Recht auf Vergessen: Google muss Links nicht weltweit löschen

Andreas Frischholz
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Recht auf Vergessen: Google muss Links nicht weltweit löschen
Bild: Robert Scoble | CC BY 2.0

Suchmaschinenbetreiber wie Google müssen aufgrund des Rechts auf Vergessen zwar Links aus den Suchergebnissen entfernen, wenn diese die Persönlichkeitsrechte einer Person verletzen. Doch das Recht gilt nur für den EU-Raum, sagt der Europäische Gerichtshof (EuGH). Weltweit muss Google also nicht löschen – vorerst.

Dem Urteil vorausgegangen war eine Klage von der französischen Datenschutzbehörde CNIL. Die hatte im Jahr 2015 ein Bußgeld in Höhe von 100.000 Euro verhängt, weil Google zwar Links aus den Suchergebnissen entfernte, die bereinigten Ergebnisseiten aber nur auf den EU-Raum beschränkte. Die Ausgabe der Suchergebnisse erfolgt dabei anhand der IP-Adresse des jeweils Suchenden. Wer also einen Proxy-Server oder VPN-Dienste nutzt, kann die Sperre umgehen.

Die französischen Datenschützer wollten daher, dass Google die beanstandeten Links weltweit aus den Suchergebnissen entfernt. Dem widersprachen nun die EU-Richter in dem Urteil (Az. C-507/17). Ein Suchmaschinenbetreiber ist zumindest laut EU-Recht nicht verpflichtet, Links global zu blocken. Die Vorgaben bleiben auf das EU-Territorium beschränkt. Berücksichtigt wird, dass Staaten außerhalb der EU anders mit der Balance zwischen Schutz der Persönlichkeitsrechte und Meinungsfreiheit umgehen.

Verschärfte Vorgaben mit Hintertür

Mit dem Urteil entschieden die EuGH-Richter aber auch, dass die Recht-auf-Vergessen-Vorgaben europaweit gelten. Wenn Google also Links aus den Ergebnislisten entfernt, dürften diese innerhalb der EU nicht mehr abrufbar sein – eine Beschränkung auf einzelne Länder ist damit untersagt. Außerdem müssen Suchmaschinenbetreiber „hinreichend wirksame Maßnahmen“ ergreifen, damit die Sperrliste auch europaweit greift.

Im Verlauf der Jahre hatte Google die Recht-auf-Vergessen-Sperren bereits verschärft. Zunächst wurden die Suchergebnissen in den einzelnen Landes-Versionen bereinigt. Betroffen waren also nur etwa Google.fr oder Google.de – nicht aber das globale Google.com. Kritiker bemängelten aber, auf diese Weise lasse sich das Gesetz viel zu leicht umgehen. Geoblocking-Lösungen wie die IP-Zuordnung erfolgte dann ab 2016, waren aber länderspezifisch ausgestaltet. Ob solche Maßnahmen nun ausreichen, müssen jetzt nationale Gerichte klären.

Außerdem lässt der EuGH den Mitgliedsstaaten noch eine Hintertür offen. So heißt es in der Mitteilung des EuGH: „Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass nach derzeitigem Stand das Unionsrecht zwar keine Auslistung in allen Versionen der Suchmaschine vorschreibt, doch verbietet es dies auch nicht.“ Das EU-Recht kennt also keine globale Löschpflicht, hindert die EU-Staaten aber auch nicht, selbst solche Reglungen zu schaffen. Hier wird es also interessant, wie nationale Datenschutzbehörden diese Klausel auslegen.

Bereits rund 850.000 Recht-auf-Vergessen-Anfragen

Seit 2014 hat Google insgesamt knapp 850.000 Recht-auf-Vergessen-Anfragen erhalten, die mehr als 3,3 Millionen URLs betrafen. 45 Prozent dieser URLs wurden aus den Suchergebnissen entfernt, bei 55 Prozent verweigerte der Suchmaschinenbetreiber die Löschanfrage.

Das Recht auf Vergessen stammt aus einem EuGH-Urteil aus dem Jahr 2014. Demnach können Betroffene die URLs aus den Suchergebnissen löschen lassen, die auf Informationen verweisen, die nicht mehr relevant sind. Entscheidendes Kriterium ist dabei, dass an den entsprechenden Informationen kein öffentliches Interesse mehr besteht. Dass die Suchmaschinenbetreiber die Löschanfragen im Einzelfall prüfen müssen, bestätigte der EuGH nun nochmal in einem weiteren Urteil.

Die Reichweite des Rechts war dabei von Anfang ein Streitpunkt. Insbesondere die französische Datenschutzbehörde setzte sich dafür ein, damit sich die Vorgaben nicht einfach aushebeln lassen. Kritiker hatten aber stets moniert, eine weltweite Löschpflicht würde zum Vorbild für weitere Staaten werden. Infolge dessen könnte ein Wettlauf einsetzen, bei dem am Ende der Staat mit den geringsten Freiheitsrechten entscheidet, welche Inhalte global verfügbar sind.