AMD Ryzen 9 3950X im Test: Ein kleiner Schritt für AMD, ein großer für den Desktop
tl;dr: 18 Monate nach dem Start von Ryzen 2000 ist der neue Ryzen 9 3950X auf gleichem Sockel mehr als doppelt so schnell. Dank Zen 2 und 7-nm-Fertigung steigt der Verbrauch dabei aber nur um wenige Prozent. Und Spieler werden für den Griff nach 16 Kernen nicht abgestraft.
Von AMD im Mai 2019 für September in Aussicht gestellt, ist der Ryzen 3950X als erste 16-Kern-Lösung für die „Mittelklasse-Plattform“ um den Sockel AM4 mit zwei Monaten Verspätung jetzt verfügbar. Verfügbar heißt: Das Embargo für die Tests fällt heute, im Handel soll die CPU am 25. November stehen – parallel mit Ryzen Threadripper 3000, der heute noch nicht getestet werden darf.
Der Ryzen 9 3950X macht deutlich: „Mittelklasse“ ist bei AMD mittlerweile ein sehr weit gedehnter Begriff, umfasst die Plattform mit dem Sockel AM4 doch Prozessoren, die in Form der empfehlenswerten Dual-Core-Athlon bei knapp über 40 Euro starten und nun bis zum Modell mit 16 Kernen für 819 Euro reichen. Gepaart mit einem gut ausgestatteten Mainboard, was die X570-Platinen nahezu alle sind, ist ein vierstelliger Preis für lediglich zwei Komponenten eines PCs fortan alles andere als ein Problem in der „Mittelklasse“, die auch mit Blick auf die Leistung eigentlich nicht mehr als solche bezeichnet werden kann. Schwarz-Weiß-Denken funktioniert hier nur noch bedingt.
16 Kerne machen Matisse für AM4 komplett
16 Kerne zeichnen fortan das Flaggschiff in AMDs Portfolio für den Mainstream-Desktop aus, Threadripper 3000 verzichtet deshalb auf Konfigurationen mit weniger als 24 Kernen. Gegenüber der Vorgängergeneration Ryzen 2000 ist das eine satte Verdoppelung der Kerne auf AM4, die vor allem durch den neuen Chiplet-Aufbau ermöglicht wurde. Denn die eigentlichen CPU-Dies haben bei AMD mit Ryzen 3000 „Matisse“ immer acht Kerne. Der bereits verfügbare Zwölf-Kern-Prozessor nutzt zwei davon, die jeweils auf sechs Kerne konfiguriert wurden, sprich zwei mal zwei sind nicht aktiv. Der Vollausbau ist letztlich nur die logische Ergänzung, denn was verlötet wird, kann schließlich auch genutzt werden.
Kerne/Threads | Takt Basis/Turbo |
L3-Cache | TDP | Preis (Launch) | Marktpreis | |
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Ryzen 9 3950X | 16/32 | 3,5/4,7 GHz | 64 MB | 105 W | 819 Euro | – |
Ryzen 9 3900X | 12/24 | 3,8/4,6 GHz | 64 MB | 105 W | 529 Euro | 529 Euro |
Ryzen 7 3800X | 8/16 | 3,9/4,5 GHz | 32 MB | 105 W | 429 Euro | 429 Euro |
Ryzen 7 3700X | 8/16 | 3,6/4,4 GHz | 32 MB | 65 W | 349 Euro | 349 Euro |
Ryzen 7 2700X | 8/16 | 3,7/4,3 GHz | 16 MB | 105 W | 319 Euro | 246 Euro |
Ryzen 7 2700 | 8/16 | 3,2/4,1 GHz | 16 MB | 65 W | 289 Euro | 189 Euro |
Ryzen 5 3600X | 6/12 | 3,8/4,4 GHz | 32 MB | 95 W | 265 Euro | 259 Euro |
Ryzen 5 2600X | 6/12 | 3,6/4,2 GHz | 16 MB | 95 W | 225 Euro | 149 Euro |
Ryzen 5 3600 | 6/12 | 3,6/4,2 GHz | 32 MB | 65 W | 209 Euro | 209 Euro |
Ryzen 5 2600 | 6/12 | 3,4/3,9 GHz | 16 MB | 65 W | 195 Euro | 128 Euro |
Cache-Latenz und -Durchsatz auf 3900X-Niveau
Weitere relevante technische Unterschiede gibt es nicht, in allen folgenden Benchmarks offenbarten sich deshalb auch keine Probleme. Eine Überprüfung der Latenzen zeigt, dass sich der 16-Kern-Prozessor bei den Cache-Zugriffen ziemlich exakt wie der 12-Kern-Ryzen verhält.
Speicher | 3950X (16K/32T) | 3900X (12K/24T) | 3700X (8K/16T) | 2700X (8K/16T) | 1800X (8K/16T) |
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Latenz L1-Cache | 0,9 | 0,9 | 0,9 | 0,9 | 1,0 |
Latenz L2-Cache | 2,5 | 2,6 | 2,7 | 2,8 | 4,4 |
Latenz L3-Cache | 9,3 | 9,4 | 9,9 | 8,7 | 11,6 |
Latenz RAM | 73 | 72 | 73 | 69 | 83 |
Ryzen 9 3900X und 3950X gemessen mit AGESA 1.0.0.4, Rest Stand Juli 2019 |
Auch beim Zugriff auf den in der CPU integrierten Speicher gibt es keine Überraschungen. Bei L1 und L2 hat der 16-Kerner im AIDA-Benchmark Vorteile durch die größere Anzahl/Menge an Speicherblöcken, beim L3 keinen Nachteil.
Speicher | 3950X (16K/32T) | 3900X (12K/24T) | 3700X (8K/16T) | 2700X (8K/16T) | 1800X (8K/16T) |
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Durchsatz L1-Cache (Lesen) | 4.200 | 3.180 | 2.122 | 1.011 | 917 |
Durchsatz L2-Cache (Lesen) | 2.068 | 1.592 | 1.066 | 941 | 831 |
Durchsatz L3-Cache (Lesen) | 1.076 | 1.072 | 626 | 419 | 384 |
alle Angaben in Gigabyte pro Sekunde | |||||
Ryzen 9 3900X und 3950X gemessen mit AGESA 1.0.0.4, Rest Stand Juli 2019 |
AGESA 1.0.0.4B ist anzuraten, aber keine Pflicht
AMD nennt zum Start ein Mainboard inklusive BIOS mit AGESA 1.0.0.4B als Grundvoraussetzung für den 16-Kern-Prozessor. Doch das stimmt nicht so ganz. Funktionieren würde er auch mit älteren AGESA-Varianten, denn AMD war grundsätzlich für einen Start vor zwei Monaten bereit. Allerdings ist in den letzten Monaten so viel Engagement in das neue AGESA geflossen, dass eine Paarung mit dem neuen Ryzen anzuraten ist. Denn alle Verbesserungen für den Ryzen 3000 (Boost-Frequenzen, Stabilität und Kompatibilität) kommen so auch dem Topmodell zuteil.
Durch den frühzeitigeren Rollout von AGESA 1.0.0.4B für die Mainboardpartner wurde die neue Variante auch schon deutlich früher extern und live durch viele Nutzer mit Beta-Versionen getestet, sodass die Kinderkrankheiten zum Start des 16-Kernern am 25. November im Handel nahezu ausgeräumt sein sollten. Dies war eines der größten Probleme Anfang Juli mit der komplett neuen X570-Plattform, als nahezu jedes Mainboard mit ganz neuem BIOS erst beim Kunden über Wochen reifen musste.
Kunden müssen in jedem Fall sicherstellen, dass ein Mainboard im Handel mit älterem BIOS problemlos bootet, erklärte AMD zum Start noch einmal ausführlicher.
Ein neuer Eco Mode für noch mehr Effizienz
Während die technischen Eckdaten der neuen CPU bedingt durch die Architektur bereits seit Monaten bekannt sind und auch nicht mehr verändert wurden, hat sich AMD für den Produktstart noch etwas ausgedacht. Der neue Eco Modus im Tool AMD Ryzen Master kann eine CPU eine TDP-Klasse tiefer schicken, was in der Regel der Effizienz extrem förderlich ist, weil zwar der Verbrauch deutlich, die Leistung aber nur unterproportional stark sinkt. Insbesondere die Flaggschiffe sind oft bereits über den effizientesten Punkt hinaus auf hohen Takt getrimmt, wodurch sie überproportional viel mehr Leistung aufnehmen – der Ryzen 3800X (Test) ist hierfür ein gutes Beispiel. Der Eco Mode steuert dem entgegen.
Der Eco Mode ist dabei am Ende nichts anderes als eine per Windows-Software konfigurierbare TDP (cTDP). Viele Prozessoren sind für eine zweite oder gar dritte TDP-Stufe ausgelegt, oft wird diese vom Hersteller aber nur auf Nachfrage mitgeteilt, OEMs wenden sie mitunter jedoch an. Für Endkunden sieht AMD vor, dass es feste Parameter gibt: 105/95-Watt-Prozessoren dürfen in die 65-Watt-Klasse, 65-Watt-Prozessoren hinab auf 45 Watt konfiguriert werden.
Über das Software-Tool AMD Ryzen Master kann dabei nicht nur der Ryzen 9 3950X konfiguriert werden, sondern auch alle anderen Prozessoren der Matisse-Serie. APUs wie die Picasso-Serie und auch die Athlon sowie die Threadripper bleiben jedoch außen vor.
Testen konnten ComputerBase diesen vorab jedoch nicht. Zwar weisen AMDs Dokumentationen den Modus seit August 2019 bereits aus (PDF Seite 14 und 37), auch im letzten öffentlich verfügbaren Ryzen Master lässt er sich aber noch nicht aktivieren. Und eine neue Version gab es von AMD vorab nicht.