Half-Life: Alyx im Test: Spielkritik und Fazit
3/3So gut ist Half-Life: Alyx
Hinweis: Der Technik-Test wurde auf Rift S und Valve Index durchgeführt, der Spieletest auf der Vive Pro. Aussagen zum Tracking beziehen sich also auf deren System.
Wenn ein neues Half-Life herauskommt, wird nicht einfach nur ein gutes Spiel erwartet. Im Gegenteil: In Tradition der Vorgänger muss es eine Revolution, ein Impulsgeber für das Genre sein. Und Valve hat diese Erwartungen erfüllt. Bis das klar wird, sind jedoch ernüchternde 20 Minuten zu überstehen, die die größten Schwachstellen des Meilensteins in Spe präsentieren.
Die ersten 20 Minuten zehren
Die Zeit braucht Alyx, um in einem langsamen Tutorial die Bewegung und Grundsätzliches zu erklären. Währenddessen steht noch kein Spiel, sondern nur eine Sandbox mit Dingen zum Aufheben, Anfassen und Herumwerfen und genauen Betrachten. Weil Unsinn anstellen und ausprobieren die einzige Handlungsoption ist, wird die Magie der Illusion zunächst in kleine Stücke zerrissen, weil es erstens darauf aufmerksam macht, dass die Dinge kein rechtes Gewicht haben, zweitens keine Manipulation mit bereits gegriffener Objekte möglich ist und drittens viel übelkeitsförderndes Bücken und Hampeln gefordert wird. Revolutionär? So erst einmal nicht. Obwohl ein dreibeiniger Strider mit beeindruckender Soundkulisse über den eigenen Kopf steigen darf, verdient sich Valve nur punktuelle Anerkennung.
Diese Probleme lösen sich, wenn das Spiel in Fahrt kommt und endlich seine richtigen Spielzeuge herausrückt: Gravity Gloves, Waffen und ein Universalwerkzeug für Rätsel. Die Handschuhe sind ein Geniestreich: Dinge aus der Ferne mit Techno-Telekinese zu greifen überspielt das fehlende Gewicht von Dingen, es vermeidet Bückbewegungen und es lässt die Fragilität der Illusion zurücktreten hinter mühelose, spaßige Interaktionen mit Sinn, sie dienen zudem als natürlich aufrufbares HUD, dessen Nutzung selbst zum Unterhaltungsfaktor wird, weil es sich so „normal“ anfühlt. Ständige virtuelle Normalität ist dann auch der schärfste Pfeil im Köcher von Alyx.
Sobald es Gadgets gibt, kommt das Spiel zusammen, erzeugt eine dichte Atmosphäre, lädt ein, mit seiner Welt wortwörtlich zu interagieren. Rätsel, Puzzle und das ganz „alltägliche“ Geschehen aus Exploration und Ballereien sind für sich genommen relativ simpel, aber alle „virtuell real“, also logisch, intuitiv lösbar und ergänzt um die „vierte“ Dimension freier Kamerabewegung. Das in Deckung gehen, das Bücken, um unter Tische zu schauen, das Aufziehen von Schubladen, das Nachladen, das stets mehrere Bewegungen umfasst, die im Kampf schnell hektisch werden und meist vergessen lassen, dass die Illusion eben doch nur das ist: Wenn das Tracking einmal nicht funktioniert, wenn das Kurbeln hakelig wird, dann verrät sich die Matrix. Es sind, das sei gesagt, aber seltene Momente. Es überwiegt in aller Deutlichkeit das Staunen und das Erleben einer City 17, zu deren Fremdheit ihr herunterkommener Zustand, ihre kulturelle Fremdheit und außerirdische Besatzer gleichermaßen beitragen – und zwar hautnah als „echtes“ Erlebnis, das sich hübsch bedrückend anfühlt.
Alyx liefert ein VR-Erlebnis
Half-Life Alyx ist deshalb all das, was die Demo von Blood & Truth auf der PlayStation 4 für die Zukunft der Sparte versprochen hat und zwar in Länge eines 12 bis 15 Stunden langen Spiels. Dass Alyx erst nach rund einem Drittel des Spiels mehr als ein Half-Life in VR wird und zunehmend neue Ideen einbringt, trägt zur Akklimatisierung bei. Zombies und Headcrabs schocken, erst recht im Dunkeln, fies genug. Dabei holt das Spiel immer wieder aus der Komfortzone: Man spielt nicht Alyx, man ist Alyx. Nicht Alyx zieht sich die Gehirnfresser vom Kopf, man selbst tut es, erst gegruselt, dann begeistert auf der Flucht, man selbst beginnt, an Türen über die Schulter zu linsen, um Ecken zu spähen, mit leicht weichen Beinen im Raum zu stehen. Dank eines Flusses frischer Elemente hält die Begeisterung auch bis zum großen Finale, schal werden lediglich die Hacking-Minirätsel.
Als Demonstrationsobjekt führt Valve eben aus dem Handgelenk vor, wie VR-Unterhaltung wirklich aussieht, aber auch, dass Technologie und Gamedesign noch nicht ganz da sind, wo sie sein müssten. Die Illusion wird noch etwas zu oft zur durchschaubaren Simulation. Und dennoch: Die erste Session dauerte desillusionierende 20 Minuten mit Magenpause und demonstriert, dass Valve keinen Spielplatz unendlicher Möglichkeiten gebaut hat. Die zweite dauert dann drei fast ununterbrochene Stunden, die beweisen, wie gut Alyx als lineare, strukturierte Dauer-Unterhaltung funktioniert und wie VR-Gaming in Zukunft aussehen kann. Meilenstein gebaut, Mission erfüllt.
Fazit
Half-Life: Alyx liefert das, was von ihm erwartet wurde: VR-Unterhaltung pur. Das gab es bisher nicht. Valve hat ein so innovatives, spaßiges und schlicht durchweg gutes Spiel geschaffen, das mit einer tollen Atmosphäre, ebenso toller Immersion, Steuerung, einer guten Technik und noch einigem mehr besticht.
Bei der Technik liefert Valve zwar keine Meisterleistung ab, das erlaubt die zwar überholte, aber dennoch angestaubte Source-2-Engine nicht. Die Optik ist aber dennoch auf einem sehr hohen Niveau. Auch wenn sie nicht mit AAA-Schwergewichtern wie Doom Eternal (Test) mithalten kann, ist die Grafik unglaublich stimmig und passt schlicht zu Half-Life in VR. Unter dem Headset hat die Wahl der Engine auch einen handfesten Vorteil: Das Spiel benötigt kein High-End-Rechner. Vor allem bei der mittleren Detailstufe, die optisch kaum schlechter als das Maximum aussieht, lässt sich mit vielen Grafikkarten noch ein gutes und sichtbares Plus bei der Auflösung herausholen.
Turing liegt ganz vorne, GCN ganz hinten
AMD muss allerdings noch einmal an den Treiber ran. Half-Life: Alyx läuft auf der aktuellen Radeon-5000-Generation zwar ordentlich, der älteren GCN-Ableger fallen aber durchweg zurück. Das Problem sind unregelmäßige Frametimes, was vor allem in VR ein Problem darstellt. Auch die Navi-Serie mit RDNA-Technik reißt hier keine Bäume aus. Nvidias Turing-Generation liefert wiederum die besten Grafikkarten für Half-Life: Alyx und lässt eindeutig das größte Auflösungsplus zu. Die ältere Pascal-Serie schneidet ordentlich ab, setzt aber kein Highlight.
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