Bundesverfassungsgericht: BND-Überwachung aktuell verfassungswidrig
Nun steht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Das infolge der Snowden-Enthüllungen beschlossene BND-Gesetz ist verfassungswidrig. Die Bundesregierung muss nun die Rechtsgrundlage für die Internet-Überwachung des Bundesnachrichtendienstes (BND) überarbeiten.
Die Verfassungsbeschwerde hatte ein Bündnis aus sechs Medienorganisationen Ende 2017 eingereicht, zu denen Organisationen wie Reporter Ohne Grenzen und die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) zählen. Die Klage war erfolgreich, das Urteil betrifft viele Bereiche der Internet-Überwachung. Rechtswidrig ist demnach in der aktuellen Form sowohl das Erfassen und Verarbeiten von Daten als auch das Übermitteln an weitere Stellen. Das umfasst auch Kooperationen mit ausländischen Geheimdiensten.
Einen kompletten Riegel hat das Bundesverfassungsgericht der Internet-Überwachung aber nicht vorgeschoben. Sofern die „strategische Ausland-Ausland-Telekommunikationsüberwachung“ – also das Anzapfen der Leitungen samt des massenhaften Sammelns und Auswertens von Daten – verhältnismäßig ausgestaltet wird, kann das Instrument mit den Grundrechten vereinbar sein. Dafür hat die Bundesregierung nun Zeit bis Ende 2021.
Das Grundgesetz hat globalen Anspruch
Ein Knackpunkt in dem Urteil ist die Reichweite des Grundgesetzes. Juristen wie der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier argumentieren seit Jahren, es habe einen universellen Charakter. Insofern könne auch im Ausland ohne weiteres anlasslos überwacht werden. Die Bundesregierung vertrat allerdings die Ansicht, der Geltungsbereich des Grundgesetzes wäre auf Deutschland beschränkt.
Nun hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, das Grundgesetz schützt auch im Ausland vor Überwachung. Und das gelte unabhängig davon, ob die Überwachung vom Inland oder Ausland aus erfolgt. Weil das bislang nicht berücksichtigt wurde, muss die Bundesregierung nun nachbessern. So ist eines der Probleme beim BND-Gesetz: „Insbesondere ist die Überwachung nicht auf hinreichend bestimmte Zwecke begrenzt und durch diese kontrollfähig strukturiert; auch fehlt es an verschiedenen Schutzvorkehrungen, etwa zum Schutz von Journalisten oder Rechtsanwälten.“
Ein Erfolg also für die klagenden Medienorganisationen, die insbesondere die Überwachung von Journalisten im Ausland kritisierten. Der BND hat in diesem Bereich zudem eine Vorgeschichte. So wurde im Verlauf der NSA-Enthüllungen bekannt, dass der deutsche Geheimdienst Journalisten von der New York Times und BBC als Überwachungsziel gelistet hatte.
Weitere Kritikpunkte umfassen die Datenweitergabe. Das gilt sowohl für inländische Stellen als auch ausländische Partnerdienste. Es mangele an Schutzvorkehrungen und Eingriffsschwellen. Ein weiteres Problem sind die Kontrollen von außen. „Eine solche Kontrolle muss als kontinuierliche Rechtskontrolle ausgestaltet sein und einen umfassenden Kontrollzugriff ermöglichen“, so das Bundesverfassungsgericht. Mit dem im Rahmen des BND-Gesetzes geschaffenen zusätzlichen Kontrollgremium sind die Richter also nicht zufrieden.
Filterprogramme bleiben das Problem
Spannend wird nun, wie die Bundesregierung die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umsetzen will. Vertreter der Sicherheitsbehörden hatten in der Vergangenheit stets argumentiert, ein Schutz von bestimmten Berufsgruppen – wie etwa Journalisten und Rechtsanwälten – wäre praktisch eigentlich nicht realisierbar. Und wie problematisch die Filterprogramme nach wie vor sind, verdeutlichten die erst am Wochenende publik gewordenen Zahlen, die der BND für die Verhandlung am Bundesverfassungsgericht erstellt hatte.
Demnach kann der BND pro Tag bis zu 1,2 Billionen Internet-Verbindungen am Frankfurter Internet-Knotenpunkt DE-CIX abgreifen. Durchsucht wird der Datenverkehr automatisiert mit mehr als 100.000 Suchbegriffen wie E-Mail-Adressen, IP-Adressen oder Handynummern. Pro Tag sollen sich beim BND rund 150.000 Kommunikationen ansammeln, die die Grundlage für rund 260 Meldungen sind, die der Geheimdienst entsprechend des Auftragsprofils täglich erstellt.
Zu den Problemen zählen allerdings die Filterprogramme. Anhand von Telefonnummern oder Mail-Adressen muss der BND automatisch erkennen, ob ein deutscher Bürger betroffen ist. Das klappt aber nicht immer. So räumte der Geheimdienst ein, alle „geschützten Verkehre“ lassen sich nicht als solche erkennen. Eine Filterung könne niemals „einen 100 Prozent Schutz bieten“.