Marshall Bluetooth-Speaker im Test: Woburn II, Stanmore II und Acton II sind laut und zickig

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Michael Schäfer
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Die Bluetooth-App überzeugt nicht

Die drahtlose Kopplung zwischen Quellgerät und Lautsprecher kann auf zwei Wegen erfolgen: Entweder ganz normal in den Bluetooth-Einstellungen oder über die für Android ab Version 5 oder für iOS ab Version 10 bereitstehende Marshall-Bluetooth-App. Windows Phone wird erwartungsgemäß in Sachen Software nicht unterstützt.

Die App bietet über den normalen Kopplungsmodus hinaus einige Zusatzfunktionen wie etwa einen Equalizer, die Kopplungsmöglichkeit zweier Lautsprecher zu einem Set sowie die Möglichkeit, die Helligkeit der Bedienleuchten zu dimmen.

Lautsprecher verbinden sich nicht richtig

Bei der Qualität der App macht Marshall alles andere als eine gute Figur. Die iOS-Variante als katastrophal zu bezeichnen, wäre noch geschmeichelt. Denn im Grunde funktioniert nichts so richtig.

Die Probleme fangen bereits beim Koppeln an: Wenn Acton II und Woburn II auf einem iPad Air mit iOS 12.1 überhaupt erkannt werden, werden sie zwar als „verbunden“ angezeigt, die Ausgabe erfolgt jedoch weiterhin über das Tablet. Selbst das „Vergessen“ der Lautsprecher in den Einstellungen schafft keine Abhilfe. So ließen sich beide Lautsprecher per iOS nicht über die Software verbinden.

Ohne Freigabe des Standortes geht bei Marshall unter Android nichts
Ohne Freigabe des Standortes geht bei Marshall unter Android nichts
Ein Lautsprecher wurde Ausnahmsweise einmal gefunden
Ein Lautsprecher wurde Ausnahmsweise einmal gefunden
Er verbindet und verbindet und verbindet und verbindet...
Er verbindet und verbindet und verbindet und verbindet...
...und verbindet dann doch nicht
...und verbindet dann doch nicht

Der Stanmore II verbindet sich zwar korrekt, doch ist hier wiederum eine fehlerfreie Wiedergabe Glückssache. Mit jeder Verbindung scheint der Lautsprecher auszuwürfeln, wozu ihm dieses Mal der Sinn steht. Wenn der Anwender Pech hat, wird dieser mit Aussetzern in 10-Sekunden-Abständen malträtiert. Wenn er Glück hat, passiert lange Zeit nichts, doch es gilt: Nach dem Aussetzer ist vor dem Aussetzer.

Häufiger Aussetzer unter iOS

Auch ein Verbinden von zwei Lautsprechern zu einem Set (Stereo oder Multiroom) ist in den meisten Fällen unter iOS nicht möglich. Oftmals wird der zweite Lautsprecher erst gar nicht gefunden. Wird doch einmal ein Mitstreiter erkannt, kann es aber passieren, dass dieser dennoch in der Übersicht der zu einem Set zu koppelnden Lautsprechern nicht aufgeführt wird. Dafür kann es vorkommen, dass die Software ein seltsames Eigenleben entwickelt, wenn die Wiedergabe plötzlich auf eben diesen Lautsprecher überspringt.

Wird die reine Bluetooth-Verbindung über die Einstellungen vorgenommen, erfolgen Kopplung sowie Wiedergabe ohne Probleme. Lediglich beim Pausieren neigen die Lautsprecher des Öfteren dazu, mit der letzten Sekunde der Wiedergabe bei geringer Lautstärke diese hörbar zu erhöhen. Eine Verhaltensweise, die beim Stanmore II auch unter Verwendung der App beobachtet werden konnte.

Der Nachteil der direkten Verbindung ist das Fehlen einer Set-Funktion. Dass dies jedoch auch unter diesen Umständen möglich ist, zeigen zahlreiche andere Hersteller.

Dass die Qualität der App auf die verwendete Kombination von Lautsprecher und Quellgerät zurückzuführen ist, kann bei einer Bewertung von gerade mal 1,8 Sternen in Apples App Store zudem ausgeschlossen werden.

In den Bluetooth-Einstellungen wird der Marshall sofort gefunden
In den Bluetooth-Einstellungen wird der Marshall sofort gefunden
Koppeln des Lautsprechers ohne App...
Koppeln des Lautsprechers ohne App...
....kein Problem
....kein Problem

Auch Android macht Probleme

Nicht viel anders verhält es sich bei der Android-App: Auf einem Fire HD 10 und Fire HD 8 von Amazon mit Fire OS 5.3.6.4 startet die Software zwar, beim Verbindungsversuch ruft diese jedoch die normalen Bluetooth-Einstellungen auf, um den Lautsprecher hierüber zu verbinden. Die Nutzung der Klangeber über die App ist damit aber nicht mehr möglich. Es ist davon auszugehen, dass dieses Verhalten dem fehlenden GPS-Modul zuzuschreiben ist, denn auf anderen Android-Geräten wird beim Start die aktivierte Ortung vorausgesetzt – ohne diese verweigert die App schlicht den Start. Unter iOS tritt dieses Verhalten nicht auf.

Dass eine GPS-Aktivierung für die Nutzung nicht notwendig ist, zeigt der Umstand, dass sich die Lautsprecher eben auch ohne Software verbinden lassen.

Es konnten aber noch weitere seltsame Verhaltensweisen beobachtet werden: So gab die Software auf einem Nokia 7 Plus mit aktuellem Android 9 an, dass für die App doch bitte etwas Speicherplatz freigeräumt werden soll – obwohl der interne Speicher von 64 GB mit benutzten 29 GB nicht einmal zur Hälfte gefüllt war und zudem noch genügend Platz auf der zusätzlichen 128 GB umfassenden SD-Karte zur Verfügung stand. Zumindest startete die App trotz der Warnung.

Dass auch hier die Probleme keine Einzelfälle sind, zeigen ebenfalls die Bewertungen in Googles Play Store, die mit im Durchschnitt 2,1 Sternen ebenfalls kein Ruhmesblatt für Marshall darstellen.

Sounds Like A Melody

Lautsprecher im Stile der hier getesteten Marshalls besitzen ein Dilemma: Sie versuchen die bewährte Art von Hi-Fi-Lautsprechern zu imitieren oder gar zu ersetzen – was nur selten von Erfolg gekrönt ist, wie auch im vorliegenden Fall.

Generell können alle Vertreter mit einem guten Klangbild aufwarten, höheren Ansprüchen werden sie damit aber nicht gerecht. So bieten alle drei Vertreter einen guten Bass und klare Höhen, lassen aber die Mitten ein wenig vermissen. Um die Stereo-Anlage aus ihrem Regal zu verdrängen, fehlt dann am Ende doch ein gutes Stück Ausgewogenheit – und der Druck.

Dass Acton II und Stanmore II aufgrund der Größe ihres Korpus nicht als Bassgiganten herhalten können, sollte klar sein. Der Woburn II schlägt wiederum oft genau ins Gegenteil und wirkt streckenweise zu basslastig. An dieser Stelle hätte Marshall die dominante Tieftonwiedergabe lieber etwas zurückfahren und im Gegenzug die tieferen Subbass-Frequenzen präsenter gestalten sollen. So hat der große Lautsprecher im Vergleich zu den 25 Jahren alten Dauphin-Lautsprechern von Quadral des Testers kaum eine Chance.

Marshall Stanmore II
Marshall Stanmore II

Auch mit dem in der App integrierten Equalizer kann kaum etwas korrigiert werden, denn auch wenn der Woburn II laut Spezifikationen bei 30 Hz startet, können mit der Software erst Frequenzen ab rund 160 Hz verstärkt werden. Damit werden genau die Bereiche verstärkt, die eigentlich verringert werden sollen.

Trotz aller Nachteile auch Vorzüge

Auch wenn die Lautsprecher nicht als vollwertiger Hi-Fi-Ersatz herhalten können, so besitzen dennoch alle drei ihre Bereiche, in denen sie auftrumpfen können. So können Woburn II und Stanmore II definitiv zur Beschallung der nächsten Festlichkeiten herangezogen werden – denn wenn diese beiden eines können, dann ist es Lautstärke – und zwar sehr laut. Selbst bei hoher Lautstärke neigen beide Klangübermittler erst sehr spät zu Verzerrungen – meist dann, wenn die Lautstärke schon lange im unangenehmen Bereich angekommen ist. Zwei Modelle für einen etwas größeren Raum gekoppelt – wenn die Software dies dann einmal zulässt – und man kann die Uhr danach stellen, wann die Nachbarn unter einem zum ersten Mal mit dem Besen gegen die Decke klopfen werden.

Um Diskretion wird gebeten...

Der kleine Acton II eignet sich aufgrund seiner Größe hingegen für Gelegenheiten, bei denen es auf einen geringen Platzverbrauch ankommt, zum Beispiel zur Hintergrundbeschallung in Küche oder Büro – denn im Gegensatz zu seinen beiden größeren Brüdern ist Zurückhaltung seine große Stärke.

Die drei Lautsprecher eint jedoch ein gemeinsamer Nachteil: Sie weisen ein deutliches Grundrauschen auf. Das mag beim Woburn II aufgrund des Abstands zum Hörer noch nicht auffallen. Beim Acton II, den man sich genauso gut auch auf den Nachttisch stellen kann, fällt dieses dann deutlicher ins Gewicht – das Hören leiser Musik oder eines leisen Hörbuches kann davon schon beeinträchtigt werden.

Der Acton II von Marshall eignet sich auch zur dezenten Hintergrundbeschallung
Der Acton II von Marshall eignet sich auch zur dezenten Hintergrundbeschallung

Darüber hinaus weisen die getesteten Lautsprecher Ungleichmäßigkeiten bei der Regelung der Lautstärke auf: An zwei bis drei Stellen hebt sich die Stärke der Ausgabe gegenüber dem vorherigen Einstellungspunkt deutlich an. Das ist besonders dann ärgerlich, wenn daran eine dezente Wiedergabe im Hintergrund scheitert.

Fazit

Alle Test-Aspiranten hinterlassen einen gemischten Eindruck. Die Verarbeitung bewegt sich auf einem hohen Niveau, die keine Kritik zulässt. Die mit dem Retro-Look beschrittenen Wege abseits der von anderen Herstellern bereits ausgelatschten Pfade sorgen zumindest für ein gestalterisches Alleinstellungsmerkmal.

Klanglich weisen die Lautsprecher dagegen die gleichen Defizite auf, die auch von anderen Vertretern ihrer Zunft bekannt sind: Sie sind vor allem auf moderne Musik und damit auf Bass getrimmt, lassen also ein ausgeglichenes Klangbild vermissen. Das mag beim Acton II und Stanmore II, die für die „Nebenbebeschallung“ verwendet werden, noch zu vernachlässigen sein. Beim Woburn II, der dagegen schnell zum „Hauptspieler“ innerhalb der eigenen vier Wände werden kann, fällt dies jedoch direkt ins Gewicht – Klassik oder Jazz macht hier wenig Spaß, insbesondere die Mitten kommen dabei zu kurz. Ansonsten bieten die Lautsprecher klare Höhen und verzerren erst bei viel zu lauter Musikwiedergabe.

Der Acton II dürfte es mit einem UVP von 249 Euro zudem besonders schwer haben, denn in der Preisklasse gibt es starke Konkurrenz mit gleicher Klangqualität und darüber hinaus einem integrierten Akku, was sie portabel und damit wesentlich vielseitiger macht.

Marshall Bluetooth-Lautsprecher im Test

Blamable App

Als völlig inakzeptabel muss die zum System gehörige App bezeichnet werden, mit der zumindest im gewissen Maße Klangkorrekturen vorgenommen sowie zwei Lautsprecher zu einem Stereo- oder Multiroom-Set zusammengefügt werden könn(t)en – wenn die Lautsprecher denn gefunden werden und sich verbinden lassen. Dies kann sowohl bei Android als auch bei iOS zu einem Geduldsspiel mit ungewissem Ausgang werden. Für einen Hersteller, der in Musikkreisen eine außergewöhnliche Reputation genießt, ist diese abgelieferte Qualität blamabel.

Wenn es laut sein soll ...

Ob sich die Anschaffung eines der Vertreter lohnt, hängt darüber hinaus stark vom Einsatzbereich ab. Der Woburn II findet seine Stärke vor allem in der Beschallung von Festlichkeiten und der Tatsache, dass er erst bei sehr hoher Lautstärke zu Verzerrungen neigt. Die kleineren Brüder eignen sich vor allem für die Hintergrundbeschallung – wenn das deutlich vernehmbare Hintergrundrauschen bei leiser Wiedergabe nicht ins Gewicht fällt.

Keine Konkurrenz für die Stereoanlage

Konkurrenz droht dabei vor allem aus dem Lager, das man zu verdrängen versucht, denn gegenüber der Stereoanlage besitzen die großen Funklautsprecher einen ebenso großen Nachteil: Für das Erreichen einer vernünftigen Räumlichkeit werden immer zwei Exemplare benötigt. Damit steigt aber der Anschaffungspreis und dennoch besitzen solche Lautsprecher weiterhin klanglich das Nachsehen.

Hinzu kommen die deutlichen Einschränkungen bei den Anschlüssen: Wenn am Woburn II zum Beispiel noch ein Schallplattenspieler angeschlossen werden soll – wie es auf den Produktbildern gezeigt wird –, wird im Normalfall ein separater Vorverstärker benötigt – damit dürfte sich der Preis gemessen am UVP von Marshall auf 1.100 bis 1.200 Euro erhöhen. In diesen Preisregionen bekommt der geneigte Musikfreund jedoch bereits Hi-Fi-Lösungen von NAD, Rotel oder anderen Herstellern hochwertiger Audio-Komponenten samt Lautsprechern, die zwar nicht mit hohen Leistungsangaben protzen, den Woburn II jedoch klanglich in die Ecke stellen und weniger Stress bei der Bedienung machen. Bluetooth-Funktionalität bringen einige Vertreter in dieser Preisklasse ebenfalls mit und falls nicht, gibt es mittlerweile auch gute Dongles für wenig Geld.

Die Konkurrenz lauert aber auch in Form der Hersteller echter Multiroom-Systeme wie Sonos oder Teufel. Besonders an der Funktionalität von Sonos, auch wenn diese in der letzten Zeit deutlich abgenommen hat, beißt sich Marshall die Zähne aus. Da bietet der Konkurrent deutlich mehr fürs Geld – wenn auch nicht so formschön.

Sollte also jemand mit dem Gedanken spielen, mit dem Woburn oder seinen Brüdern seine vollwertige Anlage zu ersetzen, dann sollte er dies noch einmal überdenken – was aber auf die meisten dieser Lösungen zutrifft. Wer aber neues Interieur für ein Loft sucht – und Spaß an abenteuerlichen Verbindungen hat –, kommt beim Woburn II sicherlich auf seine Kosten.

Marshall Acton II Bluetooth
12.02.2019
  • Gute Verarbeitung
  • Guter, aber basslastiger Klang
  • Schlechte App
  • Hörbares Grundrauschen
Marshall Woburn II Bluetooth
12.02.2019
  • Gute Verarbeitung
  • Guter, aber basslastiger Klang
  • Laute Wiedergabe
  • Schlechte App
  • Hörbares Grundrauschen
Marshall Stanmore II Bluetooth
12.02.2019
  • Gute Verarbeitung
  • Guter, aber basslastiger Klang
  • Schlechte App
  • Hörbares Grundrauschen

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