Bei Störungen: Vectoring erhält Vorrang vor Glasfaseranschlüssen
Wenn es auf der „letzten Meile“ zu Störungen zwischen Vectoring-Anschlüssen der Telekom und Glasfaser-Anschlüssen kommt, erhält der Vectoring-Zugang den Vorrang, besagt ein Beschluss der Bundesnetzagentur. Alternative Provider kritisieren diese Entscheidung massiv, die Telekom verteidigt das Vorgehen.
Das Problem sind Frequenz-Überlagerungen, wenn FTTB- und Vectoring-Anbieter dieselbe Kupferkabel-Infrastruktur nutzen. In vielen Gebäuden werden Glasfaserleitungen bislang nur bis in den Keller verlegt, den Rest der Strecke bis in die Wohnungen überbrücken Glasfaser-Anbieter mittels G.fast. Die Technologie ermöglicht Datenraten von bis zu 1 Gbit/s. Sollte im selben Haus allerdings noch jemand einen (Super-)Vectoring-Anschluss nutzen, kann es zu Interferenzen kommen. Die Konsequenz sind dann Störungen, die bis zu Verbindungsabbrüchen reichen.
Bei einem Parallelbetrieb betrifft dies den Frequenz-Bereich bis 40 MHz, den sich G.fast und Super-Vectoring teilen. Die Lösung der Bundesnetzagentur lautet nun: Bis 40 MHz läuft Vectoring, den Bereich bis 106 MHz kann G.fast nutzen. Das wäre ein angemessener Ausgleich, der beiden Anbietern noch ausreichend Bandbreite lasse.
Vorwurf: „Bestandsschutz“ für veraltete Kupfer-Infrastruktur
Für den alternativen Provider-Verband Breko, der viele Glasfaser-Anbieter vertritt, ist der Beschluss allerdings ein Unding. „Der Regulierer räumt mit seiner Entscheidung der Vergangenheit Vorfahrt gegenüber der Zukunft ein“, erklärt Breko-Geschäftsführer Stephan Albers. Das sei ein Hemmnis für den Glasfaserausbau. Denn die FTTB-Anbieter müssten im Konfliktfall nun ihre Leistung drosseln, nach „Experten-Schätzungen [würden] im worst case nur noch eine Bandbreite von ca. 400 bis 600 MBit/s zur Verfügung stehen“, heißt es in der Mitteilung des Breko. Die Alternative wäre, dass die Telekom den Zugang des Glasfaser-Anbieters sogar abschalten könnte.
Ausschlaggebend für den Beschluss ist die Frage, wer die Hoheit über die Teilnehmeranschlussleitung (TAL) hat. Und das ist nach Ansicht der Bundesnetzagentur nicht der Hauseigentümer, sondern die Telekom, die das Kommunikationsnetz betreibt. Der Breko verweist dabei auf folgende Passage aus dem Beschluss: „Für die Verpflichtung zur Zugangsgewährung und damit für die Frage, ob Regelungen zur Endleitung im Standardangebotsverfahren getroffen werden dürfen, kommt es nicht darauf an, ob die Betroffene [die Deutsche Telekom] Eigentümerin der Endleitung ist. Zum Zugang verpflichtet ist nach § 21 TKG nicht der Eigentümer, sondern der (marktmächtige) Betreiber des Telekommunikationsnetzes, also derjenige, der die Funktionsherrschaft über das Netz besitzt.“
Mit dieser Begründung würde die Telekom allerdings „ein Quasi-Monopol über die so genannte Gebäudeverkabelung“ erhalten, kritisiert der Breko. Der Konzern erhalte durch die Funktionsherrschaft das Recht, „Glasfaseranschlüsse, die ihr Vectoring-Signal stören, notfalls abschalten“.
Als Alternative für die Kupferkabel könnten FTTB-Anbieter „eigene Endleitungen im Gebäude (…) verlegen“ oder die Glasfaser-Infrastruktur eines anderen Anbieters mitnutzen. Beides hält der Breko für unrealistisch und vor allem nicht zeitnah umsetzbar.
Telekom: Folgen für Vectoring sind gravierender als bei G.fast
Die Telekom verteidigt indes den Beschluss der Bundesnetzagentur. So erklärte ein Telekom-Sprecher auf Anfrage von Golem: „Durch die Nutzung des gleichen Frequenzspektrums kommt es zu gegenseitigen Störungen, die bei G.fast zu einem geringen Verlust von Datenraten führen kann. Bei VDSL Vectoring/Super Vectoring kann dies auch zum Synchronisationsverlust, also zum Ausfall des Anschlusses, führen.“ Der Beschluss der Bundesnetzagentur stehe also eher für ein Miteinander von neuer und alter Technologie. Außerdem hätten Wettbewerber immer die Option, selbst Leitungen zu verlegen.
Der Beschluss über das Zusammenspiel von G.fast und Super-Vectoring ist Teil eines Verfahrens, bei dem ein neues TAL-Standardangebot erarbeitet wird. Es geht um die Konditionen, für die Wettbewerber eine Teilnehmeranschlussleitung der Telekom nutzen können. Gültig ist die nun diskutierte Entscheidung erst, wenn das komplette Verfahren abgeschlossen ist.
Der alternative Provider-Verband VATM kommt nach Analyse des Bundesnetzagentur-Beschlusses in Teilen zu einer anderen Einschätzung der Lage sowie der Auswirkungen. Die besagt: Im Kern gehe es um einen speziellen Streitfall, bei dem vor allem die Frage im Raum steht: Wer war zuerst da? Das Glasfaser ausbauende Unternehmen oder die Telekom.
Betroffen sind demnach also Anbieter, die Glasfaser bis in ein Haus verlegen (FTTB), in dem ein Bewohner bereits das Vectoring-Angebot der Telekom nutzt. Das bedeutet: Die Regelung schützt Bestandskunden. Wenn ein Bewohner eines Hauses bereits einen FTTB-Zugang hat, kann die Telekom nicht einfach nachziehen und dann die Leitung drosseln.
Damit eine Drosselung des FTTB-Anbieters tatsächlich in Betracht kommt, muss die Telekom zudem eine Störung nachweisen. „Potentielle Störungen reichen ebenso wenig wie Versorgungsleistungen unterhalb der Vectoring-Qualität, z. B. aufgrund langer Kupferleitungen gerade im ländlichen Bereich“, so der VATM.
Dennoch neue Gesetze erforderlich
Grundsätzlich gehe es also nicht um „Glasfaser versus Vectoring“. In vielen Fällen würden die Glasfaser-Anbieter die Kabel ohnehin bis zur Wohnung verlegen (FTTH) oder verfügbare Koaxial-Kabel nutzen. Und wenn die Leitungskapazitäten tatsächlich beschnitten werden, „stehen in der Praxis in vielen Fällen praktikable Alternativen für die betroffenen Hauseigentümer, Mieter und Glasfaserunternehmen zur Verfügung“.
Bedauerlich sei indes, dass die Bundesnetzagentur für „ganz besondere Konfliktfälle“ überhaupt so eine Regelung treffen müsse. Hier gebe es noch Lücken im Telekommunikationsgesetz (TKG). Die Forderung des VATM ist daher: „Die Politik muss letztlich den gesetzlichen Rahmen schaffen, damit in Zukunft auch in besonderen Situationen immer Glasfaser-Qualität vor Vectoring-Qualität geht.“
Nötig wäre mittelfristig eine neue rechtliche Lösung, die sich an Österreich orientieren könnte. Die Kernpunkte wären ein „Vorrang für Glasfaserausbau und, wo es nötig ist, mit Abfindungsregeln für eine schlechtere Technik“.