Sony Xperia 1 II im Test: Triple-Kamera mit Profi-Ambitionen
2/4Unterstützung bei den Kollegen der professionellen Kameras hat sich Sony aber nicht nur für das Display, sondern auch die Abstimmung der Kameras geholt. Darüber hinaus steuern die Entwickler aus den Alpha- und CineAlta-Sparten ihre eigenen Apps für Foto- und Videoaufnahmen bei. Das Xperia 1 II bietet insgesamt drei Kamera-Apps: die Standard-App für Fotos und Videos, die sich über den Auslöser starten lässt, die Photo-Pro-App nur für Fotos und die Cinema-Pro-App nur für Videoaufnahmen.
Zunächst aber ein Überblick zur verbauten Hardware. Sony setzt eine vertikale Triple-Kamera mit Objektiven für Weitwinkel, Ultraweitwinkel und Teleobjektiv, die 24 mm (f/1.7), 16 mm (f/2.2) und 70 mm (f/2.4) Kleinbildäquivalent entsprechen.
Dreimal 12 Megapixel auf größeren Sensoren
Hinter jedem Objektiv sitzt ein 12-Megapixel-Sensor aus eigenem Haus, wobei für die Hauptkamera ein mit 1/1,7 Zoll deutlich größerer Sensor als die 1/2,6-Zoll-Variante im Vorjahr zum Einsatz kommt. Das Ultraweitwinkelobjektiv nutzt einen mit 1/2,6 Zoll statt 1/3,4 Zoll ebenfalls größeren Sensor, während das Teleobjektiv bei 1/3,4 Zoll bleibt.
Schneller Autofokus mit 247 Messpunkten
Für Hauptkamera und Ultraweitwinkel nutzt Sony Sensoren mit Dual-Pixel-Technologie, die zwei Fotodioden pro Pixel verwenden, um den Autofokus in der Theorie über die gesamte Sensorfläche per Phasendetektion durchführen zu können. In der Praxis besitzt die Hauptkamera 247 AF-Punkte, die rund 70 Prozent der Sensorfläche abdecken. Sony wirbt mit einem Autofokus innerhalb von 0,03 Sekunden, der vergleichbar zur RX100-Serie sein soll, was sich in der Praxis jedoch nicht einfach vergleichen lässt. Aber: Im Test ist der extrem schnelle Autofokus immer wieder positiv in Erscheinung getreten.
Von der Alpha-Sparte übernimmt das Xperia 1 II den Augen-Autofokus (Eye-AF), der Augen nicht nur von Menschen, sondern auch von Tieren erkennt und dort automatisch den Fokus setzt. Das funktioniert selbst dann zuverlässig, wenn die fotografierte Person oder das Tier nicht im Zentrum der Aufnahme steht oder sich bewegt. Sony weist Anwender darauf hin, dass der Eye-AF möglicherweise nicht bei allen Tierarten funktioniert.
Für die 24-mm-Kamera werden die Berechnungen für AF (Autofokus) und AE (Belichtung) 60 Mal pro Sekunde ausgeführt und Serienaufnahmen sind mit 20 Bildern pro Sekunde möglich. Bei der 16-mm- und 70-mm-Kamera sind es 30 AF- und AE-Berechnungen pro Sekunde bei Serienaufnahmen mit 10 Bildern die Sekunde.
ToF-Sensor und eigener Bionz-X-ISP
Sollte der Autofokus über den Sensor einmal nicht zuverlässig funktionieren, weil die Lichtverhältnisse schwierig sind, kommt ein Time-of-Flight-Sensor unterstützend zum Einsatz. Der ToF-Sensor funktioniert bis zu einer Distanz von 5 m zum fokussierten Objekt. Die verschiedenen Autofokus-Technologien werden über den Bionz-X-Bildprozessor miteinander kombiniert, der unabhängig vom Snapdragon 865 arbeitet.
Fotos mit der Standard-Kamera-App
Fotografieren lässt sich mit dem Xperia 1 II mit zwei Methoden: mit der Standard-App und mit der Photo-Pro-App. Erstere ist der Schnellstartfunktion des mechanischen Auslösers zugewiesen und dürfte bei einem Großteil der Anwender für die meisten Aufnahmen zum Einsatz kommen. In den Kamera-Einstellungen gibt es eine Option, um die Photo-Pro- statt die Standard-App an den Auslöser zu binden. Die Brennweite lässt sich in beiden Modi über die Lautstärkewippe wählen.
Sonys Standard-App ist auf das Wesentliche für schnelle Schnappschüsse reduziert. Anwender können zwischen den drei verfügbaren Objektiven wechseln, das Bildformat wählen (4:3, 16:9 und 1:1), die Intensität der Unschärfe im Hintergrund anpassen sowie Weißabgleich und Belichtung über zwei Schieberegler steuern. In einem Untermenü sind zudem Modi für Google Lens, Zeitlupe, Porträt-Selfies, Filter, Panorama-Aufnahmen und Photo-Pro-App zu finden. Der zuletzt gewählte Modus verbleibt für den erneuten Schnellzugriff als kleine, kreisrunde Schaltfläche unterhalb des Suchers.
Aufnahmen bei Tag und Nacht
Im Automatikmodus schlägt sich das Xperia 1 II sehr gut gegenüber Konkurrenten wie dem iPhone 11 Pro Max (Test) und ein parallel getestetes LG Velvet. Nachdem man Sony immer wieder vorwerfen musste, aus den eigenen Bildsensoren weniger als die Konkurrenz zu holen, trägt die Zusammenarbeit mit der Alpha-Sparte endlich Früchte. Der Automatikmodus überzeugt mit einer realistischen Abbildung, da der Bildprozessor auf größere Manipulationen am Rohmaterial verzichtet. Sonys Farbgestaltung ist nicht ganz so intensiv wie die von Apple oder LG, was sich in etwas weniger grünen Gräsern oder einem weniger blauen Himmel widerspiegelt. Schärfe und Weißabgleich schneiden gut ab, vor allem Apple und LG holen aber mehr Details aus Schatten, wenngleich das iPhone hin und wieder über das Ziel hinausschießt.
Sonys Autofokus arbeitet erwartet schnell und die automatische HDR-Funktion funktioniert zuverlässig, wenngleich bei dem Hersteller dunkle Schatten eben mehr Schatten bleiben dürfen. Das Bild der Bogenspannerin zeigt gut, wie die HDR-Automatik von Sony mehr Details im hellen Hintergrund gegenüber Apple erhält. Auch beim Blick durch den Brückenbogen in Richtung Alte Nationalgalerie sind nur bei Sony Gebäude und Himmel noch gut zu sehen, obwohl der Brückenbogen selbst nicht zu dunkel ausfällt.
Nachts liefert das Xperia 1 II selbst mit dem üblicherweise schwächeren Ultraweitwinkelobjektiv gute Bilder ab – mit deutlich höherer Schärfe als bei Apple und weniger Rauschen als bei LG. Farben leuchten kräftig, aber aus dunklen Bereichen holt Sony weniger Details. Auch hier ist die Abstimmung allgemein etwas mehr in Richtung Realismus getrimmt, als maximal viel sichtbar zu machen. Bei Dämmerung entsprechen dann aber doch die Aufnahmen von Sony und LG eher dem mit dem menschlichen Auge wahrnehmbaren Dynamikumfang. Der Blick über die Bahngleise fällt mit dem Xperia 1 II eine Spur zu dunkel im Vordergrund aus. Da Sony keinen dedizierten Nachtmodus bietet, fallen Aufnahmen wie die der Baustelle ebenfalls zu dunkel aus.
Als kleine Besonderheit bietet Sony bei dem Teleobjektiv mit 70 mm Kleinbildäquivalent eine 2,7-fache optische Vergrößerung gegenüber dem Weitwinkelobjektiv, was mehr ist als bei Apples zweifacher Vergrößerung. Mit den Smartphones von Huawei oder Samsung, die teils mit zehnfacher optischer Vergrößerung ausgestattet sind, hält das Xperia 1 II hingegen nicht mit. Auf eine aufwendige Konstruktion mit Periskop-Zoom verzichtet Sony zwar, doch mit 70 mm hat man sich für einen guten Mittelweg entschieden, der im Alltag durchaus hin und wieder praktisch ist. Sonys Ultraweitwinkel mit 16 mm gefällt mit deutlich mehr Schärfe als das iPhone und weniger Filzstift-Effekt als das LG Velvet. Sony ist es im Allgemeinen gut gelungen, dass alle drei Objektive abgesehen von den unterschiedlichen Brennweiten sehr ähnliche Bilder schießen.
Photo-Pro-App für manuelles Fotografieren
Wer mehr Optionen zum Fotografieren benötigt, als die Standard-App zur Verfügung stellt, kann zur Photo-Pro-App wechseln, die sich über die normale Kamera-App aufrufen lässt. Die Photo-Pro-App ahmt beim Design der Benutzeroberfläche eine Alpha-Kamera aus dem professionellen Segment nach. Sucher, Schalter und Einstellungen entsprechen dem, was Alpha-Anwender von ihren Kameras kennen. Zur Auswahl stehen Automatik, P (Programmautomatik), S (Zeitpriorität) und M (Manuelle Belichtung).
Bei der Programmautomatik (P) werden Verschlusszeit und Blende, wobei letztere bei einem Smartphone ohnehin fix ist, automatisch geregelt, während der Anwender auf alle anderen Einstellungen Einfluss nehmen kann. Dazu gehören Fokus, Fokusbereich, Belichtungskorrektur (EV), ISO und Weißabgleich. Geht es in die Zeitpriorität (S), kann die Verschlusszeit manipuliert werden, wobei im Gegenzug der ISO-Wert fix bleibt. Alle anderen zuvor beschriebenen Einstellungen können ebenfalls angepasst werden. Im manuellen Modus (M) lassen sich Verschlusszeit und ISO verändern, wobei die Belichtungskorrektur nicht mehr zur Auswahl steht. Eine Blendenpriorität (A) gibt es logischerweise nicht, da Smartphones (meistens) ohnehin mit fixer Blende arbeiten.
Automatik entspricht Standard-App
Wird die Photo-Pro-App im Automatikmodus benutzt, entsprechen die Aufnahmen eins zu eins denen der Standard-App, wie mehrere Vergleiche mit allen drei Objektiven beweisen. Die Photo-Pro-App ist somit kein magisches Werkzeug, um nur mit einer anderen App mehr aus den Fotos zu holen. Da Fokusbereich, Augen-Autofokus und Fokusmodus (ohne manuelle Option) dennoch verändert werden können, ist der Automatikmodus in der Photo-Pro-App etwas mächtiger als in der Standard-App und somit potenziell für den ein oder anderen Nutzer das bessere Werkzeug. Im Test stellte sich jedoch heraus, dass für das Knipsen im Automatikmodus die Standard-App völlig ausreichend und über die dedizierte Taste zudem schneller erreichbar ist.
RAW-Modus soll per Update kommen
Mit den Modi P, S und vor allem M wird das Xperia 1 II aber für diejenigen interessant, die die Bildkomposition nach eigenen Ansprüchen durchführen und nicht auf eine Automatik vertrauen möchten. In welchem Stil das Bild letztlich auf dem Smartphone gespeichert wird, liegt vollständig in der Hand des Nutzers. Den Bildprozessor und den Speichervorgang im JPG-Format durchläuft aber zwangsweise jedes Bild, da Sony den angekündigten RAW-Modus mit DNG-Format bisher nur als Update in Aussicht gestellt hat, aber noch nicht auf dem Testgerät und den Geräten im Handel zur Verfügung stellt. Sony konnte auf Nachfrage keinen Termin für das Update nennen.
Die nachfolgende Galerie zeigt eine Auswahl von Bildern, die mit den manuellen Modi der Photo-Pro-App, primär im S-Modus, aufgenommen wurden und einen Teil der Gestaltungsoptionen im Vergleich zum Automatikmodus verdeutlichen. Außerdem wird der Einfluss des bei P, S und M dennoch verfügbaren HDR gezeigt.
Das erste Foto unter dem Baum mit Blick auf den Haupteingang der Alten Nationalgalerie ist im S-Modus einmal mit der Hauptkamera mit f/1.7, 1/125 Sekunde und ISO 64 sowie zweimal mit scheinbar denselben Einstellungen f/1.7, 1/500 Sekunde und ISO 64 aufgenommen worden. Über die Zeitpriorität lässt sich das Gebäude bei Bild 2 schön in Szene setzen, während der Vordergrund beabsichtigt dunkel ausfällt. Das gelingt aber nur mit deaktiviertem Auto-HDR, das mit denselben Einstellungen sonst dazu führt, dass der Vordergrund künstlich aufgehellt wird, wie Bild 3 zeigt.
Sony bietet drei Optionen: Aus, Auto-HDR und den Dynamikbereich-Optimierer (DRO, „Dynamic Range Optimizer“). Sofern nicht tatsächlich HDR-Aufnahmen das Ziel sind, sollten die Bildverbesserer beim manuellen Fotografieren deaktiviert werden, um wirklich das Resultat zu erhalten, das gewünscht ist. Auto-HDR nimmt mehrere Bilder mit unterschiedlicher Belichtung auf und überlagert den hellen Bereich des unterbelichteten Bildes sowie den dunklen Bereich des überbelichteten Bildes, um ein Bild mit reicher Gradation zu erzielen. Da mit mehreren Aufnahmen gearbeitet wird, ist Auto-HDR potenziell weniger gut für sich schnell bewegende Objekte geeignet. DRO hingegen analysiert den Kontrast und erzeugt ein Bild mit „optimaler Helligkeit und Gradation“, so Sony. Diese Funktion kann für sich bewegende Objekte oder für Serienaufnahmen verwendet werden. Der DRO hat aber Nachteile bei besonders hellen Bildbereichen.
Das vierte Bild in der Galerie zeigt die unterschiedlichen Wirkungsweisen von Auto-HDR und DRO auf und welche Optionen damit zur Verfügung stehen beziehungsweise wie das Endresultat gestaltet werden kann. Die ersten drei der vier Aufnahmen sind mit dem Teleobjektiv mit f/2.4, 1/200 Sekunde und ISO 25 entstanden. Das erste Foto kommt ohne DRO/HDR, das zweite mit DRO und das dritte mit HDR. Ohne jegliches Hilfsmittel ist eine Belichtungszeit von 1/200 Sekunde eigentlich zu lang für die gewählte Szene, da am Himmel keinerlei Details mehr zu erkennen sind. Der DRO in Bild 2 zeigt zumindest hier keine Wirkung, der sich (nicht besonders schnell) bewegende Fahrradfahrer wird aber noch relativ scharf aufgenommen. Im dritten Bild ist Auto-HDR aktiv, das bei gleichen Einstellungen ein völlig anderes Bild produziert. Was Auto-HDR alles ausgleichen oder besser gesagt verändern kann, zeigt das vierte Foto der Reihe. Hier wurde mit 1/40 Sekunde mit Absicht eine eigentlich viel zu lange Belichtungszeit gewählt, doch Auto-HDR bügelt diesen Fehler weitestgehend wieder glatt.
Videoaufnahmen mit zwei Apps
Für Videoaufnahmen stehen Nutzern ebenfalls zwei Anwendungen zur Verfügung. Videos können im Videomodus der Standard-Kamera-App, die auch für Fotos zuständig ist, oder über die Cinema-Pro-App aufgenommen werden. Analog zur Photo-Pro-App der Alpha-Entwickler stammt die Cinema-Pro-App für Videoaufnahmen aus einer Kooperation mit Sonys CineAlta-Sparte für professionelle Kinokameras.
Normale Videoaufnahmen sind über die Standard-App des Xperia 1 II in 720p-HD-Auflösung, 1.080 × 1.080 Pixeln (1:1 etwa für Instagram), 1080p-Full-HD-Auflösung mit 30 FPS oder 60 FPS sowie in 4K-Auflösung mit 30 FPS möglich. Einen Modus mit 4K60 bietet Sony trotz der Unterstützung über den Snapdragon 865 nicht. Darüber hinaus gibt es für jeden Modus gewisse Einschränkungen zu beachten. In 4K stehen zum Beispiel nicht das Auslösen bei Lächeln und die Objektverfolgung zur Auswahl.
HDR im HLG-Format mit 24 FPS
Eine weitere Besonderheit ist Sonys HDR-Unterstützung. Obwohl HDR häufig bei Qualcomms Top-SoCs anzutreffen ist, verzichten viele Smartphone-Hersteller auf die Unterstützung. Bekannte Ausnahmen davon sind Samsung und eben Sony. HDR steht in Full HD mit 30 FPS und 4K zur Verfügung, nicht aber in 720p und Full HD mit 60 FPS.
Während diese Einschränkungen in der Kamera-App nachgelesen werden können, ist dies bei einer weiteren HDR-Beschränkung nicht der Fall. Denn wer in HDR mit dem Xperia 1 II filmt, nimmt Videos automatisch mit nur noch 24 FPS auf. Diese Veränderung wird dem Anwender an keiner Stelle beim Wechsel zum HDR-Modus mitgeteilt oder in den Einstellungen der Kamera erklärt. 24 FPS sind die übliche Bildwiederholrate für Filmproduktionen, sodass Sonys Vorgehen in gewisser Weise nachvollziehbar ist, doch diese Veränderung muss dem Anwender zumindest transparent mitgeteilt werden. Im Verlauf des Tests wurde erst im Nachhinein bei Auswertung der Aufnahmen festgestellt, dass es sich um ein Video mit 24 FPS statt der erwarteten 30 FPS handelt.
Bei Videoaufnahmen in HDR nutzt das Xperia 1 II die ITU-R-Empfehlung BT.2020, den HEVC-Videocodec (H.265) und das Hybrid-Log-Gamma-Format (HLG). Videos mit dem HDR-Standard HLG sind abwärtskompatibel zu SDR-Displays.
4K-Video im Vergleich zum iPhone 11 Pro Max
Das folgende Video ist mit der Standard-App im Videomodus mit der Einstellung 4K samt HDR und somit 24 FPS aufgenommen worden und muss sich am iPhone 11 Pro Max im 4K-Videomodus mit 30 FPS messen. Das iPhone unterstützt kein HDR, sondern lediglich einen erweiterten SDR-Dynamikumfang. Die Tonaufnahme erfolgt in Stereo, wie vor allem bei 0:42 die Taube verdeutlicht. Aber auch Gespräche und Geräusche von Spaziergängern sind klar aus verschiedenen Richtungen zu orten.
Im Direktvergleich mit dem iPhone 11 Pro Max fällt Sonys helleres Bild auf, das definitiv mehr Details aus Schatten holt. Die Videoaufnahme wirkt auf einem SDR-Monitor betrachtet aber etwas zu hell, sodass Details am Himmel verloren gehen und das Bild mangels Schatten flach wirkt und an Plastizität verliert. Auch den Farben mangelt es im Direktvergleich zu Apple an Sättigung. Sonys sehr guter Autofokus arbeitet im Videomodus merklich langsamer und auch langsamer als der von Apple. Beim schnellen Wechsel vom Rettungsring zum Hintergrund agiert das iPhone spürbar schneller, wenngleich der Autofokus des Xperia 1 II noch im akzeptablen Rahmen liegt. Hinsichtlich Bildschärfe und Details gibt es am Sony-Smartphone aber kaum Kritik zu äußern.
Obwohl bei Sony der optische Bildstabilisator (OIS) und die Videostabilisierung in 4K aktiv sind, bleibt die Stabilisierung von Videoaufnahmen die Paradedisziplin von Apple. Das Video ist durch die Bank deutlich ruhiger und beinahe frei von Wacklern, ohne dabei einen künstlichen Look zu erhalten, die manche digitalen Stabilisatoren zur Folge haben. Die iPhone-Aufnahme weist ohne HDR zwar einen geringeren Dynamikumfang auf, doch Details in hellen Bildbereichen bleiben besser als bei Sony erhalten und Schatten werden nicht künstlich aufgehellt. Für Videoaufnahmen mit dem Smartphone bleibt Apple auch ohne HDR-Unterstützung in den meisten Situationen die beste Wahl.
Cinema-Pro-App mit Optionsvielfalt
Zugunsten von Sony wendet sich das Blatt allerdings, wenn der Anwender hinsichtlich der verfügbaren Einstellungen für Videoaufnahmen mehr Anforderungen an ein Smartphone stellt. In der Cinema-Pro-App sollen Nutzer ein (eingeschränktes) Erlebnis dessen erhalten, das professionellen Anwendern mit einer CineAlta-Kamera für mehrere zehntausend Euro geboten wird. Während die Photo-Pro-App schon eher für einen kleinen Teil der Kundschaft nützlich sein dürfte, richtet sich die Cinema-Pro-App an die Marktnische in der Marktnische. Das zeigt sich auch daran, dass diese App, anders als die Photo-Pro-App, nicht aus der Kamera-App heraus gestartet werden kann. Das ist selbst dann nicht möglich, wenn zuerst in den Videomodus gewechselt wird.
Die Cinema-Pro-App ermöglicht das Filmen mit vollständig manuellen Einstellungen. Was bei Fotoaufnahmen bereits eine gewisse Erfahrung voraussetzt, führt bei Bewegtbildern zu weiteren Komplikationen, die es zu meistern gilt, da sich zum Beispiel Lichtbedingungen und Abstand zum fokussierten Objekt stets verändern.
4K geht doch mit 60 FPS und HDR
Erst in der Cinema-Pro-App erlaubt das Xperia 1 II 4K-Aufnahmen mit bis zu 60 FPS (59,94 FPS) samt HDR (HLG). Die Aufnahmen erfolgen stets im kinogerechten 21:9-Format in 2K- (2.520 × 1.080) oder 4K-Auflösung (3.840 × 1.644) und mit wahlweise 23,98 FPS, 25 FPS, 29,97 FPS oder 59,94 FPS. Daneben stehen acht Bildstile der CineAlta-Kameras zur Auswahl, darunter einer, der dem Flaggschiff Venice entsprechen soll. Das Filmen ist aber auch ganz ohne diese Filter möglich. Die freie ISO-Wahl liegt bei 64 bis 800 und auch der Verschluss lässt sich manuell steuern. Für den Weißabgleich liegen mehrere Profile für unterschiedliche Leuchtmittel und Wetterkonditionen vor, außerdem kann der Weißabgleich mit mehreren Schiebereglern vor einer Aufnahme vollständig benutzerdefiniert vorgenommen werden.
Fokusverlagerung mit zwei Markern
Eine Besonderheit der Cinema-Pro-App sind die Optionen für den manuellen Fokus. Dort lassen sich mit „A“ und „B“ zwei verschiedene Fokusmarker setzen, zwischen denen während der Filmaufnahme mit einer zwischen 3 Sekunden und 0,1 Sekunden langen Fokusverlagerung gewechselt werden kann. Während alle anderen manuellen Parameter vor einer Aufnahme festgelegt werden müssen, bleibt der Zugriff auf den manuellen Fokus stets rechts vom Live-Sucher erhalten. Über einen vertikalen Schieberegler lässt sich stufenlos zwischen dem Nahbereich und Unendlich wählen, außerdem gibt es Schaltflächen für die zwei zuvor festgelegten Fokusmarker. Letztere können in der Vorbereitung des Filmdrehs praktischerweise mittels „Touch to Focus“ auf dem Display für bestimmte Entfernungen festgelegt werden.
Das obere Video ist mit der Cinema-Pro-App im Profil „Venice“ in 4K24 HDR aufgenommen worden und soll den Wechsel zwischen zwei Fokusmarkern mit einer Fokusverlagerung von 1 Sekunde verdeutlichen. Die Option ist äußerst hilfreich, um eine sanfte Fokusverlagerung mit weichem Übergang ohne Autofokus zu realisieren.
Ein mächtiges Kamerasystem
Das Fazit zum Kamerasystem des Xperia 1 II fällt insofern positiv aus, als dass ein solch umfangreiches Gesamtpaket mit solch mächtigen und tiefgehenden Optionen bei keinem anderen Smartphone-Hersteller selbst unter Berücksichtigung der häufig anzutreffenden Pro-Modi innerhalb der Standard-Apps anzutreffen ist. Was Sony mit der Photo- und Cinema-Pro-App auf die Beine gestellt hat, sucht ab Werk seinesgleichen und wird ansonsten höchstens über Drittanbieter-Apps angeboten. Mit der Standard-App für schnelle Schnappschüsse und Videos liefert Sony ebenfalls gute Resultate ab, wobei der Videomodus nicht mit dem Fotomodus mithält und Apple bessere Resultate zutage fördert. Die Fotos aller drei Kameras können sich aber sehen lassen. Für das manuelle Fotografieren fehlt jedoch definitiv der per Update geplante RAW-Modus, damit Fotografen mit professionellen Ambitionen beim Entwickeln am PC mehr aus den Aufnahmen holen können.