Ravensburger Tiptoi Create im Test: Der sprechende Stift hört jetzt auch zu
tl;dr: Mit der mittlerweile dritten Generation integriert Ravensburger eine Aufnahmefunktion in den Lern- und Spielstift Tiptoi. Das bringt eine Vielzahl neuer Möglichkeiten, die der Hersteller aber noch nicht immer in Gänze zu nutzen weiß.
Bewährtes System
Am bewährten Prinzip des Lern- und Spielstiftes hält Ravensburger auch in der nunmehr dritten Generation fest – wenn auch mit grundlegenden Änderungen: Wurde mit dem Vorgänger noch versucht, auch Hörbücher und Kinderlieder auf dem Stift zu etablieren, wurde dies mittlerweile zu den Akten gelegt und dafür eine Aufnahmefunktion integriert.
Die Inbetriebnahme gestaltet sich nach wie vor einfach. Doch während beim Vorgänger lediglich das Drücken des Entriegelungsknopfes zur Abnahme der Hülle und fürs Einlegen der Batterie vonnöten war, muss nun mit einem spitzen Gegenstand die Sperre entriegelt werden. Das erschwert den Batteriewechsel.
Das Prinzip der unsichtbaren Tinte
Das Tiptoi-System arbeitet nach wie vor nach dem Prinzip der OID-Codes: Die mittlerweile zahlreichen Bücher, Spiele und Figuren beinhalten selbst keine Elektronik, sondern sind entweder ganz oder nur an bestimmten Stellen mit einem Netz aus fürs menschliche Auge nicht sichtbarer Tinte überzogen. Diese Aufdrucke beinhalten den genannten Code, der mittels einer kleinen Kamera samt UV-Filter an der Spitze des Stiftes erkannt wird. Die gewonnenen Informationen werden dann den entsprechenden Audio-Dateien zugeordnet und ausgegeben. Zur Erkennung reicht ein Gleiten über die Oberfläche bereits aus, ein festes Drücken ist nicht nötig.
Stabil genug für Kinderhände
Die Kamera wie auch der Tiptoi-Stift selbst sind nach wie vor sehr stabil gefertigt, was für ein Überleben in Kinderzimmern existenziell ist. Ravensburger gibt auf das System zwar keine „Sorglos-Garantie“ wie Amazon bei seinen Tablets der Kids-Edition, verschiedene Rezensionen auf Verkaufsportalen zeigen aber, dass der Hersteller im Fall eines Defekts in der Vergangenheit sehr kulant reagierte.
Ende der Hörbuch-Funktion
Die Hörbuch-Funktion hat Ravensburger mit dem neuen Stift eingestellt. Laut dem Unternehmen werden noch Restbestände der unterstützenden zweiten Generation verkauft, gängige Online-Händler führen diese jedoch bereits nicht mehr.
Dass sich diese Funktion nicht durchgesetzt hat, könnte vor allem dem proprietären RAV-Format zuzuordnen sein. Kaum ein Elternteil dürfte in der Vergangenheit bereit gewesen sein, ein Hörspiel zu kaufen, das nur auf dem Tiptoi-Stift abspielbar ist. Genauso wird die Anzahl der Eltern recht überschaubar bleiben, die noch einmal Geld für ein Hörspiel ausgeben, das bereits vorhanden ist, vom System aber nicht unterstützt wird. Zudem war das Angebot an Audio-Inhalten mit zuletzt rund 150 Titeln im Onlineshop von Ravensburger als sehr übersichtlich zu bezeichnen.
Keine Öffnung zu anderen Formaten
Dennoch muss es als Fehler angesehen werden, die Unterstützung von Audio-Dateien generell einzustellen. Eine bessere Wahl wäre es gewesen, das System für gängige Formate wie MP3 zu öffnen. Auch das hätte Ravensburger neue Kunden bringen können. Zudem zeigt sich in diesem konkreten Fall sehr deutlich die Crux mit Käufen von digitalen Inhalten in proprietären Formaten: Sollte der eigene Tiptoi-Stift einmal sein Lebensende erreichen und ein Ersatz nicht aufzutreiben sein, sind die gekauften Inhalte ab diesem Moment nutzlos und können auch nicht auf anderen Endgeräten wiedergegeben werden.
Darüber hinaus ist das neue System vollständig abwärtskompatibel zu bisherigen Tiptoi-Titeln. Neue Produkte mit dem Create-Zusatz lassen sich jedoch nur mit dem neuen Stift wiedergeben.
Aufspielen von Titeln
An anderer Stelle hat Ravensburger anscheinend besser auf die vielen kritischen Stimmen gehört und das Aufspielen von Inhalten auf den Stift wieder so einfach gestaltet wie in der ersten Version.
Die meisten Nutzer dürften dafür den Tiptoi-Manager nutzen, der für Windows und macOS zur Verfügung steht. Kontakt zur Außenwelt nimmt der Stift auch in der neuen Version ausschließlich über die USB-Verbindung auf, eine kabellose Komponente ist nicht vorhanden. Zum Anschluss muss die Abdeckung des USB-Anschlusses hochgeschoben und ein entsprechendes Kabel angeschlossen werden. Negativ anzumerken ist, dass Ravensburger immer noch auf Anschlüsse im Mini-USB-Format setzt, Micro-USB ist deutlich verbreiteter.
Dateien endlich auch wieder manuell herunterladbar
Ist die Verbindung hergestellt, kann im Manager nach den jeweiligen Titeln gesucht und diese auf den rund 3,3 GByte großen Speicher des Stiftes kopiert werden. Mit der zweiten Möglichkeit können die Dateien nun wieder einfach von der Ravensburger-Website direkt auf den Stift geladen werden, was vor allem Linux-Nutzer freuen dürfte. Zum Zeitpunkt des letzten Tiptoi-Testes mussten sich Nutzer die benötigten Dateien bei Nichtnutzung der Software per E-Mail zusenden lassen – was schon seinerzeit aus Gründen des Datenschutzes kritisch zu sehen und vor allem für den Anwender auf der Verpackung nicht erkennbar war. Die DSGVO dürfte zudem ihr Übriges zur Rückkehr beigetragen haben.
Bei beiden Möglichkeiten sollten aber keine Höchstleistungen bezüglich der Übertragungsrate erwartet werden. Der verwendete Controller legt ein eher „gemütliches“ Arbeitstempo vor: Im Test dauerte die Übertragung von rund 600 MByte fast fünf Minuten.
Der Manager mit Verbesserungspotenzial
Auch wenn die Software generell gut funktioniert, sollte Ravensburger in manchen Bereichen nachbessern. So werden die Inhalte beim Download im Profil-Ordner des jeweiligen Nutzers gespeichert und von dort aus auf den Stift kopiert. Der Vorteil: Die benötigten Dateien müssen nicht jedes Mal erneut heruntergeladen werden, es wird einfach auf den Download-Ordner zurückgegriffen. Dieses Vorgehen kann auch den Umstieg auf einen neuen Stift vereinfachen, in dem alle vorhandenen Dateien automatisch auf das neue Gerät kopiert werden, anstatt diese in mühseliger Kleinarbeit wieder über die Software zusammenzusuchen. Eine solche Funktion ist in den Einstellungen auch vorhanden, funktioniert jedoch nicht zuverlässig: Im Test wurde nur ein kleiner Teil der vorhandenen Daten synchronisiert.
Nervende Verhaltensweisen
Darüber hinaus nervt die Software nach jedem Start mit dem Vorschlag, ein Nutzerkonto bei Ravensburger anzulegen – das für die Nutzung des Stiftes und der Dateien nicht vonnöten ist. Als Anwender kann zwar angegeben werden, dass man kein Konto anlegen möchte, diese Wahl wird vom System jedoch nicht gespeichert und so erscheint beim nächsten Start die Meldung erneut.
Nach wie vor mittelmäßige Klangqualität
An der Klangqualität der Inhalte hat sich ebenfalls nichts geändert. Diese sind von Ravensburger dem Anschein nach weiterhin mittels Mono-Kodierung und niedriger Bitrate auf Dateigröße getrimmt, nicht selten treten Fragmente auf oder die Ausgabe klingt verwaschen. Das mag für die Wiedergabe über den sich immer noch am oberen Ende des Stiftes befindlichen kleinen Lautsprecher ausreichend sein, aber gerade bei Nutzung eines Kopfhörers wird erneut viel Potenzial verspielt. Hier sollte Ravensburger langsam dazu übergehen, dem Nutzer die Wahl zu lassen, ob er so viele Inhalte wie möglich auf den Stift bekommen möchte oder eher Wert auf einen guten Klang legt.
Integrierte Aufnahmefunktion
Mit der Aufnahmefunktion gelangt ein neues Element in die Tiptoi-Spielewelt und damit gibt es auch erstmal einen Bruch: Während bisher alle neuen Inhalte auch mit der ersten Stiftgeneration kompatibel waren, wird die Aufnahmefunktion nur von Inhalten der Version „Tiptoi Create“ unterstützt.
Wie die neue Technik im Spiel eingesetzt werden kann, wird in diesem Test an späterer Stelle behandelt. Hier soll es zunächst nur um die technische Seite gehen.
Keine ungewollten Aufnahmen
Laut Ravensburger nimmt der Stift nur auf, wenn ein entsprechendes Feld im Buch oder Spiel gewählt und danach die Aufnahmetaste gedrückt wird. Diese Zweifachsicherung soll vor ungewollten Aufnahmen schützen. Die Aufzeichnung wird nach Angaben des Unternehmens nach Beendigung auf dem Stift gespeichert und verbleibt auch auf diesem. Eine Übertragung an andere Geräte ist nicht möglich.
Aufnahme nur im Nahbereich gut erkennbar
Die Qualität der Aufnahmen ist für Spiele ausreichend, zumindest wenn das Mikrofon einige Zentimeter vor dem Mund gehalten wird. Mit zunehmender Entfernung wird das Gesprochene jedoch immer schwerer verständlich, „Aushorchen“ in Kinderzimmern ist auch deshalb kaum nicht möglich.
Löschen einfach gemacht
Löschen lassen sich die aufgenommenen Daten auf verschiedenem Wege: So löscht jede Aufnahme eines Punktes im Buch oder Spiel die vorherige, es werden also keine älteren Versionen behalten. Darüber hinaus besitzt jedes Create-Produkt die Möglichkeit, am Ende über das Mülleimer-Icon die gesamten für dieses erstellten Aufnahmen zu löschen. Eine weitere Möglichkeit bietet der Tiptoi-Manager, der jedoch alle sich auf dem Gerät befindlichen Aufnahmen ins digitale Nirwana schickt. Zu guter Letzt können die Audio-Dateien auch per Hand am Rechner über den als Wechseldatenträger angeschlossenen Stift im Ordner des jeweiligen Buches oder Spiels entfernt werden. Daneben löschen bestimmte Spiele, wie das später noch beschriebene „Sound Quiz“, die Aufzeichnungen bereits nach jeder Spielrunde, beim Wechsel des Titels oder beim Ausschalten des Stiftes.
Eine Begrenzung der Aufnahmezeit konnte im Test nicht beobachtet werden, selbst mehrere Minuten stellten kein Problem dar, hier scheint der Speicher zu limitieren. Eine Aufnahme von einer Minute Länge besitzt eine Dateigröße von knapp zwei MByte.