Hongkong-Proteste: Spieler und Angestellte distanzieren sich von Blizzard

Update Fabian Vecellio del Monego
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Hongkong-Proteste: Spieler und Angestellte distanzieren sich von Blizzard
Bild: Yuumei

Vor einigen Tagen reagierte Blizzard harsch auf die in einem Hearthstone-Turnier-Livestream geäußerte Solidarität eines E-Sportlers mit Demonstranten in Hongkong. Seitdem sieht sich der Publisher wachsender Kritik ausgesetzt. Diese geht zunehmend nicht nur von Spielern, sondern auch von weiteren Profis und Mitarbeitern aus.

Kontroverse um Politik im Turnier-Livestream

Am vergangenen Wochenende übertrug Blizzard ein Grandmaster-Turnier des Kartenspiels Hearthstone per Livestream. In einem auf das eigentliche Spiel folgenden Interview nutzte der aus Hongkong stammende Teilnehmer Blitzchung die gegebene Reichweite für eine politische Stellungnahme: Im Stream rief er in Anlehnung an die Massenproteste in der chinesischen Sonderverwaltungszone mit Maske und Atemschutz maskiert zur Solidarität mit den Demonstranten auf.

Blizzard ahndete den Zwischenfall drakonisch: Blitzchung wurde aus der Riege der Grandmasters suspendiert, erhält kein Preisgeld für die derzeit laufende Saison und ist generell für die nächsten zwölf Monate von sämtlichen Hearthstone-E-Sport-Veranstaltungen ausgeschlossen. Die beiden den Stream moderierenden Kommentatoren, die Blizzschungs Kundgebung überhaupt erst zuließen, wurden fristlos entlassen. Den Livestream unterbrach Blizzard indes abrupt mit einer Werbepause und löschte die Aufzeichnung anschließend.

Spieler zeigen sich empört und üben scharfe Kritik

Der Publisher beruft sich dabei auf die offiziellen Regeln der Grandmaster-Liga: Jegliches Verhalten, das „einen Teil oder eine Gruppe der Öffentlichkeit beleidigt“ oder aber „das Ansehen von Blizzard beschädigt“, führt zum Ausschluss des verantwortlichen Spielers. Das Vorgehen zog jedoch nicht zuletzt angesichts des gesteigerten Strafmaßes die überwältigende Kritik der Spielerschaft nach sich. Die Vorwürfe reichen dabei von bloßer Zensur bis hin zur Unterstützung eines autoritären Regimes: Es sei klar, dass sich der Entwickler China beuge, da der Markt schlichtweg finanzielle Priorität besäße. Aufgeführt wird auch, dass das chinesische Internet­unternehmen Tencent rund 5 Prozent der Anteile Activison Blizzards hält.

Es ist in der Tat Gang und Gäbe, dass die chinesische Regierung sämtliche Kritik an ihr oder ihrem Vorgehen konsequent zensiert, so wurde selbst Winnie Puuh aus dem Staat gebannt, nachdem ihm zu Beginn des Jahres eine optische Ähnlichkeit zu Regierungsoberhaupt Xi Jinping nachgesagt wurde. Gleiches versuchen Spieler nun Blizzard zu bescheren: In Reaktion auf die in ihren Augen klare Positionierung Blizzards an Seite der chinesischen Regierung wird versucht, die Overwatch-Heldin Mei mit Solidarität zu Hongkong zu assoziieren. Der chinesische Charakter ist im Zuge dessen Bestandteil zahlreicher Memes und Flugblätter geworden, die für ein freies Hongkong werben. Das Ziel der Bemühung ist es, China zum lokalen Bann Overwatchs zu bewegen, was Blizzard finanziell schwer träfe.

Blizzard-Mitarbeiter streiken aus Protest

Doch Kritik geht auch von weiteren Hearthstone-Profis aus, die sich in Solidarität mit Blitzchung aus der Grandmaster-Liga zurückziehen. Und auch aus den eigenen Reihen wird zunehmend Kritik laut: Am vergangenen Dienstag legten zahlreiche Angestellte Blizzards die Arbeit nieder und demonstrierten mit Regenschirmen – die zum Symbol der Demonstranten in Hongkong wurden – vor dem kalifornischen Firmenhauptsitz. Vor jenem befindet sich auch die Statur eines Orc-Kriegers, um den im Kreis herum acht Grundwerte Blizzards in Metalltafeln eingraviert sind. Die beiden Inschriften „Think Globally“ und „Every Voice Matters“ sind jedoch derzeit verdeckt.

Die Debatte um Blizzards harsche Maßnahmen erreichte auch die amerikanische Politik: Mehrere US-Senatoren kritisierten den Publisher. Spieler versuchen sich derweil in Scharen im Löschen des eigenen Blizzard-Accounts oder Kündigen bezahlter Abonnements und teilen Screenshots der finalen Bestätigungsansicht im Internet. Das Löschen eines Kontos erfordert jedoch teils mehrere Verifizierungsschritte, sodass der Ansturm die Server überlastete. Kunden werfen Blizzard indessen vor, das System absichtlich lahmgelegt zu haben. Europäische Nutzer überhäufen den Publisher daher mit Aufforderungen, alle ihrer Person zugehörigen Daten gemäß der Datenschutz-Grundverordnung zu löschen – entsprechende Tickets haben derzeit eine Bearbeitungszeit von 30 Tagen.

Eine offizielle Stellungnahme steht aus

Blizzards Verantwortliche versuchen das Debakel bislang auszuschweigen; eine Stellungnahme bleibt der Publisher seit der ursprünglichen Proklamation der Konsequenzen für Blitzchung schuldig. Spieler blicken währenddessen mit Spannung auf die Anfang November stattfindende Messe BlizzCon, in deren Rahmen klassischerweise auch Fragerunden stattfinden. Bereits letztes Jahr sorgte das im Zuge der Ankündigung Diablo Immortals, eines Mobile-Games, für Spott und Hohn seitens der Besucher, den Blizzard in Live-Übertragungen nur teilweise kaschieren konnte.

Update

In Reaktion auf den wachsenden Unmut in der Spielergemeinschaft gibt J. Allen Brack (Vorsitzender von Blizzard Entertainment) eine Antwort, in der er die konsequente Handlung des Publishers verteidigt. Demnach ermutigt er jeden ganz nach dem Motto „Every Voice Matters“ die eigenen Standpunkte auf jeder verfügbaren Plattform zu äußern. Demgegenüber sollen sich offizielle Turnierübertragungen aber voll und ganz auf das Turnier und das Spiel konzentrieren. So sieht er auch die Rolle der Moderatoren, die die „Begeisterung von dem Spiel verstärken“ sollen. Er bekräftigt zudem, dass der Inhalt der Äußerung von Blitzchung keine Rolle für die ergriffenen Konsequenzen gespielt hat und die eigenen Beziehungen in China keinen Einfluss auf die Entscheidung genommen haben.

Verringertes Strafmaß als Eingeständnis

J. Allen Brack reflektiert das Handeln des Publishers allerdings auch kritisch. Im Nachhinein gibt er zu, dass zu schnell Maßnahmen ergriffen wurden und das Verfahren nicht „adäquat“ durchgeführt wurde. Mit diesem Eingeständnis hält er es für richtig die Strafe zu mildern und das Preisgeld an Blitzchung auszuzahlen. Des Weiteren wird sein Ausschluss auf sechs Monate verkürzt. Für die Kommentatoren wird ebenso ein verkürzter Ausschluss von nun mehr sechs Monaten geahndet.

Die Redaktion dankt ComputerBase-Leser Etienne für den Hinweis zu dem Update dieser Meldung.