Smart-Home-Überwachung: Kein konkretes Alexa-Gesetz im Überwachungspaket
Die Innenminister von Bund und Ländern haben sich bei der Innenministerkonferenz am Ende doch nicht für erweiterte Abhörbefugnisse ausgesprochen, um die Daten von Smart-Home-Geräten wie Alexa besser überwachen zu können. Dafür wurde erneut die Vorratsdatenspeicherung ins Gespräch gebracht.
Dass die deutschen Innenminister Smart-Home-Geräte wie Alexa ins Visier nehmen wollen, wurde im Vorfeld der Innenministerkonferenz bekannt. „Digitale Spuren“ hätten bei der Aufklärung von Verbrechen eine immer größere Bedeutung, auch Fernseher, Kühlschränke oder Sprachassistenten wie Alexa würden dabei wertvolle Daten liefern. Deshalb wolle man Regelungen schaffen, um verfassungsrechtliche Bedenken auszuräumen.
Keine neuen Gesetze – die alten reichen bereits aus
In der finalen Beschlussvorlage findet sich nun keine Forderung nach neuen Gesetzen, berichtet der Spiegel. Stattdessen heißt es in dem Papier, Strafverfolger sollten in der Lage sein, die digitalen Spuren „zu erkennen, zu sichern und auszuwerten“, die aufgrund der gültigen Rechtslage ohnehin schon erhoben und gespeichert werden dürfen. Ein Arbeitskreis soll bis zum Herbst einen entsprechenden Bericht vorlegen. Es gehe allerdings „nicht um die Schaffung neuer Eingriffsbefugnisse wie beispielsweise zum Auslesen von Daten aus sogenannten Smart-Home-Geräten“, zitiert der Spiegel aus der Beschlussvorlage, die dem Magazin vorliegt. Offiziell veröffentlicht wurde sie bislang noch nicht.
Keine neuen Überwachungsgesetze, nur die bestehenden Mittel ausloten – das ist also die Vorgabe. Und tatsächlich dürfen die Sicherheitsbehörden ohnehin schon die Daten von Alexa und Co. auswerten. So erklärt der auf Informationsrecht und Datenschutz spezialisierte Jurist Matthias Bäcker im Interview mit Zeit Online, komplexe Informationssysteme ließen sich bereits heute schon auslesen. „Dazu gehören übrigens nicht nur Geräte wie Amazon Echo oder Google Home, sondern auch Smartphones und Navigationsgeräte in Autos“, so Bäcker.
Verschiedene Vorgehensweisen sind dabei abhängig von der Schwere des Delikts. So könnten etwa bei einer Hausdurchsuchung die Echo-Geräte beschlagnahmt und Daten ausgelesen werden. Ebenso würde die Rechtsgrundlage für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung ermöglichen, den Datenverkehr zwischen Echo-Lautsprecher und Server abzufangen. Und im Rahmen einer akustischen Wohnraumüberwachung – für die besonders hohe Anforderungen gelten – könnten Behörden die intelligenten Lautsprecher mittels Trojaner hacken und als Wanze nutzen. So ein Eingriff wäre aber vergleichbar mit einer Online-Durchsuchung.
Vielzahl von Überwachungsmaßnahmen
Selbst wenn es bei der Smart-Home-Überwachung keine neuen Befugnisse geben sollte, bleibt es bei einer Vielzahl von Maßnahmen, die Sicherheitspolitiker zuletzt forderten. Ein Überblick:
- Verschlüsselte Messenger-Dienste wie WhatsApp und Threema sollen verpflichtet werden, Inhalte im Klartext an Behörden auszuliefern – und müssten damit die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aushebeln.
- Justizministern der Ländern geht die Verschlüsselung in der 5G-Architektur zu weit. Das Abhören von Gesprächen müsse auch künftig noch möglich sein.
- Geheimdienste wie der Verfassungsschutz sollen weitgehende Überwachungsbefugnisse beim Einsatz von Staatstrojanern erhalten.
- Das sogenannte „Darknetz-Gesetz“ zielt auf Anonymisierungsdienste wie das TOR-Netzwerk.
- Vor allem Vertreter der Unionsparteien fordern eine Klarnamenpflicht.
- Auch Hackbacks – also Gegenschläge bei Hacker-Angriffen – wurden erst vor kurzem wieder ins Gespräch gebracht.
- Die EU plant ein Datenaustauschgesetz mit den USA, das Behörden das Abrufen von Cloud-Daten aus Übersee ermöglicht. Details dazu werden aktuell im Rahmen des E-Evidenceverfahrens verhandelt.
Neu bei der Innenministerkonferenz hinzugekommen ist die wiederholte Forderung nach der Vorratsdatenspeicherung. Mehrere Ressortchefs sowie Bundeskriminalamt-Präsident Holger Münch sollen sich laut dem Bericht von Heise Online für eine „auf Kinderpornografie beschränkte“ Variante ausgesprochen haben. Details sind noch nicht bekannt. Unklar bleibt, ob die anlasslose Überwachung bei solchen Straftaten überhaupt zielführend ist und ob man damit das bestehende Gesetz „retten“ will.
Denn in Deutschland gibt es zwar aktuell die Vorratsdatenspeicherung, die Regel ist aber außer Kraft, bis das finale Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht. Angesichts der EU-Vorgaben wird allerdings damit gerechnet, dass die Richter das Gesetz kippen. Im Dezember 2016 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) der anlasslosen und verdachtsunabhängigen Datensammlung praktisch einen Riegel vorgeschoben.
Sicherheitspolitische Betriebsamkeit
Wie viele von den geplanten Maßnahmen kommen und in welcher Form das am Ende geschehen wird, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Vielfach stoßen die Vorhaben auf Widerstand. Mehr als 100 Experten und Organisationen protestieren etwa gegen den Angriff auf verschlüsselte Messenger-Dienste wie WhatsApp. Und selbst innerhalb der Bundesregierung gibt es Widerstände. Der Streit verläuft vor allem zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Justizministerium unter Katharina Barley (SPD), das etwa die Vorlage für das Verfassungsschutz-Gesetz komplett ablehnte und einen neuen Vorschlag forderte. Ebenso warnten Vertreter des Justizministeriums öffentlich vor dem Zugriff auf Smart-Home-Daten.
Dennoch scheint das Vorgehen Methode zu haben, berichtet Zeit Online mit Verweis auf Quellen aus den Behörden. So habe eine Person aus dem Justizministerium erklärt, das Innenministerium gehe mit „einem übervollen Korb an Wünschen in die Öffentlichkeit“, sodass am Ende zumindest ein Drittel der Vorhaben umgesetzt werde. Ein Beamter des Innenministeriums habe dieses „Wünsch-dir-was“-Spiel bestätigt, so Zeit Online.