VR-Headsets ausprobiert: Oculus Quest beeindruckt, Rift S überzeugt, Audio enttäuscht
tl;dr: ComputerBase hat Oculus Quest und Rift S ausprobiert. Das kabellose VR-Headset beeindruckt, Rift S überzeugt. Die Bildqualität ist bei beiden Headsets besser als erwartet und das Inside-out-Tracking zeigte keine Aussetzer. Dafür fällt mehr Streulicht in die Headsets und die Audio-Ausgabe schwächelt.
Mit der Einführung von Oculus Rift S und Oculus Quest wird das VR-Ökosystem des Herstellers, bisher bestehend aus klassischer Oculus Rift und Oculus Go, zumindest vorläufig vervollständigt. Dabei richtet sich Oculus Go in erster Linie an Medienkonsumierende. Laut Oculus nutzt nur ein äußerst geringer Anteil das 3-DoF-Headset für Spiele oder Ähnliches. Ein echtes neues High-End-VR-Headset für Enthusiasten ist vorerst nicht geplant.
Auf einer eintägigen Veranstaltung in London konnten Oculus Quest und Oculus Rift S im April bereits ausprobiert werden. Ein Test der Oculus Quest dürfte schon in Kürze erscheinen.
Oculus Quest ausprobiert
Im Bereich Spiele fährt Oculus zwei verschiedene Strategien. Die Oculus Quest sollte als eigenständiges Headset eher als Konsole verstanden werden und wird dementsprechend auch einige der typischen Vor- und Nachteile einer solchen mit sich bringen.
Eingeschränktes Software-Angebot
Jason Rubin, verantwortlich für AR und VR bei Facebook, erklärt, welche Einflüsse diese Ausrichtung auf die Inhalte für Oculus Quest hat. Im Gegensatz zum Oculus Store für Oculus Rift (S) werde streng kuratiert, welche Software für Oculus Quest im Store angeboten werden könne. Bei Oculus Rift (S) sei diese Hürde praktisch schon erfüllt, wenn eine App starte und keine problematischen Inhalte wie zum Beispiel Pornografie enthalte. Soll eine App jedoch auch für Oculus Quest angeboten werden, müsse sie fertig sein und gewisse Qualitätsstandards erfüllen; Early-Access-Titel werde es für das Headset nicht geben.
Eine Unterstützung von Community-Mods wird jedoch bejaht, wenn auch die Umsetzung von den einzelnen Entwicklern gehandhabt werden muss. Damit dürfte zwar die durchschnittliche Spielequalität für Oculus Quest höher sein, die Auswahl aber eingeschränkter. Das gilt auch deshalb, weil es mit Oculus Quest keine Möglichkeit gibt, auf Software aus dem Steam-Store zuzugreifen, wie es bei Oculus Rift (S) möglich ist.
Crossplay und Crossbuy
Wie zum Teil auch schon von Microsoft für Xbox One und Windows 10 umgesetzt, sollen die meisten Spiele nur einmal gekauft werden müssen, wenn sie auf Oculus Quest und Oculus Rift (S) genutzt werden sollen. Dies gilt insbesondere für nahezu alle Spiele, die zum Start der Oculus Quest verfügbar sein werden. Eine wichtige Ausnahme stellt jedoch potentiell das vielleicht erfolgreichste VR-Spiel Beat Saber dar. Hier planen die Entwickler unter Umständen nur, die gekauften DLCs zwischen den beiden Versionen abzugleichen. Das Grundspiel müsste für beide Plattformen einzeln gekauft werden.
Zu den wichtigsten Punkten neben Crossbuy gehört für Rubin die Crossplay-Möglichkeit von Oculus Rift (S) und Oculus Quest. Diese soll in nahezu allen Titeln gegeben sein. Ziel dabei sei es, keine erkennbaren Unterschiede zwischen den verschiedenen Headsets zuzulassen. Auch in Multiplayer-Spielen soll sich so nicht feststellen lassen, ob Gegner oder Mitstreiter auf einer Oculus Quest oder am PC mit der Oculus Rift (S) spielen. Inwieweit dies tatsächlich gelingt, muss sich allerdings noch zeigen, denn zur Vorschau gab es noch keine Möglichkeit, das Crossplay zu testen.
Damit Crossbuy und Crossplay Sinn ergeben, versucht Oculus möglichst viele Entwickler von Software für Oculus Rift (S) dazu zu bewegen, ihre Software für Oculus Quest zu portieren, und verspricht, dass nahezu alle Spiele, die für Oculus Quest erscheinen, auch für Oculus Rift (S) veröffentlicht werden. Die Einschränkung beziehe sich laut Rubin in erster Linie auf Titel, die prinzipbedingt nur mit einem Standalone-Headset funktionieren.
Nicht ganz aktuelle Hardware soll lange aktuell bleiben
Auch was die Hardware der Oculus Quest angeht, drängen sich Vergleiche mit einer Konsole auf. Für die nötige Rechenleistung sorgt ein Qualcomm Snapdragon 835, der schon jetzt nicht mehr das Topmodell von Qualcomm darstellt. Neuere Modelle von Qualcomm selbst, aber insbesondere Konkurrenzprodukte von Apple oder Samsung und erst recht PC-Hardware bieten teilweise ein Vielfaches an CPU- und GPU-Leistung. Dies erinnert an die Hardware-Ausstattung der aktuellen Konsolengeneration. Selbst zum Release waren Xbox One und PlayStation 4 nicht am oberen Ende des Möglichen angesiedelt und trotzdem sind beide Konsolen auch heute, Jahre später, noch aktuell.
Ähnliches wird laut Oculus auch fürs Quest angestrebt. Wer jetzt ein Headset kauft, soll dies „für eine lange Zeit“ nicht bereuen, sagt Rubin und gibt als weitere Anhaltspunkte einen Zeitraum zwischen drei Jahren und der Dauer einer Konsolengeneration an.
Befeuern muss der Snapdragon 835 zwei OLEDs mit einer Auflösung von jeweils 1.440 x 1.600 Pixeln, was deutlich über der Auflösung der klassischen Oculus Rift und auch über der der Oculus Rift S liegt. Die Lageberechnung im Raum auf Basis der Sensoren stemmt ebenso das SoC.
Oculus Insight ist die technische Grundlage für 6DoF-Tracking
Autarke VR-Lösungen wie Samsungs Gear VR oder Oculus Go waren ihren an Desktop-PCs gebundenen Alternativen beim Tracking bisher deutlich unterlegen: Statt der präzisen Positionserkennung im Raum beherrschten die mobilen VR-Einsteiger-Produkte zumeist nur drei Freiheitsgrade (rollen, drehen, neigen), was ihr Anwendungsfeld deutlich einschränkte und die VR-Nutzung auf einen festen Ort während der Anwendung beschränkte.
Oculus Quest kann jetzt aber 6DoF-Tracking. Dabei werden die Bewegungen vor und zurück (1), rauf und runter (2), links und rechts (3) sowie der Roll-Nick-Gier-Winkel (4, 5, 6) der VR-Brille verfolgt. Dies geschieht mit Hilfe von vier Weitwinkelsensoren am Headset, die sowohl die Lage im Raum als auch die Position der Controller erkennen.
Das Tracking ist spektakulär unspektakulär
Im ersten Einsatz konnte ComputerBase Beat Saber auf der Oculus Quest testen. Das Spiel gehört zwar optisch nicht zu den anspruchsvollsten, die es für Oculus Quest geben wird, benötigt aber ein fehlerfreies Tracking und eine flüssige Darstellung, um höhere Schwierigkeitsgrade meistern zu können. Und beides gelingt auf dem Standalone-Headset so gut, dass im Hands-on sofort das Spiel selbst im Vordergrund stand. Dass das Tracking nicht mehr wie bei der Oculus Rift auf externe Sensoren angewiesen ist und trotzdem so gut funktioniert, ist technisch faszinierend, aber im tatsächlichen Gebrauch beinahe schon unspektakulär. Dies deckt sich auch mit Aussagen, die die Entwickler des Spiels gegenüber Computerbase getätigt haben. Sie geben an, keine Veränderungen an Beat Saber in Bezug auf das Tracking vorgenommen zu haben.
Dabei muss jedoch beachtet werden, dass bei Beat Saber nahezu alle Handbewegungen vor dem Headset stattfinden. Es muss zum Beispiel nicht hinter den eigenen Rücken gegriffen werden. Wie gut sich das Headset in solchen Situationen schlägt oder ob es die verschiedenen Entwickler schaffen, in den Oculus-Quest-Umsetzungen ihrer Spiele auf solche Bewegungsmuster weitestgehend zu verzichten, muss ein ausführlicher Test zeigen.
Soundqualität und Lichteinfall stören
Deutlich weniger als das neue Tracking kann die Audiowiedergabe überzeugen. Statt der ohraufliegenden Kopfhörer der Oculus Rift kommt ein Audiosystem ähnlich dem der Oculus Go zum Einsatz, bei dem die Lautsprecher im vorderen Bereich des Headsets sitzen und der Schall über die Bügel zu den Ohren geleitet wird. Gegenüber den eingebauten Kopfhörern der Oculus Rift hat die Lösung der Oculus Quest eindeutig das Nachsehen. Diese fällt bei einem Musikrhythmus-Spiel wie Beat Saber besonders negativ auf.
Dabei war die relativ laute Testumgebung sicher zusätzlich abträglich, aber letztendlich fehlte die Basswiedergabe nahezu komplett und eine Abschirmung gegenüber der Außenwelt fand nicht statt. Dies ist anscheinend auch Oculus bewusst, denn an den Demostationen lag jeweils ein Paar zusätzliche Kopfhörer bereit.
Apropos fehlende Abschirmung: Laut Oculus wurde die Gummilippe um die Nasenpartie verändert, was für mehr Luftdurchlass und, zusammen mit einem kleinen Lüfter im Gehäuse, für weniger beschlagene Linsen sorgen soll. Die Wirksamkeit dieser Maßnahme ließ sich in London noch nicht überprüfen. Wofür die Veränderung jedoch auf jeden Fall sorgt, ist mehr Lichteinfall in das Headset, der gerade bei dunkleren Szenen im Spiel negativ auffällt. Abgesehen davon ähnelt das Tragegefühl dem der Oculus Rift sehr und ist entsprechend positiv zu bewerten.
Die Bildqualität bleibt abzuwarten
Da in dem kurzen Hands-on nur Beat Saber getestet werden konnte und kein direkter Vergleich mit weiteren Headsets möglich war, kann noch kein abschließendes Urteil zur Bildqualität getroffen werden. Mit der Kombination aus besseren Linsen, die aus der Oculus Go übernommen wurden, und höherer Auflösung im Vergleich zur Oculus Rift sind die physikalischen Grundlagen für eine bessere Darstellungsqualität aber gegeben. Das Fragezeichen bleibt damit, inwieweit der hier genutzte Prozessor die mögliche Grafikpracht einschränkt.