Lego Powered Up & Boost im Test: Legos digitales Offensivchen
tl;dr: Mit dem Batmobile und den beiden Züge-Sets führt Lego die 2. Generation der Power Functions ein, die auf Bluetooth setzt. Und für Boost gibt es zwei neue kompatible Modelle. Im Test zeigen alle Neuheiten allerdings deutlich, dass Legos digitale Offensive eher ein Offensivchen ist und am Kunden oft vorbeigeht.
App-Controlled Batmobile (76112) mit Power Functions 2.0
Mit dem App-Controlled Batmobile greift Lego nach dem Tracked Racer (42065) sowie dem oft kritisierten Allrad-Abschleppwagen (42070) erneut das Thema ferngesteuerte Lego-Modelle auf. Der große Unterschied zu den Vorgängern liegt in der schon seit Langem von Fans geforderten Abkehr der mittlerweile als veraltet und fehleranfällig angesehenen Infrarottechnik hin zur modernen Bluetooth-Unterstützung, wie sie bereits vom letzten Roboter-Set Boost (Test) bekannt ist.
Die neue Plattform nennt Lego „Powered Up“ und sie kann im Gegensatz zur alten Generation neben der bekannten gesonderten Fernbedienung nun auch per Smartphone oder Tablet gesteuert werden. Die von den neuen City-Zügen bekannte und im weiteren Test näher beschriebene Fernsteuerung lässt sich ebenso mit dem getesteten Batmobile koppeln wie ein Mobilgerät mit Android- oder iOS. Ein „Außeneinsatz“ ist somit möglich, wenn auch immer nur mit voller Geschwindigkeit. .
Die UVP liegt hoch
Für einen UVP von 99 Euro bietet das Set 321 Teile, davon rund 100 unterschiedliche. Die neue Batterie-Box samt bereits erwähntem integrierten Bluetooth-Modul erinnert ein wenig an den Smart-Hub des WeDo-2.0-Set und versorgt mittels sechs nicht im Set enthaltenen AAA-Batterien sich selbst und alle weiteren angeschlossenen Komponenten mit Strom.
Kein Akku-Pack und weniger kraftvolle Motoren
Leider hat es Lego immer noch nicht geschafft, die Batterien durch Akku-Packs zu ersetzen, welche entweder leichter zu entnehmen oder im optimalen Fall im Modell geladen werden können. Das System lässt sich aber auch per AAA-Akkus lange betreiben. Des Weiteren finden sich in dem im Verhältnis zum Modell großen Karton zwei M-Motoren, die zwar schnell übersetzt sind, aber wenig Kraft bieten. Leichte Steigungen vermag das Modell damit noch zu bewältigen, danach wird es schwierig.
Lego gibt für das Modell ein Mindestalter von acht Jahren an, Erstklässler dürften aber genauso wenig Probleme mit dem Zusammenbau haben. Die Bauzeit des Modells liegt bei rund einer Stunde, geübte Modellbauer dürften deutlich schneller fertig sein. Abgesehen von der exklusiven Batman-Figur und einigen Verzierungen greift Lego bei dem Modell vor allem auf bekannte Standardteile zurück. Selbst die dicken 56×26-Reifen sind Standardkost, die Felgen finden unter anderem im Ferrari F40 (10248) und im kürzlich vorgestellten Aston Martin DB5 (10262) Verwendung.
Auch haben sich die Designer den einen oder anderen Schnitzer geleistet, so weist die Cockpit-Haube an den Seiten Lücken auf, welche mit 2×1 Plates leicht hätten geschlossen werden können – hier wird an der falschen Stelle gespart. Auch das Verstauen der benötigten Kabel sieht in der Anleitung leichter aus, als es in Wirklichkeit ist – die dort abgebildeten Verbindungen dürften etwas kürzer sein. Somit hängen diese bei den meisten Modellen unschön hinten raus.
Buntes Innenleben
Daneben fällt zudem eine mittlerweile bei vielen Modellen zu findende Unsitte von Lego auf, bei der die Farbe der inneren, vermeintlich nicht sichtbaren Bricks nicht den sichtbaren Modellfarben folgt, sondern durch wahllos bunte Steine ersetzt werden. Diese sind teilweise auf der Unterseite des Modells zu erkennen, spätestens aber wenn die Batterie-Box herausgenommen wird. Dies hat zur Folge, dass die Möglichkeiten, aus den vorhandenen Steinen etwas gänzlich Neues zu entwickeln, limitiert werden.
Darüber hinaus wird die Anleitung erneut wieder unnötig in die Länge gezogen, gerade Achtjährige oder älter sind fähig, mehr als nur ein Teil pro Seite zu bauen. Das würde die Anzahl der Seiten in der Bauanleitung erheblich verringern. Selbst der sechsjährige Sohn des Autors beschwert sich mittlerweile über dieses seiner Meinung nach nervige Vorgehen.
Kontrovers diskutiertes Design
Das Design des fertigen Modells spaltete schon bei der Vorstellung die Lego-Gemeinde: Dem Einen gefällt das mit 18 × 15 × 10 cm massive, kompakte und ein wenig bullig anmutende Äußere des Modells, andere kamen und kommen zu einer gänzlich anderen Einschätzung. Dennoch sollte das stämmige Äußere nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Modell nicht allzu robust ist: Einmal mit zu hoher Geschwindigkeit gegen ein Hindernis gefahren oder eine Stufe hinunter gefallen, schon müssen nicht wenige Teile wieder zusammengebaut werden.
Wählerische Technik
Ist das Modell einmal fertig gebaut, fehlt nur noch die Verbindung mit einem entsprechenden Mobilgerät. Dafür setzt Lego ein Smartphone oder Tablet mit mindestens Android 5 oder iOS 8 voraus. Im Test erwies sich das System jedoch genauso wählerisch wie es das bereits im Test von Boost vor einem Jahr war: Auf einem Fire 7 von Amazon quittierte die frisch installierte Powered-Up-App mit einem Absturz den Dienst, auf einem Fire 8 HD funktioniert diese dagegen einwandfrei. Gleiches gilt für ein Nexus 5, einem Nokia 7 Plus, einem Samsung Note 10.1 2014 sowie einem iPad Air.
Lego sieht die Applikation anscheinend auch als Plattform für künftige Modelle, denn jetzt schon dient diese ebenso als Steuereinheit für die im weiteren Verlauf des Testes vorgestellten Lego-City-Züge 60197 und 60198. Somit dürfte die Wahrscheinlichkeit hoch sein, dass Lego auch weitere Modelle mit der neuen Plattform ausstatten wird.
Beim ersten Start dauert es einige Zeit, bis die App vollständig aufgerufen ist. Darüber, ob im Hintergrund noch Programmteile heruntergeladen werden oder diese anderweitig beschäftigt ist, gibt die App keine Auskunft. So kann diese längere Startzeit auch schnell als Absturz gewertet werden. Ist die Steuerung jedoch einmal gestartet, geht es bei den nächsten Aufrufen deutlich schneller.
Verbindung nimmt das Mobilgerät nach einem Druck auf den mit einem Einschalt-Motiv versehende Stein am Batmobile, welcher den einzigen Print im ganzen Set darstellt – Aufkleber sind keine vorhanden.
Unterschiedliche Steuerung
Die Powered-Up-App unterstützt zwei verschiedene Steuerungsmodi: Der erste Modus erlaubt das genau Steuern des Batmobile mittels zwei virtuellen Schiebereglern. Mit der linken Schaltfläche werden die beiden linken Reifen gesteuert, mit dem rechten Regler die auf der rechten Seite. So kann die Leistung je Reifeneinheit gut dosiert werden, was auch verschiedene Kurvenradien ermöglicht – denn über eine eigene Lenkung verfügt das Batmobile nicht, es wird wie ein Kettenfahrzeug gesteuert. Dafür kann das Gefährt, wie es so schön heißt, auf einem Bierdeckel wenden. Bei langsamen Fahrten beginnen die beiden Motoren hörbar und deutlich zu quietschen, was jedoch nicht an der Belastung liegt – auch im Leerlauf treten die Geräusche gelegentlich auf.
Neben dem Modus für fortgeschrittene Fahrer besitzt die App noch einen einfacheren Modus, welcher nur über zwei Vorwärts- und Rückwärtsschaltflächen verfügt, mit denen beide Motoren lediglich in die jeweils gewünschte Richtung aktiviert werden. Dadurch fährt das Batmobile stets mit voller Geschwindigkeit, enge und weite Kurven sind in diesem Modus nicht möglich.
Audio-Effekte inklusive
Darüber hinaus spickt Lego die Steuerung mit jeweils drei vorgegebenen kleinen Bewegungen, welche von kleinen Sounds begleitet werden, unter anderem einen Wheelie („Batman“) oder schnelles Wenden („Booom“).
Technik-Fans müssen mit alter Technik auskommen
Dass Lego die neue Plattform nicht zuerst in der Technic-Reihe eingeführt hat, irritiert, denn Steine-Fans warten schon länger auf eine zeitgenössische Möglichkeit zur Konstruktion von RC-Mocs. Noch unverständlicher wird das Vorgehen des Unternehmens unter dem Augenmerk, dass die Hochzeit der Batman-Modelle bei Lego schon lange vorbei ist und die Serie alles andere als ein Absatzgarant ist. Dies berichten Lego-Händler bereits seit Längerem.
Technik-Fans werden es zudem mit einem gewissen Unmut zur Kenntnis nehmen, dass die neuen Power Functions 2.0 nicht mit den bisher bei Technik verwendeten Komponenten der ersten Generation kompatibel sind. Auch wenn die Motoren im Grunde gleich ausschauen, beherbergen diese unterschiedliche Anschlüsse. Der von Lego auf der letzten Spielwarenmesse in Nürnberg gemachten Ankündigung, Nachrüstsätze für zur Einbindung der ersten Generation in die neue Plattform anzubieten, sind bisher noch keine Taten gefolgt.