Video-Überwachung: Protest gegen biometrische Gesichtserkennung
Automatische Gesichtserkennung soll verboten werden, fordert ein Bündnis aus der Zivilgesellschaft, zu dem Vereine wie der Chaos Computer Club (CCC) und die Digitale Gesellschaft zählen. Grund für den offenen Brief sind die Video-Überwachungspläne von Innenminister Horst Seehofer.
Wie der Spiegel vor kurzem berichtet, will das Bundesinnenministerium die Kompetenzen der Bundespolizei deutlich erweitern. So sieht ein Gesetzentwurf – der sich aktuell noch in Ressortabstimmung befindet – vor, dass die Video-Überwachung in Deutschland ausgebaut wird. Geplant sind demnach Gesichtserkennungssysteme an 135 deutschen Bahnhöfen und 14 Verkehrsflughäfen.
Protest gegen Hochrisiko-Technologie
Gegen das Vorhaben richtet sich nun aber der Protest der Gruppe Gesichtserkennung stoppen, zu der der neben dem CCC und der Digitalen Gesellschaft noch Vereine wie Digital Courage und Digitale Freiheit zählen. Die zentralen Vorwürfe sind: Die Gesichtserkennungs-Technologie ist zu fehlerhaft und zudem ein massiver Eingriff in die Grundrechte von allen, die bei der Video-Überwachung erfasst werden. Von einer „Hochrisikotechnologie“ spricht etwa Viktor Schlüter von der Organisation Digitale Freiheit. Durch hohe Falscherkennungsraten sowie die Diskriminierung von Frauen und Minderheiten hätte die automatische Gesichtserkennung ein enormes Missbrauchspotential.
Ähnlich äußert sich auch der Chaos Computer Club. „Dieses unnötige und invasive Biometriesystem“ bezeichnet CCC-Sprecher Dirk Engling als einen „weiteren Baustein“, um „den maschinenlesbaren Menschen zu schaffen. Allein durch das zufällige Vorbeilaufen legen wir mit unseren Körperdaten eine digitale Spur, die uns alle auch wegen der Unzuverlässigkeit der eingesetzten Algorithmen in unseren Rechten und Freiheiten einschränkt.“
Verwiesen wird dabei unter anderem auf die Testläufe am Berliner Bahnhof Südkreuz. Die Bundespolizei und das Innenministerium bezeichneten die Tests von biometrischen Systemen zwar als Erfolg (PDF), der CCC bezeichnete die Ergebnisse damals aber als beschönigt. Und selbst wenn die Zahlen passen, würden pro Tag mehrere 100 Personen fälschlicherweise erfasst werden. Vor allem angesichts der „stetig sinkenden Kriminalitätsraten in Deutschland“ – so die Protestgruppe – bestehe daher kein Grund, solche Technologien einzuführen.
Auch innerhalb der Großen Koalition umstritten
Der Gesetzentwurf selbst ist noch nicht beschlossen, sondern liegt aktuell beim SPD-geführten Justizministerium. Offen ist aktuell noch, wie es weiter geht. Die neue SPD-Vorsitzende Saskia Esken hatte den Vorstoß des Innenministeriums aber schon deutlich kritisiert. Auf Twitter warnte sie etwa, dass Unschuldige aufgrund der hohen Falscherkennungsraten verdächtigt werden könnten.
Laut dem Spiegel-Bericht sind auch weitere SPD-Politiker mit dem Gesetzentwurf nicht zufrieden. Im Kern geht es dabei aber eher um die Kompetenzverteilung bei der Polizeiarbeit. Die ist normalerweise Ländersache. Wenn die Bundespolizei nun mehr Rechte erhält, wäre das ein Eingriff in die föderale Struktur der Bundesrepublik, so die Kritiker.