Eigenes Betriebssystem: Daimler plant mit MB.OS ein „Windows fürs Auto“
Daimler-Chef Ola Källenius zufolge will das Unternehmen mit MB.OS ab dem Jahr 2024 oder 2025 ein vollständig neu entwickeltes Betriebssystem für seine Fahrzeuge anbieten. Källenius schwebt eine Art „Windows fürs Auto“ vor, wie er im Interview mit dem Handelsblatt sagte. Mit Software-Updates will Daimler bald viel Geld verdienen.
Kooperationen mit Technologie-Unternehmen wie Apple und Google sollen bei Daimler auch in Zukunft nur punktuell erfolgen, etwa für Dienste wie Android Auto oder CarPlay, die Hoheit im Fahrzeug will aber der Autobauer behalten. „Wir übergeben anderen doch kein mechanisches Gerät, das sie dann digital ausschlachten können“, sagte Källenius im Interview mit dem Handelsblatt, als er auf den Polestar 2 von Volvo angesprochen wurde, der wie die vollelektrische Variante des XC40 Android als Betriebssystem nutzt.
Neue S-Klasse mit großem MBUX-Update
Mit der nächsten S-Klasse, die Ende des Jahres auf den Markt kommen soll, will Daimler den nächsten großen Schritt beim Infotainmentsystem MBUX gehen, das Mercedes-Benz 2018 mit der A-Klasse (Test) eingeführt hatte und mittlerweile in mehreren Fahrzeugklassen, aber noch nicht in der höchsten anbietet.
Ein Betriebssystem für das ganze Auto
Für das Jahr 2024 oder 2025 sei dann der „komplette Paradigmenwechsel“ zum vollständig eigenen Betriebssystem MB.OS geplant. Mit einer neuen Software-Architektur meint Källenius nicht nur Komponenten wie Navigation, Sprachsteuerung, Musik oder Telefonie, sondern das komplette Fahrzeug – von den Bremssystemen über die Ansteuerung des Antriebsstrangs und der Airbags bis hin zum Infotainment.
Durch die neue Software soll sich der Autobau bei Daimler als Ganzes verändern. Die bislang über einhundert Steuergeräte und ihre Funktionen sollen künftig schrittweise in wenige, zentralisierte Computer gebündelt werden. Der Konzernchef will die Hardware von der Software entkoppeln und das Geschäftsmodell sowie die Beziehung zu vielen Lieferanten von Daimler fundamental verändern. Källenius spricht von einer häufig vorkommenden „Zwangskopplung“ von Software und Aktuator, die „aufgebrochen“ werden soll, da künftig in vielen Fällen die Software selbst programmiert werde.
Die Chip-Entwicklung bleibt bei Partnern wie Nvidia
In die Fertigung eigener Chips will Daimler nicht einsteigen. Das Unternehmen habe „extrem starke Partner auf der Computingseite“ und werde daran festhalten. Zur CES 2019 hatten Daimler und Nvidia angekündigt, an einem Auto-Supercomputer zu arbeiten, der für das aktuelle Jahr in Aussicht gestellt wurde und zu dem zur diesjährigen CES Details vorgestellt werden sollten – dazu gekommen ist es aber nicht. Möglicherweise feiert die neue Recheneinheit mit der neuen S-Klasse Ende des Jahres Premiere.
Geld mit Software-Updates verdienen
Die neue Software-Plattform soll aber nicht nur bestehende Geschäftsmodelle aufbrechen, sondern auch neue schaffen. Daimler will „softwarebasierte Geschäftschancen“ selbst wahrnehmen, anstatt diese Apple und Google zu überlassen. Für cloudbasierte Over-the-Air-Updates prognostiziert Källenius eine wichtige Einnahmequelle für Daimler, die relativ schnell ein Volumen von mehreren Hundert Millionen Euro erreichen könne. Im Wandel von Apple, das immer mehr zu einem Service-Anbieter wird, sieht Källenius eine gute Analogie. Vorstellbar seien Software-Updates, die das Batteriemanagement verbessern und die Reichweite sowie Lebensdauer der Akkus erhöhen oder neue Fahrassistenzsysteme, die gegen Zahlung angeboten werden könnten.