Lego Hidden Side im Test: Fazit
4/4Zur Bewertung sollten in „Hidden Side“ zwei Bereiche getrennt betrachtet werden, auch wenn dies zunächst widersprüchlich erscheint: der reale und der virtuelle Teil.
Schöne, aber zu teure Modelle
Die realen Modelle sind schön anzuschauen, offenbaren aber ebenso das Dilemma in Legos Produktpolitik: Es wird immer nach weiteren Einsparmöglichkeiten gesucht. So wird der Hersteller bereits seit längerem dafür kritisiert, dass bei steigenden Preisen die Qualität der Modelle gefühlt nachlässt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass immer weniger Prints und immer mehr Aufkleber Verwendung finden. Der von Lego eingeforderte UVP ist für beide Modelle deutlich zu hoch, aber das ist ein mittlerweile auch von vielen Händlern kritisiertes Vorgehen seitens des Unternehmens, die unverbindlichen Verkaufspreise hoch anzusetzen, damit die Händler über ihre Rabatte und Margen den Preis später wieder heruntersetzen – und der Kunde denkt, er hätte ein Schnäppchen gemacht. Aktuell ist laut Brickmerge der Geister-Expresszug für deutlich unter 60 Euro und El Fuegos Stunt-Truck für rund 25 Euro erhältlich – was den Gegenwert auch gut widerspiegelt.
Den Designern die Schuld zuzuweisen, wäre falsch, denn die Modelle sind an sich schön anzusehen und kein Designer bei Lego dürfte im Laufe der Zeit sein Talent verloren haben. Dennoch wird deutlich, dass beim Hersteller wieder das Management sowie „Marketing-Experten“ das Ruder übernommen haben, die das Unternehmen auf die gleichen gefährlichen Klippen zusteuern lassen, an denen es Ende der 1990er-Jahre beinahe zerschellt wäre.
Motorisierung nur mit größerem Aufwand möglich
Beim Geister-Expresszug hätte man den Umstand des hohen unverbindlichen Verkaufspreises zumindest kaschieren können, indem man eine Motorisierung aus den beiden aktuell erhältlichen Eisenbahn-Sets (60197/60198) (Test) mittels „Power Functions 2.0“ ohne großen Umbau realisiert hätte – doch weder im Zug selbst noch in den Anhängern würde sich dies ohne größere Eingriffe umsetzen lassen. Darüber hinaus sind die Anhänger dafür in der falschen Reihenfolge angehängt und können aufgrund unterschiedlicher Kupplung weder getauscht noch mit normalen Zugwaggons ergänzt werden – ein Schelm, wer Böses denkt.
Der Überraschung folgt die Langeweile
Macht sich bei den ersten virtuellen Spielversuchen zumindest eine Zeit lang ein gewisser „Aha-Effekt“ breit, verpufft dieser ebenso schnell wieder. Die Umsetzung der virtuellen Realität funktioniert größtenteils gut, Gleiches gilt für die Objektverfolgung und das Ausrichten des Spielfeldes anhand des physischen Originals. Dennoch funktioniert das System nicht komplett fehlerfrei, nicht selten taucht die Abbildung des Modells an einer falschen Stelle auf.
Darüber hinaus bieten die Spiele nicht genügend Abwechslung. Zudem wird der Eindruck erweckt, dass Newbury nur dann vom Schleim und somit von den Geistern befreit werden kann, wenn alle Stationen, also alle Sets, bespielt wurden. Dies ist natürlich mit dem Kauf selbiger verbunden. Doch was ist in dem Moment, wenn neue Sets der Serie veröffentlicht werden?
Dadurch könnte das Spiel auch als Versuch von Lego gesehen werden, Kinder dazu zu bringen, immer mehr Sets zu kaufen, um das Spiel irgendwann durchspielen zu können. Wer früher einmal in Kindertagen Panini-Bilder gesammelt hat, weiß, wie schnell so etwas ins Geld gehen kann – im Durchschnitt wurden für die letzten 19 Karten genauso viel Zeit und Geld wie für die 663 Karten davor benötigt. Sollte sich dies bewahrheiten und das Unternehmen somit auf von vielen mobilen Spielen bekannte Mechanismen zurückgreifen, würde Lego sicherlich einen weiteren Teil seiner Unschuld verlieren.
Keine Unterstützung von eigenen Modellen
Hinzu kommt, dass das System, zumindest in der aktuellen Form, keine Unterstützung eigener Modelle bietet. Dies läuft aber dem eigentlichen Lego-Gedanken zuwider, bei dem etwas Gebautes wieder auseinander genommen werden kann, um daraus etwas komplett Neues zu erschaffen.
Nervige Spielaufforderungen
Unschön sind dabei auch die Push-Benachrichtigungen auf dem jeweiligen Mobilgerät, mit denen die Kinder zu weiteren Spielen animiert werden sollen. Da diese jedoch in dem Alter nur in seltenen Fällen eines der unterstützten Geräte besitzen dürften, wird fortan Eltern mit Meldungen zu Belohnungen und Extras der Tag versüßt. Auch wenn dieses noch nicht so penetrant ausartet wie bei Pet Rescue und Co, wirkt es dadurch dennoch genau wie ein solches. Und es bleibt die Frage, wie hoch Lego die Anzahl der Benachrichtigungen in Zukunft schrauben wird.
Große ungenutzte Möglichkeiten
Die Möglichkeiten hinter dem System sind ohne Frage groß, doch Lego versucht dies dem Anschein nach lediglich zum größeren Absatz der jeweiligen Sets zu nutzen. Dabei wäre das Unternehmen vielleicht besser damit gefahren, die Software als Bonus zu normalen Sets zu verteilen, um so aus jedem Themenbereich etwas darin einfließen zu lassen. So hätte das Spiel bei der Feuerwehrstation dazu genutzt werden können, virtuelle Brände zu löschen oder bei einem Polizeiauto Verbrecher zu fangen – die Möglichkeiten wären unendlich gewesen und der Spielspaß darüber hinaus größer.
In der jetzigen Form erinnert „Hidden Side“ eher an ein Gelegenheitsspiel für Smartphones oder Tablets, nur dass dort mit echter Währung oftmals ein (leichteres) Weiterkommen erkauft wird. Bei Lego bekommt der Nutzer für sein Geld zumindest ein reales Set – doch auch das reicht am Ende nicht aus. Letztendlich bleibt der Beigeschmack einer reinen Marketing-Kampagne.
ComputerBase wurden die Sets Geister-Expresszug (70424) und El Fuegos Stunt-Truck (70421) leihweise von Lego für den Test zur Verfügung gestellt. Eine Einflussnahme des Herstellers auf den Testbericht fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand nicht. Es gab kein NDA.
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