Huawei P40 Pro im Test: Eine tolle Smartphone-Kamera ist nicht alles
tl;dr: Das Huawei P40 Pro ist mit einer der besten Smartphone-Kameras ausgestattet und punktet mit 90-Hz-Display, sehr guter Verarbeitung und schnellem Prozessor samt integrierter 5G-Konnektivität. Würde es nur nach der Hardware gehen, gäbe es kaum Kritik zu äußern. Doch die fehlenden Google-Dienste sind ein K.-o.-Kriterium.
Hinweis: ComputerBase hat das Huawei P40 Pro mit der Software-Version 10.1.0.112 (SP50C432E8R4P1) getestet, bei der es sich laut Huawei um eine Version für Hands-on-Berichte und nicht um die finale Software für Endkunden handelt. Das P40 Pro soll erst am 2. Mai auf den Markt kommen und wird bis dahin mit einer anderen, neueren Software-Version laufen respektive zum Start ein Day-One-OTA-Update erhalten. Was sich mit dieser Version potenziell verändern wird, ist der Redaktion nicht bekannt.
Preis und Verfügbarkeit
Das P40 Pro hat eine unverbindliche Preisempfehlung von 999 Euro. Vorbesteller erhalten im Aktionszeitraum beim Kauf eines P40 Pro (oder P40) zwischen dem 26. März und 1. Mai kostenfrei die Watch GT2e und Freebuds 3 (Test).
Die Smartphone-Serie, die mehr Kamera ist
Huaweis P-Serie hat sich im Laufe der Jahre zum Inbegriff chinesischer Innovationskraft in puncto Smartphone-Fotografie entwickelt. Zu den bedeutendsten Neuerungen der letzten Jahre zählen die Nutzung mehrerer Kameras, monochromer Sensoren ohne Bayer-Filter, eine Partnerschaft mit Leica für die Linsen, immer größer werdende Sensoren und zuletzt der Periskop-Zoom für eine stärkere optische Vergrößerung.
50 Megapixel auf 1/1,28 Zoll
Das P40 und das für den Test vorliegende P40 Pro gehen die nächste Stufe in dieser Entwicklung und führen für die Hauptkamera einen 1/1,28 Zoll großen Sensor ein, auf dem sich 50 Megapixel versammeln. Vor einem Jahr waren es bei der P30-Serie 40 Megapixel auf deutlich kleineren 1/1,7 Zoll, wie der maßstabgetreue Vergleich aktuell und zuvor von Huawei eingesetzter Sensoren zeigt. Der 12-Megapixel-Sensor mit 1/2,55 Zoll entspricht der Ausstattung, wie sie zum Beispiel im iPhone 11 anzutreffen ist.
1/1,28 Zoll ist noch einmal größer als der 1/1,33 Zoll große 108-Megapixel-Sensor im Samsung Galaxy S20 Ultra (Test). Statt „SuperSensing“ heißt der Sensor jetzt „Ultra Vision“ und nutzt erneut ein von RGGB zu RYYB verändertes Subpixel-Layout, das für einen Tausch von Grün zu Gelb steht. Laut Huawei bietet Gelb eine höhere Lichtdurchlässigkeit als Grün, sodass mehr Licht auf den Sensor trifft. Über einen neuen „Image Signal Processor“ (ISP) im Kirin 990 5G macht die Bildverarbeitung aus Gelb wieder Grün, damit es nicht zu Farbverfälschungen kommt. Für Huawei ist es auf Sensorebene wichtig, so viel Licht wie möglich einzufangen, einen hohen Dynamikumfang abzudecken und möglichst wenig Rauschen zu produzieren.
100 Millionen Autofokuspunkte
Bei diesem Vorhaben soll ein Pixelbinning von vier zu eins für Fotos mit letztlich 12,5 Megapixeln sorgen. Jedes Pixel des Sensors besitzt zwei Fotodioden für den Autofokus per Phasenvergleich (PDAF), sodass nach dem Binning acht Dioden pro zusammengefasstes Pixel und insgesamt 100 Millionen Autofokuspunkte dafür zur Verfügung stehen, weshalb Huawei das System „Octa PD AutoFocus“ nennt. Das Unternehmen verspricht einen der Konkurrenz überlegenen Autofokus im Bereich weniger Millisekunden, der auch bei schlechten Lichtbedingungen zuverlässig funktionieren soll.
Der Autofokus arbeitet in der Praxis in der Tat schnell und zuverlässig, sodass Fotos mit korrekt gesetztem Fokus nach Sekundenbruchteilen im Speicher hinterlegt werden. Kontraproduktiv ist bei diesem Schritt aber, dass Huawei selbst mit modernsten Sensoren sowie schnellerem System on a Chip und ISP nach wie vor bei vielen Aufnahmen den Anwender mit Hinweis im Sucher zu Folgendem ermahnt: „Das Foto wird schärfer gestellt... Bitte halten Sie das Gerät ruhig.“ Bei keinem anderen Hersteller müssen Nutzer das Smartphone nach dem Foto für mehrere Sekunden still halten. Genau genommen muss man das auch bei Huawei nicht, denn die Qualität des Fotos wird durch das Stillhalten nicht besser. Umso mehr stört der nicht notwendige Hinweis.
Hauptkamera liefert sehr gute Ergebnisse
Diese kleinere Software-Macke außer Acht gelassen, stimmen dafür umso mehr die mit der Hauptkamera und deren Weitwinkelobjektiv gemachten Aufnahmen. Die Fotos sind in den meisten Situationen durchweg im relevanten Bereich scharf, der Weißabgleich arbeitet tadellos, der Dynamikumfang ist stimmig und die Farbgestaltung ist natürlich und nicht übersättigt. Krasses Gegenbeispiel für letztere Eigenschaft ist das Galaxy S20 Ultra, das Farben stark verfälscht mit viel zu viel Sättigung darstellt. Das sorgt ohne Direktvergleich zwar für „schöne Fotos“, stimmt aber nicht mit der Realität überein. Im Vergleich zum iPhone 11 Pro Max und Pixel 4 fehlt den Aufnahmen des P40 Pro ein wenig Wärme und in helleren Bildbereichen gehen feine Details ein bisschen verloren.
Beim Dynamikumfang erzielt Huawei ein vergleichbares Ergebnis wie Google mit dem Pixel 4. Die speziell dafür gemachten vier letzten Aufnahmen in der Galerie zeigen einen von oben beleuchteten, aber vergleichsweise dunklen Hausdurchgang, während im Hintergrund eine grell von der Mittagssonne beleuchtete Straße verläuft. Dem P40 Pro gelingt es in dieser Situation sehr gut, beide Bereiche des Bildes ohne Über- oder Unterbelichtung zur Geltung zu bringen. Das Galaxy S20 Ultra strauchelt erneut mit seiner HDR-Schwäche, während das iPhone 11 Pro Max einfach nur alles hell macht. Über die letzten iPhone-Generationen hat sich ein Trend der zu starken Aufhellung schattiger Bereiche entwickelt. Das Pixel 4 liegt ungefähr gleichauf zum P40 Pro.
Makroaufnahmen sind eine Schwäche
Wenn es einen Kritikpunkt für das P40 Pro gibt, dann ist es die zum Rand hin abfallende Schärfe, die mit einem Sensor dieser Größe etwas stärker als bei anderen Smartphones einhergeht. Das P40 Pro ist im Direktvergleich zudem weniger gut für Aufnahmen im Nah- bis Makrobereich geeignet, wie die Aufnahmen 20 bis 23 der Münze oder 25 bis 28 der Blume verdeutlichen. Mit dem P40 Pro muss der Abstand vergrößert werden, bis der Autofokus anspringt, und selbst dann verliert das Smartphone im Direktvergleich. iPhone 11 Pro Max und Pixel 4 sind für diese Situationen merklich besser geeignet. Das Galaxy S20 Ultra liegt ebenfalls vor dem P40 Pro, hat aber ähnliche Probleme.
Der Nachtmodus ist fast überflüssig
Weil der Sensor so groß ist, sei der Wechsel zum Nachtmodus kaum noch notwendig, so Huawei. Er wird aber weiterhin angeboten und erlaubt mehrere Sekunden Belichtung ohne Stativ frei aus der Hand. Huaweis dritte Generation der „AI Image Engine“ sorgt dafür, dass trotz kleinerer Wackler brauchbare Aufnahmen entstehen. Das Multi-Framing übernimmt die eigens entwickelte „XD Fusion Engine“ und ist bei allen Smartphone-Herstellern ein Mittel, um aus mehreren Frames das finale Foto zu generieren.
In der Praxis muss man Huawei mit der Einschätzung zum Nachtmodus Recht geben, denn selbst ohne diesen lassen sich bei schwacher Beleuchtung gute Aufnahmen mit dem P40 Pro schießen. Der Nachtmodus sollte nur bei ausgeprägter Dunkelheit bei kaum vorhandenem Restlich aktiviert werden, denn ansonsten kommt es zu unnötig aufgehellten Fotos mit vergleichsweise starkem Rauschen. Ist es bei Nacht zu hell, produziert der Nachtmodus schlechtere Aufnahmen als der Automatikmodus.
Vom Hocker reißt Huawei mit den Nachtaufnahmen allerdings kaum mehr jemanden, zu stark hat die Konkurrenz in den letzten Jahren aufgeholt und teils sogar überholt. Das P40 Pro schießt im Automatik- und Nachtmodus brauchbare Aufnahmen, die zwar relativ stark rauschen, insgesamt aber einen hohen Detailgrad abbilden. Im Direktvergleich aller vier Smartphones hat vor allem das Pixel 4 mit matschigen Fotos das Nachsehen. Am ausgewogensten erscheint mittlerweile das iPhone 11 Pro Max, nachdem vor nicht allzu langer Zeit Huawei der Klassenprimus und alleine auf weiter Flur in der Nachtdisziplin war und Apple die mit Abstand schlechtesten Ergebnisse lieferte.
Zehnfache Vergrößerung mit guter Qualität
Für das Teleobjektiv des P40 Pro setzt Huawei erneut auf den Periskop-Aufbau, diesmal aber mit verbessertem OIS und AIS (AI-Stabilisierung) und erstmals einem RYYB-Sensor, wie er bisher der Hauptkamera vorbehalten war, um mehr Licht einzufangen. Außerdem arbeitet der Sensor mit 12 statt 8 Megapixeln. Die Vergrößerung arbeitet 5-fach optisch, 10-fach hybrid und 50-fach digital. Die Brennweite bei fünffacher optischer Vergrößerung entspricht 125 mm Kleinbildäquivalent.
Die optische Stabilisierung arbeitete im Test tadellos, sodass sich bei stärkerer Vergrößerung sicher der gewünschte Bildbereich im Sucher finden lässt. In diesem Punkt praktischer ist Samsungs kleine Vollbildanzeige mit Fadenkreuz im großen Sucher mit Detailansicht. So gelingt die Orientierung innerhalb des Motivs eine Spure sicherer.
In puncto Bildqualität macht das P40 Pro bis zu einer zehnfachen Vergrößerung gute Fotos, darüber hinaus liefert der digitale Zoom Pixelmatsch. Die Fotos wirken dann mindestens genauso weich wie beim Galaxy S20 Ultra. Die Charakteristiken der Hauptkamera sind auf das Teleobjektiv übertragbar, sodass Samsung erneut den härteren Kontrast fährt und sattere Farben liefert. Bei fünffacher und zehnfacher Vergrößerung sind die Fotos des P40 Pro eine Spur zu hell und wirken etwas ausgewaschen. Was sich mit einer Kamera in den Abmessungen eines Smartphones aber an weit entfernten Details abbilden lässt, ist weiterhin beachtenswert.
Das Ultraweitwinkelobjektiv sieht zu wenig
Hinsichtlich Auflösung und Blende ist das Ultraweitwinkelobjektiv überarbeitet worden. Statt 20 Megapixeln gibt es nun 40 Megapixel und eine f/1.8- anstelle einer f/2.2-Blende. Diese Veränderung hat Huawei vorgenommen, da diese Kamera nun wie beim Mate 30 Pro als „Cine Lens“ fungiert, die exklusiv für Videoaufnahmen bis 4K mit 60 FPS zuständig ist. Der zugrundeliegende Sensor hat jetzt das Format 3:2 statt 4:3, wie es von großen Kameras genutzt wird. Auch beim Ultraweitwinkelobjektiv führt Huawei ein Pixelbinning von vier zu eins durch, sodass Fotos mit 10 Megapixeln Auflösung gespeichert werden.
Das Ultraweitwinkelobjektiv entpuppte sich im Test als Enttäuschung der neuen Kamera, was aber nicht an der Bildqualität, sondern daran liegt, dass es seinem Namen kaum gerecht wird. Das Sichtfeld ist im Vergleich zur Konkurrenz so stark eingeschränkt, dass nur geringfügig mehr Details im Randbereich als mit dem Weitwinkel eingefangen werden. Der erwartete Effekt eines weiten Blickes über das gesamte Motiv will beim P40 Pro nicht eintreten. Das wird vor allem im Direktvergleich mit dem Galaxy S20 Ultra und dem iPhone 11 Pro Max deutlich. Wo mit den Smartphones von Samsung und Apple ganze Häuserblocks abgebildet werden, ist bei Huawei nur ein Ausschnitt des Hauses sichtbar.
Frontkamera mit riesiger Punch-Hole-Notch
Beim Wechsel zur Vorderseite fällt die pillenförmige Aussparung im Display auf, die an Samsungs Galaxy-S10-Serie (Test) erinnert. Hier sitzen beim P40 Pro eine 32-Megapixel-Kamera mit erstmals Autofokus sowie eine Bokeh-Linse und ein IR-Sensor für eine bessere Low-Light-Leistung des 2D-Gesichtsscanners. Der Sensor erhöht nicht die Sicherheit und ist nicht mit dem aufwendigen 3D-Scanner der Mate-Serie vergleichbar, sondern soll lediglich den 2D-Gesichtsscanner in puncto Leistung aufwerten.
Der Autofokus für die Frontkamera fokussiert im Test korrekt, wobei Geräte ohne dieses Feature ebenfalls nur selten Probleme bei Selfies haben. Von der Farbgestaltung her orientiert sich Huawei am iPhone und wählt zum Positiven des Gesamteindrucks eine natürliche Darstellung, während Samsung und Google die Farbsättigung hochziehen. Aus dunklen Bereichen holt Huawei viele Details, darunter leidet aber ein wenig die Schwarzdarstellung, die mehr zu einem sehr dunklen Grau tendiert, wie der Windbreaker zeigt. Hauttöne sind beim P40 Pro etwas blass, das gelingt allen drei Vergleichsgeräten mit wärmerer Farbgebung besser.
Videoaufnahmen in 4K mit 60 FPS
Bei Videoaufnahmen hat Huawei im Vergleich zu früheren Generationen deutlich aufgeholt, sodass mittlerweile Ultra HD bei 60 FPS zuverlässig aufgenommen wird, ohne dass größere Wackler oder ausgefallene Frames zu verzeichnen sind. Auch vom Dynamikumfang her weiß das P40 Pro gute Ergebnisse zu liefern. Beim Schwenk ins Gegenlicht der Sonne zeigt das iPhone 11 Pro Max aber mehr Details am Gebäude und liefert insgesamt das harmonischere Bild durch eine bessere Stabilisierung.