Xperia XZ2 Premium im Test: Sonys erste Dual-Kamera ist doch kein ISO-Wunder
tl;dr: Groß als Revolution im eigenen Hause angekündigt, muss sich das Xperia XZ2 Premium als Sonys erstes Dual-Kamera-Smartphone umso mehr gegen die Konkurrenz beweisen, die insbesondere mit Blick auf Huawei im Segment der Smartphone-Kameras wesentlich erfahrener ist. Die Ergebnisse sind dabei überaus durchwachsen.
Sony Xperia XZ2 Premium: Die Kamera im Test
Besonderes Augenmerk legt Sony auf Nachtaufnahmen, bei denen dank des neuen Bildprozessors Fusion-ISP eine ISO-Lichtempfindlichkeit von bis zu 51.200 möglich ist. Da ein hoher ISO-Wert unweigerlich zu einem Bildrauschen führt, beschäftigt sich dieser Test unter anderem mit der Frage, bis zu welchem ISO-Wert das Xperia XZ2 Premium zu gebrauchen ist oder ob die hohe Empfindlichkeit lediglich dem Marketing dient.
Kameraspezifikationen und Vergleiche
Die Funktionsweise von Sonys erster Dual-Kamera ist ähnlich wie bei Huawei. Die Hauptkamera bedient sich eines herkömmlichen Farbsensors, der indes direkt vom Namensgeber Xperia XZ2 übernommen wird. Der Sony Exmor RS IMX400 bietet 19 Megapixel, eine Sensorfläche von 1/2,3" und einen Pixelabstand von 1,22 µm. Die dazugehörige Linse verfügt über eine Offenblende von f/1.8 und eine äquivalente Brennweite von 25 mm. Die zweite Kameraeinheit setzt auf einen Schwarz-Weiß-Sensor im Format 1/2,3" Zoll, 12 Megapixel, einen Pixelabstand von 1,55 µm und eine Offenblende von f/1.6.
Im direkten Spezifikationsvergleich mit anderen Smartphone-Flaggschiffen liegt das Xperia XZ2 Premium gerade hinsichtlich der Sensorgröße im Mittelfeld, wobei anzumerken ist, dass die 1/2,3"-Sensorgröße für Smartphones bereits äußerst beachtlich ist. Bis vor einiger Zeit war dieses Sensormaß vollwertigen Digitalkameras vorbehalten. Das Huawei P20 Pro (Test) fällt dort mit einer Größe von 1/1.7" bereits stark aus der Reihe.
Sony Xperia XZ2 Premium | Huawei P20 Pro | Samsung Galaxy S9+ | Google Pixel 2 (XL) | Apple iPhone Xs | |
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Hauptkamera | 19 MP 1/2,3"-Sensor Offenblende f/1,8 |
40 MP 1/1,7"-Sensor Offenblende f/1.8 |
12 MP 1/2,55"-Sensor vari. Blende f/1.5 oder f/2.4 OIS |
12,2 MP 1/2,6"-Sensor Offenblende f/1.8 OIS |
12 MP Offenblende f/1.8 OIS |
Sekundärkamera | 12 MP (Monochrom) 1/2,3"-Sensor Offenblende f/1.6 |
20 MP (Monochrom) Offenblende f/1.6 |
12 MP 1/3,6"-Sensor Teleobjektiv Offenblende f/2.4 OIS |
– | 12 MP Teleobjektiv Offenblende f/2.4 OIS |
Tertiärkamera | – | 8 MP Teleobjektiv Offenblende f/2.4 OIS |
– | ||
Autofokus | Kontrast, Phasen | Laser, Phasen, Kontrast, Tiefen | Phasen | Laser, Phasen | Phasen |
Kamera-App
Ein Premiummodell, bei dem vor allem die Kamera stark ins Rampenlicht gestellt wird, muss nach Auffassung der Redaktion auch eine entsprechend umfangreiche Kamera-App bieten. Und bereits hier patzt Sony in gleich mehreren Punkten – doch dazu später mehr.
Beim erstmaligen Start der Kamera-App werden dem Nutzer alle Funktionen erläutert. Auch ohne Anweisung fällt die Bedienung der App sehr leicht. Neben einem intelligenten Kameramodus stehen dem Anwender ein manueller Modus, eine Videofunktion und ein AR-Modus zur Verfügung. Dieser Test beschäftigt sich lediglich mit der Aufnahme von Fotos.
Im Automatikmodus nimmt die Kamera sämtliche Einstellungen selbst vor. Neben dem Zuschalten eines Blitzes, der mit nur einer LED schwach ausfällt, kann der Nutzer die Dual-Kamera-Effekte „Bokeh“ und „Monochrom“ hinzufügen.
Durchschnittliche App und träge Auslösung
Der manuelle Modus bietet Zugriff auf die Aufnahmeparameter Weißabgleich, Lichtwertkorrektur (EV – Exposure Value), ISO-Empfindlichkeit, Belichtungszeit und Fokusmodus. Die übrigen Einstellungen werden dem Smartphone jedoch bei weitem nicht gerecht. Zwar kann noch die Fotoauflösung geändert, ein GPS-Tag eingefügt oder eine Gitterlinie eingeblendet werden, doch endet der Funktionsumfang dort schon großteils.
RAW-Aufnahmen, die ein umfangreiches Nachbearbeiten erleichtern, sind nicht möglich. Eine virtuelle Wasserwaage gibt es auch nicht. Hier bietet das Huawei P20 Pro die wesentlich bessere App. Für einen kurzen App-Vergleich wurde ein Huawei P20 Pro zur Hand genommen, wobei sich zugleich ein weiterer Schnitzer des Xperia XZ2 Premium zeigte.
Bei der Auslöseverzögerung agiert das XZ2 Premium um einiges träger als der Huawei-Kontrahent. Das aufzunehmende Bild wird eingefroren und verweilt für einige Augenblicke in dieser Position, ehe es abgespeichert wird und der Bildausschnitt wieder erscheint. Eine nervige Zwangspause, deren Ursachen eher weniger bei der Hardware, sondern vielmehr bei der Software zu finden sind.
Testaufnahmen
Da die Kamera des Xperia XZ2 Premium keine RAW-Aufnahmen ermöglicht, wurden sämtliche Aufnahmen im JPEG-Format gemacht. Die Fotos wurden im Nachgang nicht bearbeitet und entsprechen dem Ausgangsmaterial des Smartphones. Etwaige, auf die Aufnahme Einfluss nehmende Parameter, wie beispielsweise die Sättigung, wurden nicht verändert.
Für die ISO-Belichtungsreihen (Nacht und Fotobox) wurde das Smartphone für einen identischen Bildausschnitt in eine Stativhalterung gespannt. Alle übrigen Aufnahmen wurden aus der Hand aufgenommen.
Nachtaufnahmen
Gerade Aufnahmen bei schlechten Lichtverhältnissen sollen dem Xperia XZ2 Premium wie keinem anderen Smartphone liegen, so zumindest die Werbebotschaft von Sony. Während der nächtlichen Testaufnahmen bewahrheitet sich dies jedoch nicht.
Zwei Linsen sehen in der Nacht besser
Ein Fakt wird schnell deutlich: Für Nachtaufnahmen empfiehlt sich stets die Verwendung der Dual-Kamera. Die Verrechnung beider Kameradaten führt in Gänze zu einem besseren Bild. Beginnen die Aufnahmen der Hauptkameraeinheit bereits ab einem ISO-Wert von 800 zu rauschen, können die Aufnahmen der Dual-Kamera noch bis zu einem Wert von 3.200 genutzt werden. Die Dual-Aufnahme mit ISO 6.400 kann indes noch bedingt genutzt werden. Erst die letzten drei ISO-Stufen (12.800, 25.600 und 51.200) zeigen sich untragbar verrauscht, blass und schlucken teils sogar sämtliche Bilddetails, sodass lediglich Formen zu erkennen sind.
Zwei Referenzbilder, die mit einer Spiegelreflexkamera aufgenommen wurden, verdeutlichen die Defizite des Xperia XZ2 Premium. Zwar ist auch hier ein deutliches Rauschen zu erkennen, doch bleiben nahezu alle Details und Formen des Bildes erhalten – wenngleich die im Test verwendete Nikon D800 mit rund 36 Megapixel kein Paradebeispiel für ein gutes Rauschverhalten ist. Neben dem sogenannten Dunkelrauschen hängt das Rauschen insbesondere von der Sensorgröße und dem jeweiligen Pixelabstand ab. Mit einer Sensorfläche von nur 1/2,3" ist das Xperia XZ2 Premium bereits technisch dem 1/1.7"-Sensor des Huawei P20 Pro unterlegen.
Hauptlinse | Duallinse | High-ISO-Vergleich | |
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ISO 50 | - | – | |
ISO 100 | - | – | |
ISO 200 | – | ||
ISO 400 | – | ||
ISO 800 | – | ||
ISO 1.600 | – | ||
ISO 3.200 | – | ||
ISO 6.400 | – | ||
ISO 12.800 | |||
ISO 25.600 | - | ||
ISO 51.200 | - | – |
Die ISO-Lichtempfindlichkeit ist somit kein Allheilmittel und gilt eigentlich nur als letzte Wahl, eine Aufnahmesituation zwingend heller respektive im Zusammenspiel mit der Belichtungszeit genauer hinzubekommen.
Ohne optischem Zoom verzichtet Sony beim Xperia XZ2 Premium zugleich auf einen optischen Bildstabilisator. Aufnahmen bei schlechten Lichtverhältnissen sind dennoch bis zu einer Belichtungszeit von 1/8 Sekunde problemlos möglich.
Allein die Nachtaufnahmen betrachtet, überschätzt sich Sony mächtig und unterliegt dem Kontrahenten Huawei bei weitem, zumal jener mit dem Nachtmodus die ohnehin schon guten Bilder bei Nacht nochmals verbessert.