Halo: Reach (PC) im Test: Das beste Halo leicht hinter den Erwartungen
tl;dr: Halo kehrt nach langen Jahren der Abwesenheit mit einer Portierung von Reach auf den PC zurück. Der für viele Fans beste Teil der Serie enttäuscht aber auf hohem Niveau, weil der den geschürten Erwartungen nicht ganz standhält. Die Trauer hält sich indes in Grenzen: Reach ist noch immer ein unterhaltsamer Shooter.
Modernisiert heißt nicht State of the Art
Sowohl Alter als auch Herkunft des Spiels sind an manchen Ecken spürbar: Reach ist ein Veteran der Xbox 360 und sieht trotz höherer Auflösung, auf Wunsch höherer Sichtweite und 60 oder mehr Bildern pro Sekunde auch so aus, was immerhin zu moderaten Systemanforderungen führt. Der Look ist insgesamt zwar noch stimmig, ab und an stören zumindest in der Kampagne aber arg sterile Umgebungen. Auch dem Gameplay des fast zehn Jahre alten Shooters merkt man an, dass ein erstes Haar zu ergrauen beginnt: Arena-Areale, die wellenweise, aber kaum verhüllt mit Gegnern bevölkert werden, kratzen vereinzelt in allzu häufiger Aneinanderreihung an der Grenze zur Monotonie und fühlen sich mit Maus und Tastatur auf normalem Schwierigkeitsgrad entspannter an, als nötig wäre. Am Ende lässt sich ein Kopf mit dem Nager weit besser anvisieren.
Die Controller-Herkunft ist es auch, die die Entwickler trotz aller Ankündigungen nicht beiseite wischen können. Halo ist ein vollwertiger optimierter Port, der auf dem Papier allen Ansprüchen der „PC Master Race“ genügt, sich aber nicht so anfühlt. Die grundsätzliche Schwammigkeit war ihm offenbar nicht auszutreiben – oder sollte unter dem Stichwort Cross Play respektive „Portierung des Spielgefühls“ nicht ausgetrieben werden.
Ein ganz kleines bisschen wird Reach so zu einer „Unterwasser-Erfahrung“ – es fehlt die ultimative Präzision reiner oder echter PC-Spiele, aber auch die mittlerweile übliche Geschwindigkeit, weil „Sprint“ in Reach eine von vielen Rüstungs-Fertigkeiten ist. Das allerdings gehört weitgehend zur Serie und ist nicht (nur) ein Problem des Ports. Dazu kommen kleinere Macken wie die zu leisen Stimmen in Dialogen, die man Halo-typisch am besten per Ingame-Menü aus Selbstschutz sofort auf eine englische Sprachausgabe polt.
Spaß kommt trotzdem auf
Spaß macht Reach trotzdem, denn zu einem guten Teil ist das Erstaunen über das Spielgefühl initial auch eines über den Charakter. Halo war noch nie der schnellste, sondern stets ein auch taktischer Shooter. Nach den ersten beiden Missionen, in denen das Geschehen erzählerisch nur holprig in die Gänge kommt, finden die Elemente des Spiels immer besser zusammen. Reach erzählt vom Beginn des Überlebenskampfes gegen die Covenant und spielt sich auch so, eine drückende Bedrohung und das Gefühl von drängender Eile.
Dazu tragen die verwaisten Umgebungen und die Farbpalette ebenso bei wie die KI. Schon auf dem zweiten Schwierigkeitsgrad wird ein Kampf nicht zum Selbstläufer. Erstens steckt ein Spartan-Supersoldat auch hier nicht jeden Treffer mit vollen Lebenspunkten weg, zweitens sind Covenant keine Zombies, sondern zu taktischem Vorgehen in der Lage. Dazu werfen sie anders zusammengesetzte Trupps in die Schlacht, die zu Beobachtung und Abwägung zwingen; nicht jeder Gegner ist immer gleich gefährlich – es gilt, in der Flut von Geschossen und piependem, weil geleertem Energieschild kühlen Kopf zu bewahren und zu improvisieren. Dazu gibt es reichlich Möglichkeiten, sodass auch das Laden eines Checkpoints nicht zu stumpfer Wiederholung des Gleichen führt. Stück für Stück packt Reach in der (kooperativ spielbaren) Kampagne auf diese Weise doch wieder zu.
Klassischer Mehrspieler
Im Mehrspieler-Modus punktet der Veteran mit einer Vielzahl an Karten und Spielmodi. Ganz klassisch braucht es zum Gewinnen auch Kenntnis der Karten, um zur rechten Zeit an der rechten Position für eine starke Waffe zu sein oder eine zentrale Stelle zu besetzen. Richtig: Waffen liegen auf den Karten und brauchen nicht freigeschaltet zu werden. Kann das Spaß machen? Ja, definitiv mehr als sie durch Grind freizuschalten.
Das Sammeln von Erfahrungspunkten haben die Entwickler zwar eingebaut, er schaltet aber Rüstungsteile für das Alter Ego frei. Der Fortschritt gilt spielübergreifend für alle (kommenden) Portierungen, die im nächsten Jahr bis hinauf zu Halo 4 auf dem PC erscheinen. Verschönerungen werden dadurch von der spielerischen Leistung entkoppelt und primär an Spielzeit gebunden. Was harmlos klingt, stört stärker, als man vorab erwarten würde, weil es sich im etwas negativeren Sinn nach Grind anfühlt – es fehlt die Belohnung für das Können, das Abzeichen für „Skill“ in Form der Rüstungs-Gadgets und irgendwie auch ein kleiner Teil der Seele klassischer Shooter dieser Ära.
Als kuriose Randnotiz fällt auch hier die Steuerung auf. Ein Gamepad fühlt sich generell fast geschmeidiger an und ist dank Zielhilfe nicht in jeder Situation nachteilig, mit Maus und Tastatur werden aber Waffen wie die DMR in ihrer Bedeutung aufgewertet. Kleine Stolpersteine sind zudem die veraltete Standard-Tastenbelegung und gelegentliche Lags zu Stoßzeiten. Forge und Theater fehlen zudem noch. Das alles gehört aber in die Kategorie Feinschliff, der Zustand des Spiels ist weit von dem entfernt, in dem die Master Chief Collection vor Jahren auf der Xbox One veröffentlicht wurde.
Fazit: Nicht perfekt, aber gut
Leer ist die To-Do-Liste der Entwickler nicht und ganz erfüllt werden die Ankündigungen nicht; so richtig „exzellent“ fühlt sich die Steuerung nicht an. Ein wenig Liebe und Arbeit braucht der Port also noch. Aber selbst so kann nun das hübscheste und flüssigste Reach auf dem PC gespielt werden, im Zweifelsfall einfach mit Gamepad. Dann flimmert die beste Version des Konsolen-Shooters auf dem Bildschirm des HTPCs, der ohnehin die beste Spielkonsole ist. Dass er das sollte, steht außer Frage, seine Qualitäten überdauern, die spezifische Halo-Interpretation eines Shooters hat weiterhin einen Platz im Pantheon des Genres und aktuellen Festplatten. Dass Microsoft nur 10 Euro für eines oder 40 für alle sechs Spiele verlangt, erscheint in diesem Kontext mehr als fair.
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