Kühlertest-Methodik: Nur auf den ersten Blick ist Kühlertesten einfach
tl;dr: Kühler für CPUs oder GPUs zu testen klingt einfach. Der Kühler wird montiert, Last wird angelegt und die Temperatur notiert. Turbotakt, automatische Drehzahlkurven und instabile Raumtemperaturen stören aber. ComputerBase erklärt die Fallstricke beim Kühlertesten und wie man dennoch zu reproduzierbaren Daten kommt.
Gemessen in IT-Jahren ist der Test eines CPU- oder GPU-Kühlers ein Urgestein. ComputerBase widmet sich dem Thema bereits seit mehr als 15 Jahren. Dabei ist es ebenso banal wie relevant: Prozessoren wandeln auf kleiner Fläche elektrischen Strom in Wärme um, die möglichst schnell abgeführt werden muss, damit der Chip nicht überhitzt. Dazu werden Kühler montiert, die je nach Ausführung zwischen einfachem Passivkühler und extravaganter Custom-Wasserkühlung gehalten werden.
Insbesondere für CPU-Kühler hält der Markt eine Vielzahl an Kühllösungen bereit. Allen gemeinsam ist das Versprechen der Hersteller, besonders leistungsstark und/oder leise für die Kühlung zu sorgen. Dabei wird gern eine maximale TDP (Thermal Design Power) als Verlustleistung angegeben, die der Kühler bewältigen können soll. Die TDP-Angabe bedeutet allerdings für Intel und AMD nicht dasselbe und ist generell mit Vorsicht zu genießen: Vom Kühlerhersteller gegeben, sagt sie nämlich nichts über die Temperaturdifferenz zwischen der CPU- und der Raumtemperatur aus, bei der diese Leistung abgeführt werden kann.
Unabhängige Tests sind also unabdingbar, wenn eine Kaufentscheidung nicht nur durch das Marketing der Hersteller entschieden werden soll. Dabei sind Kühlertests prinzipiell einfach und können ohne großen Aufwand mit dem eigenen PC und in den eigenen vier Wänden durchgeführt werden. Bei der Durchführung (und deshalb auch bei der Interpretation sämtlicher Tests) ist ein kritischer Blick allerdings unerlässlich.
Während die Methoden-Artikel „So testet ComputerBase Luftkühler“ und „So testet ComputerBase AiO-Wasserkühlungen“ auf die genauen Testabläufe eingehen, wird im Folgenden der Hintergrund erläutert, weshalb ComputerBase CPU-Kühler so testet, wie es das aktuelle Prozedere vorsieht – auch wenn das einen enormen Mehraufwand nach sich zieht.
Mit dem Prozessor fängt alles an
Im Test mehrerer CPU-Kühler für den Pentium 4 kam vor vielen Jahren eine Heizplatte zum Einsatz, die für eine kontrollierte Wärmeabgabe sorgt. Das ist ein hervorragender Ansatz, um perfekt reproduzierbare Bedingungen für Kühler zu schaffen. Eine CPU ist aber keine beheizte Kupferplatte, weshalb diese Methode nur bedingt etwas darüber aussagen kann, wie sich der Kühler schlägt, wenn er real im Einsatz ist.
Die naheliegende Konsequenz ist es, Kühler im Praxiseinsatz zu beurteilen: beim Kühlen eines echten Prozessors. Dabei ist es empfehlenswert, eine CPU zu wählen, die eine große Verlustleistung erlaubt und dabei sinnvoll kühlbar bleibt. Kleine Pentium- und Athlon-Prozessoren scheiden folglich wegen zu geringer Abwärme aus: Sie würden einen starken CPU-Kühler nicht ausreichend fordern, um Ergebnisse zu liefern, bei denen sich verschiedene Kühler deutlich unterscheiden. Die zweite Bedingung wird von Prozessoren erfüllt, deren Die mit dem Heatspreader verlötet ist.
Intel 115x ab Ivy Bridge ist nur bedingt geeignet
Bis die Abwärme vom Die, also dem eigentlichen Prozessor, zum Kühler gelangt, muss sie zunächst auf den Heatspreader übertragen werden. Um den Abstand und die Unebenheiten zwischen Die und Heatspreader auszugleichen, kommt hier ein sogenanntes TIM („Thermal Interface Material“) zum Einsatz. Intel ist aus Kostengründen seit der CPU-Generation Ivy Bridge auf dem Sockel 115x vom Verlöten des Heatspreaders auf Wärmeleitpaste umgestiegen. Erst mit den extrem durstigen Coffee-Lake-CPUs Core i9-9900K(S) und i7-9700K (Test) wird bei Intel im Mainstream-Segment wieder auf Lot gesetzt. AMD verlötet die konkurrierenden Ryzen-CPUs und im HEDT-Segment kommt grundsätzlich Lot zum Einsatz, weil es einen deutlich besseren Wärmeübergang ermöglicht.
Durch die kleinen Chips unter den Heatspreadern führt ein schlechter Wärmeübergang zwischen den beiden Bauteilen dazu, dass die CPU überhitzen kann, ohne den CPU-Kühler tatsächlich zu fordern. Dieses Problem verschärft sich grundsätzlich, je kleiner die Chips sind, weshalb beispielsweise die aktuellen Ryzen-3000-CPUs (Test) durch ihre 7-nm-Fertigung trotz verlöteten Heatspreaders zu hohen Temperaturen neigen. Im Umkehrschluss ist der Einsatz von Wärmeleitpaste als Wärmeleitmittel zwischen Heatspreader und CPU-Auflagefläche des Kühlers weniger kritisch: Die größere Fläche sorgt dafür, dass der Unterschied zwischen Standard-Wärmeleitpasten und speziellen Flüssigmetall-Pasten relativ klein bleibt.
ComputerBase greift auf einen Ryzen 7 1700X (Test) als CPU zurück: Der Achtkern-Prozessor ermöglicht sowohl den Test kleinerer Kühler, wenn er mit seinem Basistakt betrieben wird, als auch den Test großer Kühler, wenn durch höhere Kernspannung und höhere Taktfrequenz die Abwärme erhöht wird. Dennoch gilt zu beachten, dass durch den unterschiedlichen internen Aufbau von verschiedenen CPU-Generationen und zwischen den CPU-Herstellern die Resultate eines Kühlers nicht 1:1 auf andere Prozessoren übertragbar sind.
Künstliche Fixierung von Takt und Spannung
Sowohl AMD als auch Intel nutzen für ihre Prozessoren diverse Boost-Varianten, um last- und temperaturabhängig die Taktfrequenz der CPU zu steigern. Was im Alltag mehr Leistung bedeutet, sorgt im Test für Probleme: Da der Boost temperaturabhängig arbeitet, wird bei einem stärkeren Kühler tendenziell ein höherer Takt anliegen, was für eine höhere Abwärme sorgt. In einem Test würde ein Kühler also dafür „bestraft“ werden, dass er gut kühlt. Um für alle Kühler gleiche Bedingungen zu schaffen, ist es folglich zwingend notwendig, sowohl die Taktfrequenz als auch die Kernspannung vor einem Test auf einen manuell festgelegten Wert einzustellen.
Die Abwärme sollte so definiert werden, dass möglichst viele Kühler und bei jedem Exemplar der Lüfter in möglichst vielen Drehzahlbereichen getestet werden kann. Benötigt wird nicht die maximal mögliche Übertaktung der CPU, sondern ein Mittelmaß aus „einfach zu kühlen“ und „fordernd“. ComputerBase verwendet daher zwei Einstellungen (Standardtakt und Übertaktung), die erstens für kleinere CPU-Kühler noch zu schaffen sind und zweitens größere Kühler ausreichend fordern, um in zwei Regionen einen sinnvollen Vergleich zu ermöglichen.
Last muss lange anliegen
Der Test an sich sieht vor, dass die CPU gefordert wird. Dazu bieten sich Stresstests wie die Freeware Prime95 an, die als synthetischer Benchmark oder Stabilitätstest für eine möglichst hohe Rechenlast und damit Abwärme sorgt. Um reproduzierbare Ergebnisse zu erhalten, muss eine konstante Last angelegt werden – deshalb ist beispielsweise die Einstellung „Blend“ in Prime95 ungeeignet, da sie im Hintergrund nacheinander verschiedene Lasten anlegt. Dass die CPU den Stresstest mit den angelegten Spannungs- und Taktprofilen absolut stabil übersteht, ist eine selbstverständliche Voraussetzung.
Die Rechenlast muss für längere Zeit anliegen, um für ein Äquilibrium zu sorgen: Zunächst heizt sich die CPU sehr schnell auf (innerhalb von Sekunden). Erst im Anschluss wird deutlich langsamer der Kühler aufgewärmt, während nebenbei auch das Mainboard wärmer wird, denn die CPU-Spannungswandler arbeiten ebenfalls auf Hochtouren. Der gesamte Prozess dauert nicht nur bei AiO-Wasserkühlungen, deren Flüssigkeit träge auf Temperaturänderungen der CPU reagiert, einige Minuten. Deshalb wird für Tests auf ComputerBase eine Aufwärmphase von 30 Minuten abgewartet. Erst im Anschluss folgt das Protokollieren der CPU- und der Raumtemperatur als eigentliche Messung.
Welche Wärmeleitpaste darf es sein?
Bei der Wahl der Wärmeleitpaste gibt es eine einfache Lösung: Es wird die Paste verwendet, die mit dem Kühler zusammen geliefert wird – immerhin ist das exakt das Szenario, das auch beim Käufer vorliegt. Das Auftragen der Paste kann einen Einfluss auf die Leistung eines Kühlers haben, weshalb beim erneuten Montieren des Kühlers grundsätzlich mit Schwankungen der Ergebnisse von +/- 1 K gerechnet werden muss. Für ComputerBase-Tests wird die Paste dünn per Spatel auf dem CPU-Heatspreader verteilt. Vor jeder Kühlermontage werden sowohl die CPU-Auflagefläche des Kühlers als auch der Heatspreader der CPU mit Isopropanol von Rückständen alter Paste und anderen Verunreinigungen befreit, um für gleiche Bedingungen für jeden Kühler zu sorgen.
Gehäuse und Lüfter
Neben der CPU-Wahl stellt sich die Frage nach einer geeigneten Hardware-Behausung. Ein offener Benchtable ist am praktischsten, denn er erlaubt einen schnellen Zugriff auf die Komponenten. Allerdings betreiben nur die wenigsten Anwender einen PC in dieser Konfiguration, sodass mit diesem Aufbau Abstriche bei der Praxisnähe hingenommen werden müssen: Die Leistung eines CPU-Kühlers verändert sich in Abhängigkeit davon, wie viel Frischluft er bekommt. Ein großer Tower ist eine Alternative, die genug Platz für exotisch große Kühler bietet und gleichzeitig das geschlossene Umfeld eines klassischen PCs darstellt.
Die nächste Entscheidung betrifft die Auswahl der Gehäuselüfter. Zwischen nur einem Lüfter im Heck bis hin zur Vollbestückung mit mehr als vier Ventilatoren ist alles denkbar. Zudem muss entschieden werden, ob die Lüfter temperaturabhängig oder mit einer fixen Drehzahl arbeiten sollen. Erstere Methode würde stärkere Kühler benachteiligen, denn sie würde für eine geringere Frischluftzufuhr sorgen, je besser der Kühler arbeitet. Eine Anpassung an die Drehzahl des CPU-Kühlers wäre ebenfalls möglich – allerdings müsste dann zusätzlich berücksichtigt werden, dass verschiedene Kühler mit unterschiedlicher Lüftergröße und Lüfteranzahl ausgeliefert werden und zudem deren Drehzahlspektren variieren. Deshalb arbeiten die Gehäuselüfter im ComputerBase-Testsystem einfach mit einer fest vorgegebenen Drehzahl.