. Darin liegt die eigentliche Neuerung: Passivität wird nun als positiver Ansatz verkauft, mit dem sich Valve als Verfechter von Freiheitswerten präsentiert.
They need to pull themselves together, and start taking some responsibility for the means by which they make their money, whichever side of the debate they might ultimately choose. If they’re going to sell anything, sell anything, including whatever straight-up trolling might be, and own the fact that this isn’t their act of altruism, but their means of making profit.
Rock, Paper, Shotgun
Diesen Punkt kritisiert Rock, Paper, Shotgun und führt aus, dass die nun festgehaltene Forderung nach „Legalität“ dazu führen kann, dass Steam einen homophonen Shooter in den Märkten anbietet, in denen Homosexualität illegal ist, und dort parallel jede andere Darstellung aus dem Sortiment streicht. Damit würde sich das Unternehmen der Zensur unterwerfen und genau das tun, was es zu vermeiden vorgebe. Zugleich vermeide Valve eine Antwort auf die Frage, ob das Unternehmen mit dem einverstanden sei, von dem es profitiere: es solle seine Position offen darlegen und nicht als selbstlos präsentieren.
Tendenziell hat sich Valve also alle Optionen offengehalten und kann, unter Berufung auf die ein oder andere Begründung, wie bisher willkürlich entscheiden. Was auf Steam gewollt ist, wird potentiell kaum klarer als zuvor.