Moto Z3 Play & Nokia 7 Plus im Test: Zur UVP gibt es einen klaren Verlierer
2/3Zweimal nacktes Android
Die Herangehensweise an die Software ist auf den ersten Blick ähnlich. Die Oberfläche entspricht weitgehend einem puren Android, Änderungen gibt es in erster Linie durch eigene Apps. Nokias Modell ist Teil des Programms Android One und zudem „Android Enterprise Recommended“, was Sicherheits-Patches für eine Laufzeit von drei Jahren mit spätestens 90 Tagen Verzögerung sowie mindestens eine große neue Android-Version bedeutet. Bisher hat Nokia zudem regelmäßig monatlich neue Sicherheits-Patches ausgeliefert. Auch ein Update auf Android P ist für das Nokia 7 Plus sowie die gesamte restliche Produktpalette bestätigt.
Sicherheits-Patches sind ein Thema
Motorola hingegen sah sich zuletzt Kritik gegenübergestellt, dass Sicherheits-Patches und große neue Android-Versionen selten oder spät erscheinen. Im Hinblick auf die Moto-G6-Reihe äußerte Lenovo gegenüber ComputerBase, dass die Smartphones ebenfalls eine neue Betriebssystemversion sowie Patches alle 60 bis 90 Tage erhalten. Für welchen Zeitraum, ließ der Hersteller aber offen. Für das Moto Z3 Play hat Lenovo neben Android P auch ein Update auf die darauffolgende Android-Version versprochen, sofern das Smartphone technisch dazu in der Lage ist.
Im Laufe des Tests hat das Nokia 7 Plus auch das aktuelle Update auf den Sicherheits-Patch vom Juli bekommen, das Moto Z3 Play hingegen blieb während des gesamten Zeitraums beim Auslieferungszustand: April 2018 – obwohl das Testgerät selbst erst Ende Juni ausgeliefert wurde. Mit Android 8.1 ist auf beiden Smartphones die aktuelle Version von Googles Betriebssystem installiert.
Veränderungen bei beiden gering
Die Veränderungen bei Motorola sind auch von anderen Smartphones bekannt und neben der eigenen Kamera-App, die kürzlich für Moto-Smartphones mit Dual-Kamera optimiert wurde, vor allem in der Moto-App zu finden. Dort finden sich Einstellungen für das Inaktivitäts-Display, das auf Gesten und Bewegungen reagiert, aber nicht immer aktiviert ist, sowie für Gesten- und Sprachsteuerung. Zudem bietet Motorola als Ersatz für die Bildschirmtasten die Steuerung mit Gesten über einen länglichen Balken, der optisch an iOS auf dem Apple iPhone X (Test) erinnert. Die Bedienung ist aber nicht ganz so intuitiv wie auf dem iPhone oder beispielsweise dem Xiaomi Mi Mix 2S (Test), das komplett auf Gesten setzt und keine Tastenbedienung mit einbringt. Das Nokia 7 Plus ist ähnlich zurückgefahren und lediglich mit einer eigenen Kamera- und einer Support-App ausgestattet.
Nokia mit mehr Leistung
Trotz des Preisunterschiedes gibt es die höhere Leistung im günstigeren Nokia 7 Plus. Das Moto Z3 Play setzt auf den Snapdragon 636, den direkten Nachfolger des Vorgänger-Prozessors. Dieser bietet acht Kryo-260-Kerne mit einer maximalen Taktrate von 1,8 GHz, als GPU dient die Adreno 509. Im Nokia 7 Plus werkelt mit dem Snapdragon 660 ein leistungsfähigerer Chip, der ebenfalls komplett auf Kryo-260-Kerne setzt, diese aber in zwei Vierer-Cluster teilt. Eines davon taktet mit bis zu 2,2 GHz, das zweite bleibt bei maximal 1,8 GHz. Die GPU Adreno 512 hat auch leichte Leistungsvorteile. Der Arbeitsspeicher ist bei beiden Smartphones mit 4 GB identisch, dies gilt auch für den internen Speicher von 64 GB.
Im Alltag ähnlich
In synthetischen Messungen zeigt sich die Mehrleistung des Nokia 7 Plus durch die Bank. Auffällig ist vor allem der Unterschied bei der GPU-Leistung, sodass das Nokia-Modell schätzungsweise langfristig etwas mehr Puffer für Spiele aufbringt.
Im Alltag fällt der Unterschied hingegen kaum auf: App-Starts sind quasi gleich schnell, wirkliche Vorteile kann keines der Smartphones für sich verbuchen. Die Bedienung erfolgt bei beiden flüssig und ohne Ruckler. Die schlanke Oberfläche beider Smartphones trägt ihren Teil dazu bei.
Dual-Kamera mit und ohne Zoom
Für Fotografie setzen beide Hersteller auf eine Dual-Kamera, die auch beim technischen Aufbau ähnlich ist. Neben der Hauptkamera verbauen Nokia und Motorola einen zweiten Sensor, der zusätzliche Daten zur Erstellung von künstlichem Bokeh sammelt. Nokia verfolgt zudem einen Ansatz, den auch Samsung, Apple oder BlackBerry nutzen: Die zweite Kamera ist dank größerer Brennweite für einen optischen Zoom mit zweifacher Vergrößerung zuständig.
Nokia mit Zoom, Motorola ohne
Die Hauptkamera des 7 Plus löst mit 12 Megapixel auf und verfügt über eine Offenblende von f/1.75, die Pixelgröße (Kantenlänge) ist mit 1,4 µm vergleichsweise groß. Fokussiert wird mit zweifacher Phasenerkennung. Das Teleobjektiv löst mit 13 Megapixel etwas höher auf, die Pixelgröße ist mit 1,0 µm aber kleiner. Außerdem ist der Sensor mit f/2.6 weniger lichtstark.
Beim Z3 Play ist die Hauptkamera auf dem Papier sehr ähnlich. Die Auflösung liegt auch bei 12 Megapixel, die Offenblende ist mit f/1.7 fast identisch, die Pixelgröße mit 1,4 µm gänzlich. Ein Dual-Pixel-Autofokus soll für schnelles Scharfstellen sorgen. Unterschiede zum Nokia-Modell zeigen sich vor allem bei der zweiten Kamera. Diese bietet im Z3 Play nur eine Auflösung von 5 Megapixel, da sie hauptsächlich für Tiefeninformationen genutzt wird.
Moto Z3 Play mit guter Dynamik, aber auch Unschärfe
Das Moto Z3 Play zeigt sich im Alltag, je nach Situation, mit einer gleichmäßigeren Schärfeverteilung, phasenweise sind die Bilder des Smartphones aber schon in der Bildmitte unscharf. Einige Bilder sind gut, andere schlecht. Selbst bei Tageslicht kämpft die Kamera zum Teil mit Bewegugnsunschärfe. Der Dynamikumfang ist hingegen höher als beim finnischen Konkurrenten, HDR funktioniert besser und holt mehr Schärfe und Details in schattigen Bereichen heraus. Auch die Farbdarstellung überzeugt ebenso wie die Kontraste. In der 100-Prozent-Ansicht wirken die Fotos zudem lebendiger als bei Nokia. Insgesamt fallen die Aufnahmen heller aus, wodurch sich aber auch ein größerer Hang zum Rauschen zeigt.
Bei Nacht verwaschen die Fotos schnell, Wackler kompensiert das Z3 Play nur schwerlich. Zudem sind die Aufnahmen zu weichgezeichnet. Bei ausreichend Umgebungslicht kann das Smartphone aber mehr Details herausholen als das Nokia-Modell. Im Direktvergleich wirken die Nokia-Aufnahmen rauschärmer, teilweise aber nur dadurch bedingt, dass viele Flächen deutlich dunkler aufgenommen werden als bei Motorola.
Nokia 7 Plus ist auch nicht immer scharf
Die Kamera des Nokia 7 Plus überzeugt bei Tageslicht vor allem durch hohe Details, eine ausgewogene Farbdarstellung und gute Kontraste. Auch der Zoom kann überzeugen und bietet ein scharfes Bild mit vielen Details, ist dafür aber verrauschter als die Hauptkamera. Die Kamera-App von Nokia bietet auch einen umfangreichen Pro-Modus, in dem viele Parameter selbst eingestellt werden können. In ihrer Komposition wirken die Bilder etwas trüb. Zudem zeigt sich Unschärfe zum Rand hin, oftmals nach rechts. Das HDR des Nokia 7 Plus kann darüber hinaus schattige Bereiche nicht immer genug aufhellen und weitere Details herausholen, sodass entsprechende Stellen in der Totalen verwaschen und detailarm sind. Zudem zeigt das 7 Plus leichte Belichtungsprobleme bei sehr heller Umgebung und starkem Licht, wodurch die Bilder zu hell ausfallen.
Bei Nacht fällt die Qualität hingegen spürbar zurück: Das Rauschen ist deutlich stärker ausgeprägt, die Kamera neigt rasch zu Bewegungsunschärfe und Wacklern. Die Farben in gut belichteten Bereichen sind noch in Ordnung, in weiterer Entfernung verschwimmen Elemente und Hintergrund aber zu dunklem, unkenntlichem Inhalt. Wie auch teurere Smartphones, etwa das Google Pixel 2 (XL) (Test) und das Samsung Galaxy S9(+) (Test), neigt Nokias Modell zu spiegelverkehrten Reflexionen in der Linse.
Per Google Camera mehr aus dem Nokia 7 Plus herausholen
Dass die Hardware des Nokia 7 Plus zumindest am Tag mehr beherrscht, zeigt sich aber bei der Installation einer funktionierenden Portierung der Google Camera, die auf den Pixel-Smartphones läuft. Diese nutzt den HDR+-Algorithmus von Google, der gerade bei Tageslicht deutlich dynamischere Bilder produziert. Im Direktvergleich zu den Aufnahmen aus der Kamera-App von Nokia zeigt sich die Portierung vor allem im puncto Gegenlicht, Belichtung und Dynamik deutlich besser. Dunklere Bildbereiche wie Schatten werden viel sauberer aufgehellt, Bilder mit starkem Gegenlicht natürlicher eingefangen. Auch im Hintergrund wird das Licht deutlich besser verarbeitet. Bei Nacht fallen die Vorteile je nach Bedingung geringer aus, Farben und Kontraste wirken aber besser. Dafür nimmt das Rauschen sichtbar zu.
Anzumerken ist, dass die Portierung nicht alle Features der App zuverlässig bereitstellt, auch Sonderfunktionen wie die Tonaufnahme über die drei Mikrofone des 7 Plus funktionieren nicht. Außerdem kostet die Verarbeitung der Bilder Leistung im Hintergrund, sodass das Smartphone nach einem Foto nicht immer außerhalb der Kamera-App ohne Verzögerung reagiert, bis der Algorithmus die Nachbearbeitung abgeschlossen hat. Die Portierungen finden sich in verschiedenen Versionen bei Entwicklern im Forum von XDA-Developers und sind auch mit weiteren Smartphones mit bestimmten Qualcomm-SoCs kompatibel, wenn weitere Bedingungen wie die Camera2-API erfüllt werden. Das Beispiel der Google Camera zeigt aber in erster Linie, wie viel mehr aus der Hardware herausgeholt werden kann, wenn die Software entsprechend mitarbeitet.
Modularität oder großer Akku
Bei der Anschluss-Ausstattung sind beide Modelle ähnlich ausgestattet. An Bord sind WLAN-ac, A-GPS, NFC, Bluetooth 5.0 sowie Dual-SIM. Der Speicher ist bei beiden Smartphones per microSD-Karte erweiterbar. Der prominenteste Unterschied ist der Wegfall des 3,5-mm-Klinkenanschlusses beim Moto Z3 Play. Das 7 Plus verfügt, anders als Nokias Flaggschiff 8 Sirocco, über den analogen Anschluss.
Großer Akku im Nokia, Modul für Motorola
Die erste Generation des Z Play überzeugte mit ihrem hervorragenden Akku und hält bis heute den Redaktionsrekord im YouTube-Dauertest bei 200 cd/m². Schon bei der zweiten Generation hat Motorola den Akku aber deutlich verkleinert und ihn so auch für das Z3 Play übernommen. Der Akku bietet eine Nennladung von 3.000 mAh und ist wohl das Maximum für das 6,45 mm schlanke Gehäuse. Ausgleichend wirken soll die beigelegte „Moto Mod“, die einen externen Akku bietet, der sich magnetisch an der Rückseite befestigen kann, aber die schlanke Linie des Smartphones gegen längere Laufzeit eintauscht. Das Nokia 7 Plus gewinnt den direkten Vergleich mit 3.800 mAh auf dem Papier, hat dafür aber nicht die Möglichkeit, einen Akku per Modul zu befestigen. Das beigelegte Akkumodul macht das schlanke Smartphone aber spürbar dicker und vor allem schwerer, sodass die dauerhafte Nutzung im Alltag unkomfortabel erscheint und die Mod als eine Art Powerbank bei Bedarf sinnvoller ist.
Im Alltag kann sich das Nokia 7 Plus vom Z3 Play absetzen, denn bei gemischter Nutzung kann das AMOLED-Display nicht durchweg seine Stärken ausspielen, um die größere Kapazität des 7 Plus abzufangen. Beide Modelle schaffen es allerdings problemlos über den Tag mit Messengern, sozialen Netzen, E-Mails und Telefonaten. Bei gemäßigter Nutzung lässt sich mehr aus dem 7 Plus herausholen. Im YouTube-Dauertest bei konstanter, gleichmäßiger Belastung und Bildschirmnutzung kann sich das Z3 Play hingegen mit einem Vorsprung vor das 7 Plus setzen. Im PCMark konnten keine seriösen Werte ermittelt werden, da die Benchmarks in mehreren Durchläufen zu verschiedenen Zeitpunkten abbrachen.