Digitalisierung: Deutsche stellen Regierung schlechtes Zeugnis aus

Michael Schäfer
69 Kommentare
Digitalisierung: Deutsche stellen Regierung schlechtes Zeugnis aus
Bild: geralt | CC0 1.0

Dass die Deutschen in Sachen Digitalisierung kein großes Vertrauen in den Staat besitzen, ist schon längst kein Geheimnis mehr. Eine Untersuchung des Vodafone Institutes zeigt nun jedoch deutlich, wie tief die Gräben zwischen den Bundesbürgern und der Regierung sind. Das ausgestellte Zeugnis fällt teilweise vernichtend aus.

So sprechen lediglich rund 44 Prozent der in Deutschland befragten Personen den politisch Verantwortlichen die Fähigkeit und vor allem den Willen zu, Probleme überhaupt zu erkennen und die Digitalisierung in diesem Lande voranzutreiben. Geht es um die reinen Fähigkeiten, sinkt die Zustimmung sogar auf 37 Prozent. Ein kleiner Trost: Mit beiden Werten liegt Deutschland im europäischen Vergleich auf den mittleren Plätzen, am schlechtesten schneiden Bulgarien und überraschend Schweden ab. In Indien trauen die Menschen mit 82 Prozent und 75 Prozent den Verantwortlichen am ehesten zu, die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung zu erkennen und diese voranzutreiben.

Nicht einmal die Hälfte der befragten Bundesbürger trauen der Regierung den Willen zu, die Anforderungen der Digitalisierung umzusetzen
Nicht einmal die Hälfte der befragten Bundesbürger trauen der Regierung den Willen zu, die Anforderungen der Digitalisierung umzusetzen (Bild: Vodafone Institut)

Keine Strategie erkennbar

Dabei erkennen 39 Prozent der Befragten in Deutschland keine Strategie für den Einsatz neuer Technologien, was unter anderem beim Ausbau von schnellen Internetverbindungen zu beobachten ist. Darüber hinaus wünschen sich die Bürger vermehrt die Schaffung einer unabhängigen Expertenkommission, welche in der Lage ist, entsprechende Strategien zu entwickeln. Rund jeder Dritte ist zudem der Meinung, dass Politiker ihre Kompetenz in diesem Bereich durch Tests belegen müssen, wogegen jeder fünfte Befragte sogar eine Altersquote für Politiker fordert, um eine gewisse Kompetenz gewährleisten zu können.

In den Fähigkeiten der Bundesregierung wird nur wenig Vertrauen gelegt
In den Fähigkeiten der Bundesregierung wird nur wenig Vertrauen gelegt (Bild: Vodafone Institut)

Bei Datensicherheit viel Vertrauen verspielt

Dem europäischen Trend folgend besitzen die Deutschen kaum Vertrauen in die Bundesregierung, wenn es um das Thema Datensicherheit geht: Lediglich rund jeder Vierte ist der Meinung, dass seine Daten durch Gesetze genügend geschützt werden, fast die Hälfte der Befragten verneinen dies. Etwas positiver sieht es aus, wenn es darum geht, die Rechte bei Datenschutzverletzungen zu schützen. Zu diesem Anstieg dürfte auch die im Mai letzten Jahres endgültig in Kraft getretene neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) beigetragen haben.

Kompetenzen auf viele Unternehmen aufteilen

Auch wenn die Verflechtung von Politik und Wirtschaft in Deutschland in den letzten Jahren vermehrt mehr als kritisch beäugt wird, sprechen sich dennoch deutlich mehr als die Hälfte (57 Prozent) der Befragten für eine Kooperation zwischen Unternehmen mit IT-Spezialisierungen und der Regierung aus, da der Staat ihrer Meinung nach im öffentlichen Bereich digitale Leistungen sowie die dafür benötigte Infrastruktur nicht alleine bereit stellen könne. Gleichzeitig stehen 65 Prozent einer Verteilung der Kompetenzen auf nur wenige Unternehmen skeptisch gegenüber. Daher wird in Deutschland mit 44 Prozent die Förderung von kleinen und mittelständigen Unternehmen gefordert, fast genau so viele sprechen sich aber auch für eine genauere Kontrolle solcher Unternehmungen aus.

Keine Besserung in Sicht

Für die Regierung dürfte es eine große Herausforderung darstellen, das verlorene Vertrauen der Bürger wieder herzustellen. Besonders das Gerangel um die Vorratsdatenspeicherung sowie das Verhalten der Bundesregierung bei diversen Datenschutzverletzungen dürfte den Bundesbürgern im Gedächtnis geblieben sein. Auch die aktuellen Geschehnisse rund um die neue europaweite Urheberrechtsreform und die damit verbundenen Uploadfilter dürften die Gräben zwischen beiden Parteien weiter vertiefen.

Für die Erhebung hat das Meinungsforschungsinstitut Ipsos im Auftrag des Vodafone Institutes 9.000 Menschen in den Ländern Bulgarien, Deutschland, Großbritannien, Indien, Italien, Schweden, Spanien sowie den USA und teilweise auch China zu ihren Ansichten im Bezug auf die Kompetenzen des jeweiligen Landes und die Digitalisierung befragt. Zudem wurden ausgewählte Experten anonym interviewt, um die Befragungsergebnisse besser einordnen zu können. In China war es aufgrund der politischen Situation nicht möglich, alle Fragen zu stellen.