LG Velvet im Test: Leistung, 5G und Akkulaufzeiten
3/4Dass LG mit dem Velvet nicht mehr am Flaggschiff-Wettrennen teilnimmt, lässt sich am ehesten mit dem Verzicht auf das derzeit schnellste System on a Chip von Qualcomm erkennen. Den Snapdragon 865, den mit Ausnahme von Apple, Huawei und Samsung (in Europa) alle anderen Hersteller für ihre Topmodelle nutzen, bietet LG zwar im V60 an, das in Deutschland nicht verfügbar ist, aber nicht für das Velvet als Nachfolger der G-Serie, die bislang ebenfalls stets auf Qualcomms aktuelles Top-SoC setzte.
Mit dem Snapdragon 765 kommt stattdessen das viertstärkste SoC aus dem Hause Qualcomm zum Einsatz. Darüber sind der Snapdragon 765G, der Snapdragon 768G und eben der Snapdragon 865 positioniert. Für den weiteren Verlauf des Jahres steht mit dem Snapdragon 865 Plus das nächste Flaggschiff an, bevor aller Wahrscheinlichkeit nach im Dezember ein vollständig neuer „Snapdragon 875“ folgen wird.
Die Snapdragon-76x-Serie kommt dennoch mit Octa-Core-Aufbau, allerdings in anderer Aufteilung als beim Snapdragon 865. Die Performance-Cores Kryo 475 Gold basieren auf dem Cortex-A76 statt Cortex-A77 und es gibt davon nur zwei anstelle von vier. Einen etwas schnelleren Prime-Core mit 2,30 statt 2,20 GHz verbaut Qualcomm aber dennoch im Snapdragon 765. Sechs anstelle von vier Kryo 475 Silver (Cortex-A55) bilden schließlich das Cluster der Efficiency-Cores mit maximal 1,80 GHz. Dem Prozessor stellt LG in der deutschen Variante 6 GB LPDDR4X zur Seite.
Snapdragon 765 im Benchmark
Mit Blick auf die Rohleistung ist der Snapdragon 765 zunächst einmal und nüchtern betrachtet ein klarer Rückschritt gegenüber dem Snapdragon 865. Auch der Samsung Exynos 990, der HiSilicon Kirin 990 (5G) und vor allem der Apple A13 Bionic sind dem Chip überlegen. Die Leistung nur von CPU und GPU liegt in etwa auf dem Niveau eines Ende 2016 respektive Ende 2017 vorgestellten Snapdragon 835 und Snapdragon 845. Die gebotene Ausstattung in puncto Bildprozessor, künstlicher Intelligenz, Mobilfunk und moderner Fertigung geht aber deutlich über die Ausstattung der älteren Chips hinaus.
In der Praxis bedient sich ein Velvet kaum anders als ein mit Snapdragon 865 ausgestattetes Smartphone, da das volle Leistungspotenzial des auf dem Papier schnelleren Chips im Alltag nur selten abgerufen wird. Wer primär im Browser unterwegs ist, Social-Media- und Messenger-Apps verwendet und mit Filtern in der Bildgalerie Fotos verschönert, muss den Leistungsunterschied zum Snapdragon 865 nicht fürchten. Sollen aber Titel wie Asphalt 9: Legends, PUBG oder World of Tanks in voller Grafikpracht und mit möglichst hoher Bildwiederholrate auf das Display gezaubert werden, ist die Wahl eines schnelleren SoC durchaus ratsam.
Dass LG „nur“ auf den Snapdragon 765 setzt, macht sich im Alltag weniger bemerkbar als der Verzicht auf eine höhere Bildwiederholfrequenz für das Display. Mit 90 Hz, die der Snapdragon 765 mühelos unterstützt, hätte das Unternehmen dem Smartphone ein schnelleres Bediengefühl verleihen können, ohne dies mit höheren Kosten zu kombinieren.
5G auf allen derzeit relevanten Bändern
Der Snapdragon 765 kommt mit integriertem 5G-Modem, das das SoC sogar dem Flaggschiff Snapdragon 865 voraus hat. Letzteres lagert das Modem nämlich in einen zweiten Chip aus. Zugegebenermaßen liefert das Snapdragon-X52-Modem nicht die Leistung eines Snapdragon X55, aber zumindest im Rahmen der hierzulande verfügbaren Netze spielt das erst einmal keine Rolle. Im Sub-6-GHz-Bereich wird eine Bandbreite von 100 statt 200 MHz abgedeckt, mit mmWave sind es in der Theorie bis zu 400 statt 800 MHz. Das Velvet unterstützt aber ohnehin nur den Sub-6-GHz-Bereich.
DSS ist kein Problem
In diesem Spektrum werden die 5G-Bänder n1, n3, n28, n40 und n78 unterstützt. Das ist insofern wichtig, als dass damit die ersten 5G-Frequenzen bei 3,5 GHz und 3,6 GHz und die bei Deutscher Telekom mit n1 und Vodafone mit n28 genutzten neuen Bänder für „Dynamic Spectrum Sharing“ (DSS) dabei sind, die 5G von der Stadt in die Fläche bringen sollen.
Größerer Akku als bei G8 und G8s
LG stattet das Velvet mit einem 4.300-mAh-Akku aus, der sich kabelgebunden über ein Fast-Charge-Netzteil mit maximal 16,2 Watt und optional kabellos laden lässt. Mit 4.300 mAh ist das Velvet besser ausgestattet als das G8 (3.500 mAh) oder G8s (3.550 mAh), muss sich aber dem V60 mit 5.000 mAh geschlagen geben, wenngleich es nicht in Deutschland verfügbar ist.
Genügsamer Umgang mit Ressourcen
Viele Faktoren neben dem für LG-Verhältnisse großen Akku sorgen für lange Laufzeiten mit dem Velvet. Das Display nutzt ein sparsames OLED-Panel, arbeitet mit maximal 60 Hz und bietet lediglich die Full-HD- statt der 1440p-Auflösung des G8. Der Snapdragon 765 stammt zudem aus der modernen 7LPP-Fertigung von Samsung.
Akkulaufzeiten
Mit fast 18 Stunden YouTube-Streaming bei 200 cd/m² schneidet das Velvet sehr gut ab. Der PCMark-2.0-Akkutest konnte aufgrund wiederholter Abstürze beim Testgerät nicht ausgeführt werden, Benchmarks etwa von Anandtech zeigen aber, dass mit guten 11 bis 12 Stunden Laufzeit für Aufgaben wie das Surfen im Browser, die Bild- und Videobearbeitung sowie die Textverarbeitung gerechnet werden kann.
Diese Werte stimmen mit Erfahrungen aus dem Alltag überein, wo das Velvet mit reduzierter Nutzung ohne Spiele für bis zu zwei Tage ohne erneuten Ladevorgang verwendet werden konnte. Die spezifischen Laufzeiten im Alltag variieren bekanntlich stark nach jeweiligem Nutzungsverhalten. Im Test wurde das Velvet primär für das Messaging über WhatsApp und Slack, das Surfen mit Chrome, die Nutzung von Twitter und Instagram sowie gelegentliche Foto- und Videoaufnahmen verwendet.