SoC-Entwicklung: 2020 wird das Jahr der besseren 5G-Smartphones
tl;dr: Die zwei größten Mobilfunkanbieter Deutschlands bieten seit Kurzem 5G-Tarife an, die passenden Endgeräte gibt es in überschaubarer Anzahl ebenfalls. Wer unbedingt auf dem neuesten Stand sein will, kann schon jetzt mit 5G loslegen. Für die breite Masse lohnt sich jedoch das Warten bis 2020 und auf bessere 5G-Smartphones.
Seit diesem Monat bieten die Deutsche Telekom und Vodafone 5G-Tarife in Deutschland an. Die jeweiligen Netze sind noch überschaubar und beschränken sich auf wenige Standorte. Dennoch: Die passenden 5G-Smartphones werden ebenso angeboten, sodass Anwender, die den neuesten Stand der Technik verlangen, zugreifen und im 5G-Netz höhere Geschwindigkeiten von bis zu 1 Gbit/s im Downlink nutzen können.
5G-Smartphones mit Kompromissen
Als passende Endgeräte werden von der Telekom und Vodafone das Huawei Mate 20 X 5G und das Samsung Galaxy S10 5G angeboten. Beide Smartphones sind 5G-Ableger von Geräten, die auch ohne Unterstützung des neuen Mobilfunkstandards angeboten werden. Dem Mate 20 X 5G liegt das normale Mate 20 X zugrunde. Den Akku hat Huawei von 5.000 auf 4.200 mAh verkleinern müssen, um das 5G-Modem und weitere Antennen unterzubringen. Trotz 7,2 Zoll großem Display, riesigen Gehäuseabmessungen und über 230 Gramm Gewicht hätte die neue Technik ansonsten nicht in das Smartphone gepasst.
Bei Samsung müssen ebenfalls Kompromisse eingegangen werden. Das Galaxy S10 5G ist eine noch größere Variante des Galaxy S10+ (Test), dessen Display von 6,4 auf 6,7 Zoll wächst. Immerhin vergrößert sich bei Samsung auch die Akkukapazität auf 4.500 mAh, die beim Galaxy S10+ nur 4.100 mAh beträgt. Im Gegenzug gibt es aber nur noch eine Speichervariante mit 256 GB, nicht mehr auch Varianten mit 512 GB oder 1 TB, und keine Erweiterung per microSD-Karte und sowie kein Dual-SIM mehr.
Smartphones, die 2019 mit 5G-Unterstützung auf den Markt gekommen sind und im weiteren Verlauf des Jahres auf den Markt kommen werden, sind Kompromisslösungen, die hinsichtlich der effizienten Nutzung des verfügbaren Gehäusevolumens ein Rückschritt gegenüber ausgereiften LTE-Smartphones darstellen.
Zwei Chips und brachliegende Transistoren
Das liegt in erster Linie daran, dass bisher kein einziger der großen Chip-Anbieter eine vollintegrierte Lösung für ein 5G-SoC im Portfolio hat. Das bedeutet, dass die 5G-Konnektivität derzeit noch über einen zusätzlichen und nicht gerade kleinen Chip gelöst wird: das 5G-Modem. Bei Huawei kommt im Mate 20 X 5G zum Beispiel das Balong 5000 zum Einsatz, das an den Kirin 980 von HiSilicon gekoppelt wird. Samsung geht den gleichen Weg und kombiniert das Exynos-5100-Modem mit dem Exynos-9820-SoC. Bei Qualcomm arbeitet der Snapdragon 855 mit dem Snapdragon X50 zusammen.
Nicht nur muss in den Smartphones von Huawei und Samsung für 5G ein zusätzlicher Chip verbaut werden, der zusätzliche Fläche einnimmt und Energie benötigt, in den angebundenen SoCs sind zudem Millionen von Transistoren zum Nichtstun verdammt. HiSilicon und Samsung bieten mit dem Balong 5000 respektive Exynos 5100 sogenannte Multi-Mode-Modems an, die vom neuen 5G-Standard bis runter zu 2G alle aktuellen Mobilfunkstandards unterstützen. In diesem Punkt unterscheiden sich beide Anbieter vom Konkurrenten Qualcomm, der mit dem Snapdragon X50 früh ein reines 5G-Modem am Start hatte, das die alten Mobilfunkstandards lediglich ergänzt.
Dadurch, dass bei HiSilicon und Samsung das Modem alle Mobilfunkstandards abdeckt, kann das ins SoC integrierte und in den regulären Varianten der Smartphones für LTE, 3G und 2G verantwortliche Modem deaktiviert werden. Das kommt dem Energieverbrauch zugute, bedeutet aber dennoch, dass ungenutzte Chipfläche im Smartphone verbaut werden muss. Bei Qualcomm wird 5G anders gelöst. Hier ergänzt das 5G-Modem das ins SoC integrierte Modem der älteren Mobilfunkstandards. So liegt zwar keine Chipfläche brach, es müssen aber stets zwei Modems aktiv sein.
Qualcomm entwickelt echtes 5G-SoC
Im kommenden Jahr wird aller Voraussicht nach Schluss mit diesen Zwischenlösungen sein. Die erste offizielle Ankündigung diesbezüglich hat Qualcomm zum MWC im Februar gemacht. Das Unternehmen entwickelt ein 5G-fähiges System-on-a-Chip, das erstmals den Application Processor mit einem Multi-Mode-Modem zu einer vollintegrierten Lösung kombiniert. Damit wäre Qualcomm wieder beim bisher gültigen Status quo, der eine Ein-Chip-Lösung für Smartphones ermöglicht. Mit dem Snapdragon X55 hat Qualcomm das erste zu dieser Lösung passende Multi-Mode-Modem ebenfalls zum MWC als Nachfolger des nur 5G-fähigen Snapdragon X50 vorgestellt. Für das erste echte 5G-SoC wird der Hersteller das Modem jedoch noch mal überarbeiten und in dann insgesamt dritter 5G-Modem-Generation in das SoC integrieren, wie Mitarbeiter zum MWC erklärten.
Das Sampling dieser kombinierten Lösung hat bereits im Verlauf des zweiten Quartals dieses Jahres begonnen, entsprechend ausgestattete Endgeräte sollen laut Qualcomm 2020 auf den Markt kommen. ComputerBase geht davon aus, dass Qualcomm zum Snapdragon Summit Anfang Dezember das erste echte 5G-SoC der Öffentlichkeit präsentieren wird. Bisher trägt der neue Chip den temporären Namen „Qualcomm Snapdragon Mobile Platform with 5G integrated into a System-on-Chip (SoC)“. Zum Snapdragon Summit könnte das SoC jedoch als Snapdragon 865 vorgestellt werden.
Apple wartet mit 5G bis zum iPhone 12
Das Snapdragon X55 wird aber nicht nur in Qualcomms kommendem 5G-SoC eine wichtige Rolle spielen. Abseits von Android-Geräten wird Apple im kommenden Jahr erstmals 5G im iPhone anbieten. Dass das Unternehmen noch bis Herbst 2020 wartet, hat mehrere Gründe, liegt aber auch daran, dass man wahrscheinlich auf die aktuellen Zwischenlösungen bewusst verzichten wollte. Bei Apple ist der Aufbau im Inneren des Smartphones allerdings ein völlig anderer als bei den Anbietern von Android-Smartphones, sodass andere Grundbedingungen für ein 5G-Smartphone vorliegen.
Apple verbaut mit den eigenen A-SoCs reine Application Processors, die seit jeher auf ein integriertes Modem verzichten, das stattdessen getrennt vom Prozessor auf der Hauptplatine untergebracht wird. Ein reines 5G-Modem wäre für das Unternehmen deshalb ohnehin nicht infrage gekommen, denn dann hätten neben dem SoC zwei Modems verbaut werden müssen – eines für LTE, 3G und 2G sowie eines nur für 5G. Mit dem Snapdragon X55 hat Qualcomm nun jedoch das passende Multi-Mode-Modem für Apple im Sortiment. Das Sampling hat bereits im Februar begonnen, erste Endgeräte mit Snapdragon X55, darunter auch Notebooks, sollen bis zum Ende des Jahres auf den Markt kommen. Dass Apple bei 5G in jedem Fall auf Qualcomm setzen wird, steht seit April und einer Übereinkunft im Streit um Lizenzgebühren fest. Das Abkommen gilt für die nächsten sechs Jahre mit einer Option auf Verlängerung um weitere zwei Jahre. Intel hat nur einen Tag nach dem Deal das 5G-Modem-Geschäft für Smartphones eingestellt.
HiSilicon, MediaTek und Samsung ziehen mit
Auch bei HiSilicon und Samsung wird die Entwicklung zum nächsten Jahr in die Richtung eines vollintegrierten SoCs gehen. Zwar gibt es anders als bei Qualcomm noch keine offiziellen Äußerungen diesbezüglich, es ist aber zwangsläufig der nächste logische Schritt in der Entwicklung neuer SoCs für bessere 5G-Smartphones und nur noch eine Frage der Zeit.
Einen Schritt weiter ist diesbezüglich MediaTek. Zur Computex hat der taiwanische Chip-Anbieter ein in 7 nm gefertigtes 5G-SoC mit integriertem Helio M70 angekündigt. Das Helio M70 ist MediaTeks 5G-Modem für den Non-Standalone- und Standalone-Betrieb im 5G-Netz. Das Modem unterstützt Frequenzen im Sub-6-GHz-Bereich, allerdings nicht das aktuell vielerorts in den USA genutzte mmWave-Spektrum. Der noch namenlose Chip soll mit ARMs neuer Cortex-A77-CPU und Mali-G77-GPU auf den Markt kommen. MediaTek geht davon aus, dass mit dem Sampling im Verlauf des dritten Quartals 2019 begonnen werden kann. Erste Geräte sollen im ersten Quartal 2020 auf den Markt kommen.
2020 werden 5G-Smartphones besser
Aufgrund eines zukünftig geringeren Chip-Bedarfs im Smartphone, aber auch durch Fortschritte bei den für 5G benötigten Antennenmodulen, die wegen ihrer Größe und der vor allem bei mmWave vorausgesetzten Anzahl ebenfalls für Enge im Smartphone sorgen, ist bei Mobilgeräten des kommenden Jahrgangs mit deutlich weniger oder gar keinen Kompromissen mehr hinsichtlich Bauweise und Ausstattung zu rechnen. Smartphones im 7-Zoll-Bereich mit weit über 200 Gramm Gewicht mögen manchen Anwendern zwar gefallen, sollten sich mit der Verbreitung von 5G aber nicht zum Standard entwickeln. Weniger und kleinere Komponenten werden den Energieverbrauch und die Wärmeentwicklung wieder auf das gewohnte Niveau aktueller Geräte bringen.
Zuletzt haben Tests von PCMag in den USA gezeigt, dass 5G-Smartphones mit Snapdragon X50 in heißen Gebieten bei der Nutzung von mmWave zu warm werden können und dann zum langsameren LTE wechseln, weil sich der 5G-Chip abschaltet. Solche Kompromisse sind Gift für den Erfolg von 5G und müssen mit der zweiten Smartphone-Generation für den neuen Mobilfunkstandard in den Griff bekommen werden. Die aktuelle SoC-Entwicklung wird einen großen Beitrag dazu leisten.
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