Schlechte Spiele: Entwickler sprechen über die Folgen von Fehlschlägen
Wie ist es eigentlich bei einer Firma zu arbeiten, die nach der Veröffentlichung eines teuren, lange erwarteten Triple-A-Spiels mit Kritik und negativen Rezensionen konfrontiert wird? Ein Nutzer auf Reddit hat ins Blaue gefragt und zahlreiche Antworten von anonymen Entwicklern erhalten.
Dass die Entwickler anonym bleiben, hat mehrere Gründe, darunter NDAs, die in gewissen Bereichen überschaubare oder gut vernetzte Branche und der Schutz der Person vor Belästigungen, etwa durch Fans. Nachprüfbar sind die Äußerungen deshalb nicht ohne Weiteres, sie sind jedoch detailliert und decken sich, was ihre Glaubwürdigkeit unterstreicht.
Kritik überrascht nicht
In allen Schilderungen wird übereinstimmend zum Ausdruck gebracht, dass die Qualität eines Spiels seinen Vätern teils weit im Voraus bekannt ist. Gründe gibt es mehrere. Entwickler spielen selbst und haben alleine deshalb ein Auge für Qualität. Häufig gibt es außerdem die Möglichkeit, eine stets aktuelle Version des Spiels zu testen. Größere Studios geben zusätzlich interne Pseudo-Reviews in Auftrag, um die Wertungen der Fachpresse abzuschätzen.
Da Entwickler teils jahrelang an einem Projekt arbeiten, können sie Stärken und Schwächen sowie mögliche Probleme gut beurteilen. Anzeichen für Schwierigkeiten sind vielfältig. Ein anwachsender Bug- oder Problemtracker kündigt ebenso von schwierigem Fahrwasser wie das Verhalten von Mitarbeitern: Wenn Probleme ignoriert und beiseitegewischt werden oder ein klarer roter Faden fehlt, steht kein Hit ins Haus.
Dass eine Gurke entsteht, muss sich nicht erst im Laufe der Entwicklung herauskristallisieren. Wenn das Projekt mit ungünstigen Rahmenbedingungen gestartet wird, ist Studios schon von Anfang an klar, welche Art von Ergebnis entsteht. In einem Fall sollte mit einer ungeeigneten Engine in viel zu kurzer Zeit ein Open-World-Spiel produziert werden. Das Resultat, berichtet der Entwickler, war dem Team vom Startzeitpunkt an klar, weil es von vorneherein zum Scheitern verurteilt wurde.
Eine negative Rezeption ist daher für die Entwickler keine Überraschung. Als unerwartete Ereignisse werden lediglich technische Probleme bezeichnet, die naturgemäß auftreten, wenn sich die Anzahl der Testumgebungen durch die Veröffentlichung erheblich vergrößert.
Publisher nicht der Buhmann
Wenn Entwickler sich für ein Projekt begeistern, werden Probleme bei der Entwicklung häufig heruntergespielt, es entstehen falsche Hoffnungen, Zweckoptimismus und der Wunsch, irgendwie immer noch das bestmögliche Spiel zu programmieren. Studios können sich dadurch in Wunschdenken hineinsteigern und an der Realität vorbei arbeiten, was es erschwert, die Schwierigkeiten abzustellen.
Ob ein Spiel gut oder schlecht wird, liegt demnach zuvorderst in der Hand der Entwicklerstudios. Schlechte Entscheidungen in den von ihm mit erstellten Spielen seien in der Regel von den Studios, nicht dem Publisher getroffen worden, schreibt ein Nutzer: „Häufig möchte sich der Publisher/das Unternehmen dem Team nicht hereinpfuschen und lässt es alleine, bis es zu spät ist“. Dabei wird zwar auch, aber nicht nur den Mitarbeitern in Führungspositionen die Schuld gegeben.
Desaströse Folgen
Die Folgen sind dennoch desaströs. Für einige Mitarbeiter dienen die Kritiken zwar als Bestätigung ihrer Einschätzungen, insgesamt aber ist das Scheitern aller Ambitionen und Hoffnungen „herzzerreißend“ und wird etwa von einem Mitarbeiter bei Turtle Rock (Evolve) mit „einer schlimmen Trennung“ verglichen. In Folge breiten sich Frustration und eine gedrückte oder gereizte Stimmung aus – was natürlich ist, wenn über Jahre hinweg mit viel Leidenschaft an einem Produkt gearbeitet wird, mit dem sich die Belegschaft identifiziert.
Welche konkrete Folgen ein Fehlschlag hat, hängt wiederum von der Größe des Studios ab. Für kleine Teams kann ein schlechtes Spiel ein Todesurteil sein, weil Publisher Vertrauen verlieren und nicht mehr annehmen, dass ein Vertrag bzw. Qualitätsversprechen auch erfüllt werden kann. Bei größeren Studios kommt es wiederum zu einem Wechsel in der Führungsetage und zu Verhandlungen mit Publishern bezüglich verschiedener Maßnahmen zur Vermeidung weiterer Flops.
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TheMagistre
Entlassungen drohen aber auch Entwicklern vor allem in kleinen und mittelgroßen Teams. Wie viele Angestellte gehen müssen, hängt davon ab, wie groß das Studio ist und wie wichtig das Projekt für seine Zukunft war. Verbleibende Mitarbeiter, wird berichtet, fühlten sich für diese Entlassungen in gewisser Weise verantwortlich, was die Moral drücke. Auch diese Instabilität und Unsicherheit ist ein Grund, warum negative Kritik als Schlag in die Magengegend empfunden wird.
Evaluation und Neubeginn
Generell startet nach einiger Zeit aber ein Prozess der Evaluation, um Fehler zu finden und zu vermeiden. Antriebsfeder ist einerseits die Leidenschaft der Entwickler und der damit verbundene Wunsch, es nun besser zu machen. Und damit, merken Entwickler mit einer Prise Zynismus an, beginne der gesamte Zyklus von neuem.