Bose Headphones 700 im Test: Geräuschunterdrückung für Träger und Gesprächsteilnehmer
2/2Als Bose die NCH 700 erstmals Mitte Juli der deutschen Presse in Hamburg gezeigt hatte, lag der Fokus der Produktvorstellung auf dem Telefonieren und nicht auf der Musik. Erstmals soll sich die Geräuschunterdrückung nicht nur positiv auf das Klangerlebnis des Trägers der Kopfhörer auswirken, sondern auch die eigene Stimme während eines über den Kopfhörer abgewickelten Telefonats frei von Störgeräuschen halten und klar verständlich für die andere Seite sein. Die NCH 700 bieten für das „Noise Cancelling“ insgesamt acht Mikrofone, zwei davon sind jedoch exklusiv und zwei weitere in Doppelfunktion für die neue Geräuschunterdrückung des Gesprächsteilnehmers zuständig.
Wird über die NCH 700 und ein per Bluetooth angebundenes Smartphone ein Telefonat abgewickelt, filtern die Kopfhörer in der Tat gut das Rauschen im Hintergrund. ComputerBase hat dies in der Redaktion am geöffneten Fenster unweit entfernt von einer viel befahrenen Straße getestet. Das Telefonieren über die Kopfhörer ist aber nicht frei von Problemen. Das „Noise Cancelling“ setzt mit minimaler Verzögerung zum Sprechen des Trägers ein und wieder aus und ist am effektivsten, wenn nicht gesprochen wird. Es machte im Test den Eindruck, als benötigen die NCH 700 einen kurzen Moment, um Sprache als Geräusch zu identifizieren, das im Gegensatz zu den störenden Geräuschen im Hintergrund durchgelassen werden soll. Wenn nicht gesprochen wird, herrscht für den Gesprächsteilnehmer hingegen Totenstille, da vom NCH 700 alles bestens geblockt wird, was beim Telefonieren über die Mikrofone des Smartphones noch leicht durchkommt.
Anrufer hört sich etwas weiter weg an
Die Qualität der eigenen Stimme verbessern die NCH 700 hingegen nicht. Eher noch hört es sich für den Gesprächsteilnehmer so an, als stünde der Anrufer etwas weiter weg vom Mikrofon, was angesichts der Position der Mikrofone am Kopfhörer kein falscher Eindruck ist. Beim Kopfhörer sitzen die Mikrofone schließlich außen in den Kopfhörermuscheln, während eines der Mikrofone des Smartphones beim Telefonieren direkt in Nähe des Mundes gehalten wird. Insofern geht Boses Werbeversprechen nur zum Teil auf. Die Geräuschunterdrückung für Gesprächsteilnehmer funktioniert, wenn auch mit kleiner Verzögerung. Die Qualität der eigenen Stimme fällt subjektiv betrachtet über das Smartphone etwas besser aus. Die Testanrufe wurden dabei stets von einem iPhone Xs Max zu einem iPhone Xs im Netz der Deutschen Telekom durchgeführt.
Bose sorgt für Ruhe in Flieger, Bahn oder Bus
Das „Noise Cancelling“ für sich alleine betrachtet ist Bose erneut auf sehr hohem Niveau gelungen. Das Unternehmen selbst behauptet, im Vergleich zum QuietComfort 35 II „noch eine Schippe“ draufgelegt zu haben. Mangels Testgerät musste ein älterer QuietComfort 25 für den Vergleich herhalten, wobei sich QC 25 und QC 35 II bezüglich der Geräuschunterdrückung kaum unterscheiden. Der Direktvergleich macht zunächst mal deutlich, dass Bose schon bei früheren Kopfhörergenerationen sehr gutes „Noise Cancelling“ angeboten hat. Die NCH 700 schirmen jedoch noch etwas besser ab, was bereits durch die Kopfhörermuscheln begünstigt wird, die subjektiv betrachtet schon im passiven Betrieb besser abschirmen. Die aktive Geräuschunterdrückung wiederum arbeitet ausgezeichnet, sobald monotone Störgeräusche vorliegen, wie etwa die eines Flugzeugtriebwerkes oder Fahrgeräusche in Bahn und Bus. Als Reisekopfhörer sind nach den QuietComfort-Modellen somit auch die NCH 700 wieder bestens respektive noch etwas besser geeignet.
Musik klingt typisch Bose
Wie die NCH 700 beim Abspielen von Musik klingen, lässt sich am besten mit „Bose“ beantworten. Übersetzt bedeutet das: Gut, aber nicht überragend. Bose-typisch gibt sich das Klangbild unauffällig und mittenbetont. Besonders ausgeprägte Höhen oder einen satten Bass sucht man bei den NCH 700 vergeblich und ist hier bei anderen Herstellern besser aufgehoben. Da wundert es im Nachhinein nicht, dass das Musikhören während der ersten Produktvorführung der NCH 700 nur eine kleine Rolle ganz zum Ende einnahm. Bose selbst spricht auf der Website zwar von einer „Klangqualität wie nie zuvor“, tatsächlich kann aber im Vergleich zu den QC 25 nur von einer kleinen Verbesserung die Rede sein, in deren subjektive Bewertung jedoch schon die bessere Abschirmung der Kopfhörermuscheln mit einfließt. Keine Frage, die NCH 700 klingen bei Musik sowie Filmen und Serien gut, doch sind es eben keine geschlossenen High-End-Kopfhörer.
Akkulaufzeit von 20 Stunden
Auf langen Reisen können die NCH 700 selbst beim Fliegen mit einer Umsteigeverbindung ohne Ladevorgang verwendet werden. Bose gibt die Laufzeit mit im Test nachvollziehbaren 20 Stunden an. Das ist gut, aber keine Verbesserung gegenüber den QC 35 II und schlechter als das, was Sony mit 30 Stunden und Beyerdynamic mit 24,5 Stunden bieten. Das Aufladen findet neuerdings via USB Typ C statt, ein entsprechendes Kabel auf USB Typ A mit einer Länge von kurzen 50 cm findet sich im Etui in einem magnetisch verschlossenen Fach, wo zudem das Kabel von 2,5-mm- auf 3,5-mm-Klinke mit 110 cm zu finden ist. Die NCH 700 lassen sich so mit leerem Akku oder an Geräten ohne Bluetooth betreiben, das „Noise Cancelling“ und der integrierte Equalizer funktionieren aber nur mit geladenem Akku. Ein Flugzeug-Adapter auf die manchmal noch verwendete Doppelklinke liegt den neuen Bose-Kopfhörern nicht mehr bei.
Bluetooth-Codecs ohne Sony und Qualcomm
Für kabellose Verbindungen setzt Bose auf Bluetooth 5.0, vertraut mit SBC für Android und AAC für iOS jedoch nur auf die zwei geläufigsten Bluetooth-Codecs. Wer neuere Standards wie aptX HD von Qualcomm oder Sonys LDAC abgedeckt haben möchte, wird derzeit nur bei Sonys WH-1000XM3 fündig. Die Beyerdynamic Lagoon ANC beherrschen immerhin noch aptX HD. Warum Bose gerade bei einem vollständig neuen Bluetooth-Kopfhörer auf die alternativen Standards verzichtet, konnte der Hersteller nicht vollumfänglich beantworten. Zu aptX heißt es lediglich, der Standard hätte einen höheren Energiebedarf und würde gegenüber SBC keinen klanglichen Vorteil bieten. Zu aptX HD und LDAC liegen ComputerBase jedoch keine Begründungen vor.
Fazit: Der beste Reisekopfhörer, aber nicht konkurrenzlos
Solche kleinen, aber für manche Anwender nicht unwichtigen Details sind es zum Schluss, die den Bose Noise Cancelling Headphones 700 den Titel der eierlegenden ANC-Wollmichsau verwehren. Diese kleineren Schwachpunkte sollen aber nicht die zwei großen Stärken der NCH 700 schmälern: Tragekomfort und Geräuschunterdrückung. Alleine damit katapultieren sich die neuen Bose-Produkte auf den Spitzenplatz der besten Reisekopfhörer. Und das, obwohl andere Hersteller längere Laufzeiten bieten, die in der Praxis mit 20 Stunden bei Bose aber völlig ausreichend sind. Die NCH 700 sitzen nach Stunden des Tragens noch äußerst angenehm auf Kopf und Ohren und schirmen den Träger bestens von der Außenwelt ab.
Davon abgesehen schließt Bose in Punkten wie der neuen Touch-Bedienung oder des USB-Typ-C-Anschlusses zur Konkurrenz auf, mehr aber nicht. Die eigenen Umsetzungen sind weder besser noch schlechter als bei der Konkurrenz, wobei es in beiden Punkten kaum Spielraum für Veränderungen nach oben oder unten gibt. Microsoft zeigt mit den Surface Headphones, dass auch andere Bedienkonzepte möglich sind. Boses USB-Typ-C-Kabel hätte aber gerne länger ausfallen können, damit sich die NCH 700 während des Ladevorgangs mit ANC und EQ nutzen lassen.
Dass Bose die NCH 700 vor allem zum Telefonieren ausgelegt hat, geht indes nur zum Teil auf. Die sehr gute Geräuschunterdrückung funktioniert zwar auch dort, wenngleich mit einer leichten Verzögerung, die eigene Stimme wirkt aber weiter weg vom Mikrofon als bei der Nutzung des Smartphones, sodass der Gesprächsteilnehmer je nach Empfinden einen schlechteren Eindruck vom Telefonat als ohne die Kopfhörer gewinnt. Zumindest das Rauschen im Hintergrund reduzieren die NCH 700 gut.
Wer den allumfassend besten Noise-Cancelling-Kopfhörer sucht, ist bei den NCH 700 nicht zwangsweise am besten aufgehoben, denn Kritikpunkte gibt es durchaus. Das Prädikat des derzeit besten Reisekopfhörers darf sich Bose aber auf die Fahne schreiben. Der Markt für Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung bleibt unterdessen heiß umkämpft.
Bose verlangt 400 Euro für das neue Modell. Die QuietComfort 35 II gibt es ab 255 Euro.
ComputerBase wurde der Kopfhörer leihweise von Bose zum Testen zur Verfügung gestellt. Eine Einflussnahme des Herstellers auf den Testbericht fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand nicht. Es gab kein NDA.
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