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C:\B_retro\Ausgabe_10\: Der Atari 2600 brachte Spaß mit 1,19 MHz Takt

Sven Bauduin
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C:\B_retro\Ausgabe_10\: Der Atari 2600 brachte Spaß mit 1,19 MHz Takt
Bild: Latif Ghouali

tl;dr: Zum Ende des Jahres 2019 erfüllt C:\B_retro\ noch einmal einen der Wünsche aus der Community und widmet sich einem der Urväter aller heutigen Spielekonsolen: dem legendären Atari 2600. Am 11. September 1977 als Atari VCS eingeführt, genießt der Heimcomputer mittlerweile Kultstatus und Sammlerwert unter Liebhabern.

Jeden Sonntag wirft C:\B_retro\ einen unterhaltsamen Blick zurück auf drei Jahrzehnte voller bewegter Geschichten und die Entwicklung der Computerszene: Was geschah in den letzten 30 Jahren zwischen 1980 und 2010 in der Informationstechnik? Geschichten von Mythen, Meilensteinen und Meisterwerken: C:\B_retro\.

C:\B_retro\Ausgabe_10\

Der legendäre Atari 2600

Nachdem sich C:\B_retro\Ausgabe_9\ noch einmal mit den legendären Retro-GPUs von ATi, Matrox und – nicht zuletzt – 3dfx beschäftigt hat, taucht die 10. Auflage nun in die frühe Anfangszeit der 2. Konsolengeneration ein und widmet sich ganz dem Atari 2600, der im ersten Werbespot von 1977 entsprechend euphorisch angepriesen wurde:

C:\B_retro\Ausgabe_10\Der legendäre Atari 2600\

C:\...\Geschichte\

Das Atari Video Computersystem (Atari VCS) erschien am 11. September 1977 vorerst ausschließlich in den USA und verkaufte sich bis einschließlich 1979 eher schleppend, was erste Zweifel an der Spielkonsole des Herstellers Atari, welcher am 9. Juli 1972 gegründet wurde, aufkommen lies. Doch der Erwerb renommierter Automatenspiel- und Filmlizenzen kurz vor dem Weihnachtsgeschäft 1979 und der Start in Europa im Jahre 1980 sollten die Konsole – obwohl technisch zu diesem Zeitpunkt bereits veraltet – und auch den Hersteller selbst vorerst noch retten. In Japan erschien eine angepasste Variante des Atari VCS unter dem Namen Atari 2800. Space Invaders, Pac-Man und E.T. zählten zu diesem Zeitpunkt zu den AAA-Spielen auf der bereits betagten Spielekonsole.

Das Atari VCS (Modell 1980) mit Joystick...
Das Atari VCS (Modell 1980) mit Joystick... (Bild: Wikipedia)
...und der Atari 2600 jr. (Modell 1986)
...und der Atari 2600 jr. (Modell 1986) (Bild: Wikipedia)

Während sich das Atari VCS ab 1982 zur besseren Unterscheidung der Nachfolgegenerationen auch offiziell Atari 2600 nannte und mit über 30 Millionen weltweit verkauften Exemplaren zur mit Abstand meistverkauften Spielkonsole ihrer Zeit avancierte – vergleichbare Verkaufszahlen konnten in den Folgejahren erstmalig wieder vom Sega Mega Drive und Nintendo 64 erreicht werden – starben die Nachfolger wie die Fliegen.

Der drahtlose Atari 2700 besaß bereits Marktreife und auch die Werbung lief schon im TV, als die Kombinations-Controller bestehend aus Joystick und Paddle in der Qualitätskontrolle durchfielen. Mit einer Reichweite von rund 300 Metern hätten sie andere 2700-Konsolen in der Nachbarschaft stören und auch Garagentore öffnen können, denn die Technik entsprach weitestgehend der der Funkhandsender der damaligen Zeit. Der Atari 2700 hätte von Grund auf neu entwickelt werden müssen, was aber für das bereits angeschlagene Unternehmen zu kostspielig geworden wäre.

Auch der Prototyp des CX-3000 Graduate, der den Atari 2600 mit Hilfe einer Tastatur und einem BASIC-Modul zum Heimcomputer ausgebaut hätte, erschien 1983 nicht wie geplant. Spätestens 1983, als das Geschäft mit Spielekonsolen in starke Konkurrenz mit vollwertigen Heimcomputern trat, wurde die Luft für das Unternehmen sehr dünn. Die Abteilungen für Spielcomputer und Konsolen wurden 1984 unter dem Namen Atari Corp. an Jack Tramiel verkauft. Nachdem auch der Atari ST nur mäßig erfolgreich war, verkaufte dieser das Unternehmen seinerseits. Bis 2003 wechselte die Marke Atari mehrfach den Eigentümer und ist mittlerweile unter französischer Führung als Hersteller von Computerspielen unter dem Namen Atari SA firmiert.

Das bekannte „Darth-Vader“-Modell von 1982 unter dem neuen Namen „Atari 2600“
Das bekannte „Darth-Vader“-Modell von 1982 unter dem neuen Namen „Atari 2600“ (Bild: Wikipedia)

C:\...\Hardware\

Das Herz des Atari 2600 stellte der MOS Technology 6507 mit von 64 KB auf 8 KB reduziertem Adressraum und ca. 1,19 MHz Taktfrequenz dar, bei dem anders als bei seinem großen Bruder, dem MOS Technology 6502, nur 13 Adressleitungen nach außen geführt wurden.

Die MOS Technology Prozessorfamilie (PDF) wurde von einem Konsortium bestehend aus der Commodore Semiconductor Group (CSG), Rockwell Semiconductor Systems und der United Microelectronics Corporation (UMC) entwickelt und kam unter anderem auch im legendären Heimcomputer Commodore 64 zum Einsatz, der bereits in C:\B_retro\Ausgabe_3\ seinen großen Auftritt hatte.

Die gesamten Hardwarespezifikationen des Atari 2600 sahen wie folgt aus:

  • MOS Technology 6507 mit 1,19 MHz und 8 kB Adressraum
  • Atari TIA („Stella“) Grafikprozessor mit 128 (NTSC) respektive 104 Farben (PAL)
  • Audioprozessor mit zwei Stimmen, diversen Wellenformen und Ausgabe in Mono
  • 128 Bytes Arbeitsspeicher (+ zusätzlich maximal 128 Bytes durch Spielmodule)
  • 2 bis 64 kB ROM mittels Bank Switching und Spielmodule
Der Hauptprozessor des Atari 2600, ein MOS Technology 6507
Der Hauptprozessor des Atari 2600, ein MOS Technology 6507 (Bild: Wikipedia, CC BY 3.0)

C:\...\Spiele\

Mit mehr als sieben Millionen verkauften Exemplaren ist Pac-Man von 1980 das meistverkaufte Spiel für den Atari 2600. Von Adventure über Sport bis hin zu expliziter Erwachsenenunterhaltung bot der Atari 2600 eine breite Palette von mehr als 1.200 Spielen. Der führende Fremdanbieter war nach 1979 der kalifornische Entwickler Activision aus Santa Monica.

Ab Mitte der 1980er Jahre lief der Commodore 64 dem Atari 2600 aber spürbar den Rang ab und konnte Anwender schlussendlich vom Wechsel von der Spielkonsole zum Heimcomputer überzeugen.

Neben Pac-Man, E.T. und Space Invaders zählten unter anderem Asteroids, Pole Position, Missile Command, Pitfall! sowie Donkey Kong, Defender und Frogger zu den erfolgreichsten Titeln auf dem Atari 2600.

C:\...\Erbe\

Für den Nachfolger des Atari 2600, den Atari 5200 auf Basis des MOS Technology 6502C („Sally“) mit einer gesteigerten Taktfrequenz von 1,79 MHz und 16 kB RAM, erschienen auf Grund des Zusammenbruchs der Videospielindustrie in den USA im Zeitraum von 1983 bis 1985 kaum Spiele, oder sie entsprachen exakt der Version für den Atari 2600. Mit dem ColecoVision von Coleco und dem Intellivision von Mattel wuchs zudem die Konkurrenz.

Der Atari 5200 war wirtschaftlich so erfolglos und hatte zudem große Qualitätsprobleme mit seinen Controllern, von denen die meisten bereits bei ihrer Auslieferung nicht funktionierten oder nach kurzer Zeit zerbrachen, sodass die Spielkonsole in Europa gar nicht erst veröffentlicht wurde.

Der Atari 5200 war in den USA erfolglos und wurde in Europa nie verkauft
Der Atari 5200 war in den USA erfolglos und wurde in Europa nie verkauft (Bild: Wikipedia)

In Europa hieß der eigentliche Nachfolger dann ab 1986 – in den USA bereits ab 1984 – Atari 7800 und basierte ebenfalls auf einem MOS Technology 6502C („Sally“) sowie 4 kB RAM. Mit dem Atari 7800 ging das Unternehmen einige Schwachstellen des Atari 5200 an, so hatte die neue Konsole einfachere, digitale Joysticks und war abwärtskompatibel zum Atari 2600. Nachdem Sega und vor allem Nintendo den Markt für Computerspiele aber mittlerweile unter sich aufgeteilt hatten, positionierte Jack Tramiel – dem Atari mittlerweile gehörte – den Atari 7800 als günstige Alternative zum japanischen Marktführer.

Viele Probleme des Atari 5200 blieben aber auch mit dem 7800er bestehen, so litt die Konsole noch immer an den Nachwirkungen des großen Videospielecrash von 1983 – was dazu führte, dass verhältnismäßig wenige „native“ Spiele für das System erschienen. Auch mit der Qualität der Spiele hatte Atari zu dieser Zeit weiterhin zu kämpfen und konnte oder wollte nur wenige Drittanbieter von seiner Konsole überzeugen – externe Entwicklungen waren Mangelware.

Auch der Atari 7800 war in den USA und Europa wirtschaftlich relativ erfolglos und konnte das Blatt für das Unternehmen nicht mehr zum guten Wenden.

In Europa trat der Atari 7800 erfolglos das Erbe des VCS 2600 an
In Europa trat der Atari 7800 erfolglos das Erbe des VCS 2600 an (Bild: Wikipedia, CC BY 3.0)

Abseits seiner erfolglosen Nachfolger hat sich der Atari 2600 heutzutage seinen Platz in der Ruhmeshalle der Retro-Konsolen gesichert und besitzt längst Kultstatus. Auch in Deutschland gibt es eine große Community, die sich unter anderem im Atari Bit Byter User Club e.V., der bereits seit 1985 besteht und viermal jährlich sein eigenes Magazin herausgibt, organisiert oder sich im Forum von Atari-Home austauscht. Eine Institution unter Atari-Fans stellt zudem die Website des Atari History Museum dar, die von alten Magazinen bis hin zu technischen Dokumentationen alles bietet, was das Herz eines Atari-Liebhabers höher schlagen lässt.

C:\B_retro\Review\

An dieser Stelle finden sich die bisherigen Themen der vorangegangenen Ausgaben von C:\B_retro\ in chronologischer Reihenfolge.

C:\B_retro\Feedback\

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