Hasskommentare: Justizminister wollen Melde­pflicht für soziale Netzwerke

Update Andreas Frischholz
297 Kommentare
Hasskommentare: Justizminister wollen Melde­pflicht für soziale Netzwerke
Bild: Carsten | CC BY 2.0

Nach der Innenministerkonferenz wollen nun auch die Justizminister der Länder die Regeln für soziale Netzwerke verschärfen. Um Hasskommentare wirksamer bekämpfen zu können, sprechen sie sich in einer Beschlussvorlage für eine Auskunftspflicht sowie eine Meldepflicht der Dienste aus.

Das berichtet der Spiegel in der aktuellen Ausgabe. Demnach heißt es in der Beschlussvorlage, die vom bayerischen Justizministerium stammt, dass Betreiber von sozialen Netzwerken „ohne Wenn und Aber“ auf Auskunftsersuche von Strafverfolgungsbehörden antworten müssten. Das gelte auch dann, wenn Firmen wie etwa Facebook nicht in Deutschland ansässig sind. Bis dato sei das ein Problem. Die Antworten würden nicht zügig erfolgen und seien auch nicht „erschöpfend“.

Ein weiterer Punkt in der Beschlussvorlage ist zudem die Meldepflicht, die seit geraumer Zeit diskutiert wird. Demnach sollen soziale Netzwerke verpflichtet werden, Hasskommentare an die Justiz zu melden und zudem noch die IP-Adressen von Tätern zu übermitteln. Das soll es den Sicherheitsbehörden erleichtern, die Identität der Täter zu ermitteln. Strafrechtlich relevante Hasskommentare sollen also nicht gelöscht, sondern Strafverfolgungsbehörden mitgeteilt werden, erklärte der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) laut dem Spiegel in einem Brief an Facebooks Deutschlandchef.

Auf einer Linie mit der Justizministerin und den Innenministern

Die Beschlussvorgabe entspricht dem Kurs, den aktuell auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht verfolgt. Im Interview mit der Passauer Neuen Presse erklärte sie letzte Woche: „In Zukunft werden sie verpflichtet sein, den Ermittlungsbehörden Morddrohungen und Volksverhetzung zu melden und die IP-Adressen mitzuteilen. Die Meinungsfreiheit endet da, wo das Strafrecht beginnt.

Die Daten sollen an eine Zentralstelle beim Bundeskriminalamt gehen, die eigens für den Kampf gegen Hasskriminalität eingerichtet werden soll. Außerdem will auch die Justizministerin das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verschärfen.

Dafür ausgesprochen hat sich zuletzt ebenfalls die Innenministerkonferenz, die ein umfassendes Überwachungspaket schnürte. Ein Bestandteil: Künftig sollen auch Plattformen wie Twitch überwacht werden. Außerdem ist eine Art erweiterte Vorratsdatenspeicherung vorgesehen. Vor allem der Bezug auf die Gamer-Szene – für die etwa Innenminister Horst Seehofer (CSU) verantwortlich war – sorgte für reichlich Kritik. Der Vorwurf: Statt sich um Rechtsextremismus als eigentliches Problem zu kümmern, eröffnen Regierungsvertreter einen Nebenschauplatz.

Reaktion auf Anschläge in Halle und Kassel

Auslöser für die aktuelle Debatte sind der Anschlag auf die jüdische Gemeinde in Halle sowie der Mord vom Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke vor einigen Monaten. Vor allem Rechte würden sich in den einschlägigen Internet-Foren zunehmend radikalisieren. Mit verschärften Vorgaben für die sozialen Netzwerke will man Hasskommentare nun eindämmen.

Update

Bürgerrechtler bewerten das Maßnahmen-Paket indes kritisch. Rechter Hetze und Hasskriminalität müsse man entschieden entgegentreten, erklärt Elisabeth Niekrenz, politische Referentin von der digitalen Bürgerrechtsorganisation Digitale Gesellschaft, auf Anfrage von ComputerBase. Übereilte Entscheidungen sollten allerdings nicht getroffen werden, nötig sei vielmehr eine „evidenzbasierte Sicherheitspolitik“.

NetzDG hat sich nicht bewährt

Das gelte etwa für das NetzDG, das bis dato nicht dazu beitragen könne, strafbare Äußerungen in sozialen Netzwerken einzudämmen. Grundlagen für gesperrte Inhalte seien mehrheitlich ohnehin nicht Gesetze, sondern die jeweiligen Regeln der Dienste wie etwa Facebooks Gemeinschaftsstandards. „Der Staat zieht sich aus der Verantwortung und macht private Unternehmen zu Richtern über die Meinungsfreiheit“, so Niekrenz.

Außerdem drohe ein Missbrauch. Rechte Netzwerke würden die Meldefunktionen ausnutzen, um unliebsame – aber strafrechtlich nicht relevante – Inhalte massenhaft zu melden, sodass diese zumindest kurzfristig verschwinden. Daher halte man auch nichts von einer „Ausweitung des NetzDG auf Gamer-Plattformen“.

Skeptisch ist die Digitale Gesellschaft auch bei der Meldepflicht für soziale Netzwerke. Selbst bei strafrechtlichen Inhalten nütze das wenig, wenn diese nicht auch verfolgt werden. Aktuell bestehe aber schon das Problem, dass oftmals nichts passiert, wenn Personen eine Strafanzeige bei regelmäßigen Bedrohungen und Beleidigungen erstatten. Daher sollten auch IP-Adressen nur dann herausgegeben, wenn ein Ermittlungsverfahren laufe.

Spezialisierte Behörden sind nötig

Was die Digitale Gesellschaft allerdings begrüßt, sind Ermittlungsbehörden, die auf Social-Media-Dienste spezialisiert sind und gezielt ausgebildet werden. Ein Vorbild könne die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen sein, die „bereits erhebliche Erfolge vorweisen“ könne, so Niekrenz. Auch das Sperren von Social-Media-Konten auf richterliche Anordnung wäre eine Option.

Generell sollten Sicherheitsbehörden zunächst aber einmal eine Inventur machen, bevor neue Gesetze beschlossen werden. In den letzten Jahren habe es „zahlreiche Ausdehnungen von Eingriffsbefugnissen und Datensammlungen“ gegeben, in diesem „Dickicht“ müssten die Behörden nun zunächst einmal prüfen, inwieweit die neuen Gesetze überhaupt einen Nutzen haben. Und diesen Nutzen mit den Kosten für Freiheitsrechte abwägen.