VATM-Marktstudie 2019: Mehr Gigabit, doch die Nachfrage lässt auf sich warten
Deutschland ist auf dem Weg in das Gigabit-Zeitalter, das besagt die aktuelle TK-Studie vom alternativen Provider-Verband VATM. Probleme bestehen aber weiterhin. Und es bestehen Zweifel, ob die Bundesregierung die anvisierten Gigabit-Ziele bis 2025 überhaupt erreichen kann.
Die 21. TK-Marktstudie hat die Beratungsfirma Dialog Consult im Auftrag des VATM erstellt. Studienautor ist Professor Thorsten Gerpott von der Universität Essen-Duisburg. Bei den Zahlen für 2019 handelt es sich um Prognosen.
Mehr als 10 Millionen Gigabit-Haushalte, aber Nachfrage bleibt gering
Weiter wächst derweil auch die Anzahl der Festnetz-Breitbandanschlüsse: 2019 gibt es laut Prognose ein Plus von rund 1,0 Million auf 35,2 Millionen. Der Trend der letzten Jahre setzt sich dabei fort: Es wachsen insbesondere die Technologien, die hohe Geschwindigkeiten ermöglichen. Bei den Glasfaseranschlüssen mit FTTB/H wird für 2019 ein Zuwachs um 400.000 auf nunmehr 1,5 Millionen prognostiziert, was einem Anteil von 4,3 Prozent entspricht. Verfügbar sind mittlerweile aber knapp 4,4 Millionen FTTB/H-Anschlüsse – das heißt, es werden 33,8 Prozent der potentiellen Anschlüsse geschaltet. Dreiviertel der Anschlüsse stammen dabei von den Wettbewerbern, die Telekom selbst bietet gut 1,1 Millionen FTTB/H-Anschlüsse.
Einen größeren Anteil für den Weg in das Gigabit-Zeitalter ermöglichen indes die DOCSIS-3.1-Anschlüsse der Kabelnetzbetreiber. Da soll die Anzahl in diesem Jahr auf 14,7 Millionen steigen (2018: 7,4 Millionen). Es ist also Bewegung im Markt. Ein Problem bleibt aber laut Gerpott: Die gigabit-fähigen Kabelnetzbetreiber finden sich primär in Ballungszentren, weniger im ländlichen Bereich.
Bemerkbar macht sich das auch bei den Haushalten. 2019 sollen erstmals mehr als eine Million Haushalte einen Anschluss haben, der mehr als 250 Mbit/s bietet. Es wächst auch der Anteil von Haushalten, die über eine Bandbreite von 50 Mbit/s bis 250 Mbit/s verfügen – der Anteil liegt laut Prognose Ende 2019 bei 36,9 Prozent. Erkennbar bleibt aber eine gewisse Trägheit bei den Kunden, so Gerpott. Nur weil schnelle Anschlüsse verfügbar sind, wechseln sie nicht direkt.
Trotz Vodafones Übernahme von Unitymedia bleibt die Telekom weiterhin der Marktführer. Der Bonner Konzern kommt auf einen Anteil von 39,4 Prozent (13,6 Millionen Breitband-Anschlüsse). Dahinter folgt Vodafone mit 19,9 Prozent, Unitymedia kommt auf 10,7 Prozent – zusammen also gut 30 Prozent. Auf den Plätzen folgen 1&1 mit 12,4 Prozent, Telefónica mit 6,4 Prozent sowie die vielen kleinen Anbieter.
Skepsis bei den Ausbauzielen
Selbst wenn der Gigabit-Ausbau vorankommt, bleibt Gerpott skeptisch, ob die Bundesregierung die selbst gesteckten Gigabit-Ziele bis 2025 erreichen kann. „Bis zu einem 100prozentigen Vollausbau wird es noch viele, viele Jahre dauern. Und hier hilft auch 5G nicht (…), wenn an der Basis kein Glasfaserkabel liegt“, so Gerpott. Trotz der Fortschritte bestehe also Handlungsbedarf. „Wir müssen noch mehr aufs Gaspedal treten“, erklärt VATM-Präsident Joachim Witt.
Der LTE-Deal des Bundesverkehrsministeriums mit den Netzbetreibern sei dabei ein richtiger Schritt, ebenso wie der 5-Punkte-Plan für den Mobilfunkausbau. Gerade mit Blick auf 5G müsse aber mehr kommen. Dazu zähle etwa das Bereitstellen von öffentlichen Liegenschaften für den Aufbau von 5G-Sendemasten sowie beschleunigte Genehmigungsverfahren, die auch den Glasfaserausbau betreffen. Witts bekannte Diagnose: „Die Bürokratie ist ein echtes Hemmnis beim Ausbau.“
Was der VATM weiterhin fordert, ist ein Voucher-System. Konkret geht es dabei um Gutscheine, die Bürger und Unternehmen erhalten sollen, wenn sie auf schnelle Anschlüsse umsteigen. Welche Aussichten hat der Voucher-Vorschlag in der Politik? VATM-Geschäftsführer Grützner hofft weiterhin. „Das wäre ein gutes Instrument“, um die Nachfrage nach schnellen Anschlüssen anzukurbeln. Gute Erfolge habe man damit etwa in Frankreich verzeichnet. Die Bundesregierung selbst halte sich aber nach wie vor bedeckt, skeptisch ist zudem das Finanzministerium.
Warten auf die Zukunft: Gesamtmarkt bleibt vorerst stabil
Im TK-Markt gab es 2019 einige Einschnitte: Vodafone übernimmt Unitymedia, die 5G-Auktion mit 1&1 als viertem Netzbetreiber, eine neue TK-Richtlinie der EU. Doch bei den Umsätzen schlägt das noch nicht durch, die bleiben stabil. Die Prognose für 2019 besagt: Insgesamt wächst die Telekommunikationsbranche um 0,5 Milliarden Euro auf einen Gesamtumsatz von 58,4 Milliarden Euro. Dieses Plus entfällt auf das Mobilfunk-Geschäft, das um rund zwei Prozent zulegt und nun mit 25,6 Milliarden Euro knapp 44 Prozent des Gesamtmarktes ausmacht. Das meiste Geld wird aber nach wie vor mit dem Festnetzgeschäft verdient – das sind wie 2018 rund 32,8 Milliarden Euro.
An der Struktur des Marktes ändert sich derweil wenig. Die Telekom bleibt im Festnetz der Marktführer mit einem Marktanteil von knapp 42 Prozent. 40 Prozent entfallen auf die Wettbewerber (mit leichten Verlusten), 18,3 Prozent auf die Kabelnetzbetreiber (mit leichten Gewinnen). Somit bleibt die Struktur bestehen, die sich in den letzten Jahren etabliert hat.
Dasselbe gilt für den Mobilfunkmarkt, der sich entweder nach Umsätzen oder aktivierten SIM-Karten aufteilen lässt. Bei den Umsätzen liegt laut der TK-Studie die Telekom mit einem Marktanteil von 32 Prozent vorne. Bei den aktivierten SIM-Karten ist es Vodafone mit einem Marktanteil von 35,7 Prozent, Telefónica mit O2 kommt auf 32,2 Prozent und die Deutsche Telekom auf 32,1 Prozent. Insgesamt sind über 140 Millionen SIM-Karten in Deutschland aktiviert.
Was aber deutlich wächst, ist die Summe, die die Branche in die Netze investiert: 9,4 Milliarden Euro sind es laut der Prognose. 2017 lag die Summe noch bei 8,2 Milliarden Euro, 2018 waren es 8,7 Milliarden Euro. Auch auf die Wettbewerber entfallen dabei 4,8 Milliarden Euro, die Telekom steckt 4,6 Milliarden Euro in die Netze. „Beide Fraktionen, beide Lager, sind signifikant involviert in die Modernisierung der Netze“, so der Studienautor Gerpott. Nicht in dieser Summe enthalten sind übrigens die Kosten für die versteigerten 5G-Frequenzen, es geht ausschließlich um Investitionen in Sachanlagen.
Mehr Telefonate über WhatsApp als über das Festnetz
Ebenso ändert sich die Art, mit der die Nutzer kommunizieren. 2019 wird voraussichtlich mehr über Over-the-top-Dienste (OTT) wie WhatsApp telefoniert als über den Festnetzanschluss. Die OTT-Dienste kommen auf 265 Millionen Minuten pro Tag, das Festnetz auf 263 Millionen Minuten pro Tag – Tendenz weiter fallend. Weiterhin führend ist Mobilfunk-Telefonieren mit 345 Millionen Minuten pro Tag.
Im Festnetz wächst derweil das Datenaufkommen deutlich, Streaming und Gaming hinterlassen Spuren. Die Prognose für Ende 2019 besagt: Pro Haushalt sind es monatlich 137 Gigabyte, das ist ein Plus von 26 Prozent. Im Mobilfunk liegt der durchschnittliche Verbrauch pro SIM-Karte bei 2,5 Gigabyte – ein Zuwachs von 58,6 Prozent.