Fritz!Box: AVM untersagt Verkauf von gebrauchten Routern
Der Router-Spezialist AVM hat dem Online-Händler Woog den Weiterverkauf von 20.000 gebrauchten Exemplaren der Fritz!Box 6490 Cable gerichtlich untersagen lassen. Der Hersteller stört sich vor allem an den Veränderungen in der Firmware der vormals von Netzbetreibern zur Verfügung gestellten Router.
So hat Woog, das sich auf die Wiederaufbereitung gebrauchter Technik spezialisiert hat, die von den Providern genutzte spezielle Firmware der Router gegen die für Geräte aus dem freien Handel ausgetauscht. Für den Händler ein ganz normaler Vorgang, AVM sieht darin jedoch „eine nicht zulässige Produktveränderung“.
Verhärtete Fronten
Jetzt beschäftigt diese Auseinandersetzung die deutsche Justiz. Im Raum steht vor allem die Frage, ob und in welchem Umfang Händler Firmware gegen den Willen des Herstellers auf dessen gebrauchte Geräte aufspielen können. Gerade bei DSL-Routern gibt es dahingehend kaum Probleme, im Gegensatz zu den Kabelgeräten funktionieren sie in allen Netzen meist problemlos und können auch nach einem Weiterverkauf mit Software-Updates versorgt werden.
Für den Kunden von Vorteil
Oftmals passen die Hersteller ihre Geräte aber auch stark an und beschränken diese um einige Funktionen. Werden diese aussortiert oder in einem anderen Netz verwendet, wird auch die Versorgung mit Updates eingestellt, da diese von den Netzbetreibern verteilt werden. Gerade bei Kabel-Varianten ist dies oft der Fall, da die Geräte auch an das jeweilige Betreibernetz angepasst werden.
Für den Kunden kann sich ein solch aufbereitetes und äußerlich einwandfreies Gerät jedoch lohnen, Woog verlangt für eine generalüberholte Fritz!Box 6490 Cable mit geänderter Firmware gerade einmal 70 Euro – der Straßenpreis eines entsprechenden Neugerätes liegt dagegen aktuell bei knapp unter 160 Euro.
Einstweilige Verfügung und Verkaufsstopp
Auch bei den Kunden sind solche Router äußerst beliebt. Nach eigenen Angaben soll Woog bisher bereits rund 10.000 Einheiten abgesetzt haben, bis AVM Mitte Februar durch eine beim Landgericht München I erwirkte einstweilige Verfügung den weiteren Verkauf stoppen ließ (Az.: 33 O 1703/20).
Nun stehen sich beide Seiten in einer juristischen Auseinandersetzung gegenüber. AVM führt dabei das Recht an der eigenen Marke ins Felde, bei dem laut Unionsmarkenverordnung für Hersteller die Möglichkeit besteht, die Benutzung dieser zu untersagen. Die Hürden hierfür sind vom Gesetzgeber jedoch nicht niedrig angesetzt. So muss der Hersteller belegen, dass es für ein Verbot berechtigte Gründe gibt. Diese können zum Beispiel gegeben sein, wenn sich der Zustand der Ware verändert oder verschlechtert.
AVM sieht Sicherheitsrisiko, ...
Der Router-Hersteller argumentiert zudem, dass ein erhöhtes Sicherheitsrisiko besteht, sollte nicht die für das jeweilige Gerät vorgesehene originale Firmware-Version installiert sein. Darüber hinaus führt AVM ein Urteil des BGH aus dem Jahr 2004 an, laut dem ein Hersteller von Mobiltelefonen es anderen Unternehmen untersagen darf, eine SIM-Sperre auf den von ihm hergestellten Geräten zu entfernen.
... Woog dagegen mehr Sicherheit
Die Woog-Anwälte halten dagegen, dass die Router keineswegs beeinträchtigt sind, sondern der Händler sogar dafür sorgt, dass sie „einwandfrei funktionsfähig und sicher“ genutzt werden können. Die in der Auseinandersetzung aufgeführten Geräte seien Teils fünf Jahre alt, die auf ihnen installierte Firmware alles andere als aktuell, womit eine weitere Nutzung als Sicherheitsrisiko gesehen werden kann.
Weiter beziehen sich die Juristen auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus den Achtzigerjahren. Laut diesem läge kein Verstoß vor, wenn der beanstandete Eingriff „keine Beeinträchtigung der Ware mit sich bringt“. Woog Geschäftsführer Carlos Faber stellt zudem die Frage, ob es AVM weniger um die Sicherheit, sondern viel mehr um die eigenen Absatzzahlen geht.
Auch eine Frage des Umweltschutzes
Sollten Woog und AVM zu keiner einvernehmlichen Einigung kommen oder unterliegt der Händler in dem Rechtsstreit, müssten die 20.000 Router entsorgt werden. Gerade in Zeiten des steigenden Umweltbewußtseins in der Bevölkerung und der ohnehin schon großen Berge voller Elektroschrott könnte die Haltung für AVM zu einem Bumerang werden, vor allem weil das Unternehmen immer wieder die Langlebigkeit seiner Produkte und die nachhaltige Update-Politik hervorhebt.
Gegenüber Golem.de hat Woog Geschäftsführer Carlo Faber verlauten lassen, dass AVM trotz eines entsprechenden Angebotes seitens Woog nicht bereit war, über veränderte Kaufkonditionen zu verhandeln: „AVM ist auf unser Angebot eines Gesprächs aber leider nicht eingegangen, sondern hat ein vorläufiges gerichtliches Verbot gegen uns erwirkt“, wird Faber in der Meldung zitiert. Nach wie vor setzt er Hoffnung darauf, sich im Hauptsacheverfahren vor Gericht durchsetzen zu können, ansonsten drohe die Verschrottung der aktuell gelagerten und nach wie vor voll funktionsfähigen Geräte.
Golem liegt die einstweilige Verfügung vor. Diese untersagt Woog unter anderem den Verkauf von Geräten mit entferntem Unitymedia-Logo, aktivierter DVB-C-Streaming-Funktion, veränderter OEM-Kennung im Bootloader sowie von Geräten, die mit einer anderen Firmware ausgestattet wurden, um das Aufspielen von Updates direkt von AVM zu ermöglichen. Darüber hinaus verlangt AVM neben Angaben zu gewerblichen Abnehmern auch Auskunft über „die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden“.
Wie Woog mitteilt, hat das Landgericht München I das Verkaufsverbot „wider Erwarten“ vorerst bestätigt. Die Kammer bestätigt AVMs Verweis auf den Artikel 15, Absatz 2 der Verordnung über die Unionsmarken (PDF), die es dem Inhaber einer Unionsmarke zwar grundsätzlich untersagt, den Weiterverkauf durch ihn in den Umlauf gebrachter Produkte zu untersagen, davon aber eine Ausnahme macht, wenn das Produkt „verändert oder verschlechtert“ wurde. Allein die Veränderung sei in diesem Fall ausschlaggebend:
Der Umstand, dass die Antragsgegnerseite FRITZ!Boxen der UM-Version auf einen Stand brachte, der demjenigen der Serienversion entspricht, stellt eine Veränderung i. S. v. Art. 15 Abs. 2 UMV dar. Es wurde die installierte Firmware durch eine andere Firmware ersetzt, weshalb von einer Änderung der Eigenart dieser Geräte der Klägerin auszugehen ist, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob hierdurch die Funktion verschlechtert wurde.
Aus der Urteilsbegründung (laut Woog)
Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig und Woog hat sich bereits dazu entschieden, in Berufung zu gehen. Der Wiederverkäufer erklärt: „Nach der Prüfung des Urteils durch unsere Anwälte haben wir uns entschieden, Berufung einzulegen, weil sich hier grundsätzliche Fragen stellen, welche in dem einstweiligen Verfügungsverfahren von dem Oberlandesgericht München und sodann gegebenenfalls in einem weiteren Verfahren von dem Bundesgerichtshof beantwortet werden müssen.“