tl;dr:Der volkseigene Betrieb Kombinat Robotron war der größte Computerhersteller der DDR und baute neben PCs auch Großrechner und Minicomputer. Außerdem war das Unternehmen „Robotron“ mit Firmensitz in Dresden auch für die Entwicklung zahlreicher Betriebssysteme und Anwendungsprogramme verantwortlich.
Jeden Sonntag wirft diese Serie einen unterhaltsamen Blick zurück auf drei Jahrzehnte voller bewegter Geschichten und interessanten Entwicklungen der Computerszene. Mythen, Meilensteine und Meisterwerke: C:\B_retro\.
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Computersysteme von Robotron aus der DDR
Von 1969 bis 1989 war der VEB Kombinat Robotron mit Firmensitz in Dresden einer der bedeutendsten Produzenten von Informationstechnologie in der ehemaligen DDR. Robotron stellte nicht nur Personal Computer für Büro- und Heimanwender her, sondern auch Großrechner, die sogenannten Datenverarbeitungsanlagen, Minicomputer sowie Betriebssysteme und Anwendungsprogramme.
Die rund 6-minütige Reportage „Computerspiele und Computertechnik“ des YouTube-Kanals DDR Museum liefert einen kompakten Einstieg in die Thematik „Informationstechnik in der DDR“.
Bis zur letztendlichen Wiedervereinigung Deutschlands, die durch die friedliche Revolution in der DDR in den Jahren 1989 und 1990 angestoßen wurde, stieg Robotron innerhalb des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) zur Nummer 1 auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung auf.
Später bescheinigten auch Experten aus West-Deutschland sowie dem Rest der Welt den DDR-Ingenieuren und Entwicklern einen hohen Standard.
C:\B_retro\ stellt eine Auswahl von Datenverarbeitungsanlagen sowie Büro- und Heimcomputer des VEB Kombinat Robotron vor – ohne dabei den Anspruch der Vollständigkeit zu erheben.
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Geschichte
Seinen Ursprung hat der VEG Kombinat Robotron in seinem Vorläufer, dem VBB Büromaschinen, der 1964 in VBB Datenverarbeitungs- und Büromaschinen umbenannt wurde und damit den Grundstein für den am 1. April 1969 gegründeten volkseigenen Betrieb Robotron legte. Bereits im Jahr 1970 wurde ein Großteil der Produktion von Rechentechnik nach Dresden verlegt, das gemeinsam mit dem Standort Erfurt maßgeblich für die Entwicklung, die Produktion und den Vertrieb von neuen Datenverarbeitungsanlagen verantwortlich sein sollte.
Das erste große Projekt sollte der Robotron 300, eine volltransistorierte Datenverarbeitungsanlage mittlerer Größe nach dem Vorbild des IBM-Modells 1401 werden, die bereits von 1963 bis 1968 vom VEB Elektronische Rechenmaschinen (ELREMA) in Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, entwickelt wurde.
Bis zur Auflösung am 1. Juli 1990 bestand der VEB Kombinat Robotron aus den folgenden 22 volkseigenen Betrieben.
VEB Robotron-Elektronik Dresden – Stammbetrieb des VEB Kombinat Robotron
VEB Robotron-Projekt Dresden – Leitbetrieb für Softwareproduktion
VEB Robotron-Rationalisierung Weimar
VEB Robotron-Büromaschinenwerk „Ernst Thälmann“ Sömmerda
VEB Buchungsmaschinenwerk Karl-Marx-Stadt (Chemnitz)
VEB Robotron-Optima Büromaschinenwerk Erfurt
VEB Robotron-Elektronik Radeberg
VEB Robotron-Elektronik Zella-Mehlis
VEB Robotron Meiningen
VEB Robotron-Messelektronik „Otto Schön“ Dresden
VEB Robotron-Elektronik und Zeichentechnik Bad Liebenwerda
VEB Robotron-Elektronik Riesa
VEB Robotron-Elektronik Hoyerswerda
VEB Robotron-Elektroschaltgeräte Auerbach
VEB Robotron-Goldpfeil-Magnetkopfwerk Hartmannsdorf
VEB Robotron-REMA Stollberg
VEB Robotron-Stahlleichtbau Pirna
VEB Robotron-Vertrieb Berlin – Leitbetrieb für Vertrieb und Service
Hinzu kamen Teilbetriebe und Betriebsteile mit Zulieferfunktion in insgesamt 64 weiteren Orten der DDR sowie Handelsvertretungen und Servicebüros in 28 Ländern.
Die gesamte Unternehmensgeschichte von Robotron wurde durch das Internet Archiv „Wayback Machine“ archiviert und zur Verfügung gestellt.
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Robotron 300
Das erste Großprojekt, das bereits vor der Gründung von Robotron im heutigen Chemnitz entwickelt und anschließend vom VEB Rafena in Radeberg gefertigt wurde, war der Großrechner Robotron 300, der nach dem Vorbild des IBM-Modells 1401 entstand.
Mit seinen 18.500 Bipolartransistoren und 43.000 Dioden setzte der Robotron 300 auf die Diode-Transistor-Logik (DTL) und erreichte bei einer Taktfrequenz von 100 kHz eine Rechengeschwindigkeit von zirka 3.000 bis 5.000 Operationen pro Sekunde.
Seinen Namen erhielt der Robotron 300 durch seine Fähigkeit, 300 Lochkarten pro Minute abarbeiten zu können. Der Großrechner bestand aus insgesamt 45 Schränken mit einem Gesamtgewicht von 6 Tonnen und benötigte eine Ausstellfläche von rund 35 m².
Insgesamt wurden 350 Robotron 300 zum Preis von 3 Millionen Mark der DDR, deren offizieller Kurs stets 1:1 der westdeutschen Mark entsprach, produziert.
Magnetbandstrecke des R300 (Bild: Universität Halle-Wittenberg)
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Die R 300 war die erste Großrechenanlage der DDR in Transistortechnik. Sie leitete das Computerzeitalter in der DDR ein. Die technischen Spezifikationen des Großrechners sahen wie folgt aus.
Rechner:
Funktionelle Orientierung an IBM 1400-Reihe
3.000 bis 5.000 Operationen/s bei einer Taktfrequenz von 100 kHz
Bauelemente: 18.500 Transistoren und 43.000 Dioden auf 5.400 bestückten Leiterplatten in 45 Schränken
Paralleldrucker PD 475:
21.000 Zeichen/Minute
Lochkarten - Lesestanzeinheit:
18.000 Karten/Stunde Lesen
12.000 Karten/Stunde Stanzen
Lochstreifenleser:
1000 Zeichen/Minute
Lochstreifenstanzer:
100 Zeichen/Minute
Mangetbandspeicher ZMB 30:
1,5 m/s, 1 Mio Zeichen/Band
Trommelspeicher:
max. 4, je 100.000 Zeichen
Ferritkernzusatzspeicher:
10.000 Zeichen
Datenfernübertragungseinheit DFE 550:
1.200 bit/s
Gesamtsystem:
Aufstellungsfläche gesamt: 35 m²
Gewicht: 6000 kg
Energiebedarf: 30 bis 35 kVA
Preis: 3 Millionen Mark
Spezifikationen des Robotron 300
Die Programmierung des Robotron 300 erfolgte in den maschinenorientierten Programmiersprache MOPS, Fortran und ALGOL. Durch den Robotron 300 wurden sogenannte Typenprojekte für unterschiedliche Wirtschaftszweige bereitgestellt, wie beispielsweise die Maschinenbau-Großserienfertigung im Sachsenring Zwickau.
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Robotron A 5120
Der Robotron A 5120 war ein Bürocomputer für Text- und Datenverarbeitung und wurde in der DDR ab 1982 nur an Betriebe und Institutionen ausgeliefert.
Der A 5120 wurde unter anderem auch für die Softwareentwicklung und Maschinensteuerung eingesetzt und kostete je nach Konfiguration zwischen 25.000 und 75.000 Mark.
Der Robotron A 5120 bestand weitgehend aus genormten Einheitsbaugruppen wie K1520-Platinen, Stromversorgungsmodulen, Standard-Gehäusebaugruppen und einer Rückverdrahtungseinheit mit 11 Slots für Erweiterungskarten.
Im Jahr 1986 erschien noch eine überarbeitete Version des Bürocomputers unter der Bezeichnung A 5120.16 mit einer von 16 kB auf 256 kB erweiterten Speicherausstattung. Die Spezifikationen des A 5120 stellten sich wie folgt dar.
Zwei MME U880 8-Bit-Mikroprozessor mit je 2,25 MHz
Auf dem Robotron A 5120 kamen Anwendungen wie das Datenbanksystem Redabas zum Einsatz, bei dem es sich um eine Kopie von dBASE II handelte.
Das Redabas-Datenbanksystem stammt ebenfalls von Robotron (Bild: Wikipedia)
Auf den A 5120 folgten der PC 1715, A 7100, A 7150, BIC A 5105 sowie EC 1834, die dann auch teilweise als Heimcomputer vermarktet wurden.
Robotron EC 1835
Der letzte Büro- und Heimcomputer des VEB Kombinat Robotron sollte der Robotron EC 1835 sein, der den IBM PC/AT mit Intel 80286 von 1984 als Vorbild hatte und eine Weiterentwicklung des EC 1834 darstellte.
Der Robotron EC 1835 sollte auf einem zum Intel i286 analogem System mit höchstintegrierter Rand- und Speicherelektronik aus der DDR-Entwicklung und -Produktion mit der Bezeichnung U80600 basieren und 1990 auf den Markt kommen.
Bis zur Wiedervereinigung und der Auflösung des VEB Kombinat Robotron konnten aber nur noch lediglich 20 Funktionsmuster des EC 1835 produziert werden, die noch auf der Leipziger Messe 1990 gezeigt wurden.
Der Robotron EC 1835 hatte den IBM PC/AT zum Vorbild (Bild: Wikipedia, CC BY-SA 3.0)
Auch die technischen Spezifikationen des letzten Computersystems von Robotron waren denen des IBM Modells 5170 sehr ähnlich. Haupt-, Co- und Gleitkomma-Prozessoren waren Nachbauten der Modelle von Intel.
LNC2-Adapter für Vernetzung im Rolanet-2/Ethernet oder im Thin-Ethernet
3,5-Zoll- und 5,25-Zoll-Diskettenlaufwerk
MME U80601 Hauptprozessor (Bild: Wikipedia, CC BY-SA 3.0)Mainboard des EC 1835 (Bild: Wikipedia, CC BY-SA 3.0)
Auf den Prototypen und Funktionsmustern des Robotron EC 1835 kommt DCP Version 3.30, eine Adaption von MS DOS 3.30, zum Einsatz. Als Zweitbetriebssystem stand MUTOS1835, eine Adaption von UNIX V, zur Verfügung. Grundsätzlich lief für IBM-PCs kompatible Software auch auf dem EC 1835.
Die Reportage „Robotron – Computer made in GDR“ des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) zeigt noch einmal, wie alles begann und lässt Zeitzeugen wie Entwickler und Ingenieure zu Wort kommen.
Viele weitere Retro-Systeme, umfangreiche Spezifikationen und spannende Anekdoten zur Rechentechnik der DDR von 1968 bis 1990 hält das virtuelle ESER-Museum bereit.
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Die letzten fünf Ausgaben in der Übersicht
An dieser Stelle finden sich die letzten fünf Themen der vorangegangenen Ausgaben von C:\B_retro\:
Noch mehr Inhalte dieser Art und viele weitere Berichte und Anekdoten finden sich in der Retro-Ecke im Forum von ComputerBase als auch in den Themenbereichen C:\B_retro\ und Retro.