Intel Core i9-10850K im Test: Leistung des 10900K minus 100 MHz für 130 Euro weniger
tl;dr: Überraschend hat Intel den Core i9-10850K direkt unterhalb des teuren Flaggschiffs 10900K platziert. Er sollte eigentlich nicht an die große Glocke gehängt werden, ist er bei deutlich geringerem Handelspreis doch quasi gleich schnell. Die Ausbeute des 10900K mit bis zu 5,3 GHz dürfte Intel aber zum 10850K getrieben haben.
Überraschend hat Intel nur wenige Wochen nach dem Start von Comet Lake-S mit dem Flaggschiff Intel Core i9-10900K (Test) einen Core i9-10850K in den Handel gebracht. Der sieht nicht nur auf dem Papier fast wie das Topmodell aus, er unterscheidet sich auch in der Praxis kaum und kostet deutlich weniger. Offiziell nennt Intel Wünsche der Kunden nach einer weiteren CPU an der Leistungsspitze als Motivation hinter der Entscheidung. Ein anderer Hintergrund dürfte aber wahrscheinlicher sein.
Intel Core i9-10850K vs. i9-10900K
Zweifelsfrei ist der neue Intel Core i9-10850K ein Konkurrent im eigenen Hause für das Flaggschiff Core i9-10900K, denn 100 MHz Taktunterschied bei Taktraten von 5.000 MHz sind schon auf dem Papier vernachlässigbar. Der vermeintlich kleinere K-Prozessor übernimmt auch alle weiteren Parameter des großen Bruders: 125 Watt TDP mit der maximalen Obergrenze von 250 Watt PL2 für maximal 56 Sekunden. Wie bereits im Artikel zum Start von Comet Lake-S betrachtet, liegt der Wert je nach Mainboard oft die komplette Zeit an. Das hat sich nicht geändert.
100 MHz Taktunterschied sind es in jeder Lebenslage, vom Basistakt über den Turbo 2.0 und Turbo 3.0 bis hin zur Nutzung von „Thermal Velocity Boost“. Die lässt sich Intel laut Liste mit 35 US-Dollar Aufpreis für den Core i9-10900K vergüten, doch die Realität spricht aufgrund der mangelhaften Verfügbarkeit des Flaggschiffs eine andere Sprache. Zwischen lieferbaren CPUs liegen dort aktuell eher 130 bis weit über 200 Euro.
Warum jetzt ein Intel Core i9-10850K?
Die Frage nach dem Wie und Warum lässt sich derzeit nicht zweifelsfrei beantworten, der Hersteller sagt nur, dass der Markt eine solche CPU gefordert habe. Dort wird zweifelsfrei mit hineinspielen, dass AMD sehr stark in der Preisregion vertreten ist. Ein günstigerer Top-Prozessor musste deshalb verfügbar werden, um auch die Partner bei der Stange zu halten.
Doch das dürfte nicht alles sein. Den glaubwürdigsten Vermutungen zufolge ist das Modell auch deshalb erschienen, weil die Yield-Rate bei 14 nm für 5,3 GHz Spitzentakt schlecht ist und zu wenige CPUs als Flaggschiff Core i9-10900K gebinnt werden können. Selbst eine kleine Stufe darunter kann einen großen Unterschied machen, denn um die 5-GHz-Marke kennt sich Intel eigentlich aus. Offiziell wollte der Konzern dies jedoch nicht kommentieren.
Das Problem ist auch, dass der 10-Kern-Die mit seinen 3,95 Milliarden Transistoren auf 202 mm² Fläche so groß ist wie seit langer Zeit kein Mainstream-Prozessor von Intel mehr. Intels Stärke war jahrelang, kleine Dies für den Massenmarkt zu produzieren, davon lassen sich sehr viele pro Wafer abziehen. Doch mit einer Auslastung der Fabriken am Limit mit dazu größeren Dies und dem fehlenden Schritt in der Fertigungsstufe hat man eine nicht gesunde Mischung für die Ausbeute, Menge und letztlich Verfügbarkeit.
Lieferprobleme: In namhaften Shops bestellen
Die Lieferbarkeit der Topmodelle ist auch Wochen nach dem Start damit noch zweifelsohne schlecht, doch das ist bei CPU-Herstellern in den letzten Jahren nichts Neues. Oft vergehen dort Wochen oder gar Monate, bis sich dies normalisiert hat. Intel konnte bereits beim Core i7-8700K und Core i9-9900K ein Lied davon singen, AMD wird ebenfalls nicht gern an die Lieferprobleme des Ryzen 9 3900X erinnert. Mondpreise und lange Wartezeiten mit teils verärgerten Kunden waren die Folge.
Wobei der Status im Handel nicht zwangsläufig die Realität widerspiegelt. Denn selbst wenn ein namhafter Shop die CPUs als nicht lieferbar zeigt, bekommt der Händler stets weitere Lieferungen herein, arbeitet aber die Bestellungen ab, ohne den Status in seinem System zu ändern. Daher wird das in Preisvergleichen auch nicht sichtbar. Wie bei vorangegangenen CPU-Starts lautet deshalb die Empfehlung, auf gut Glück bei einem großen Shop die gewünschte CPU zu bestellen, manchmal ist diese dann bereits nach wenigen Tagen da. So hatten die Shops von Caseking.de und Mindfactory am Donnerstag wieder Tray-Versionen des 10900K als lagernd gelistet – für stattliche 580 Euro. Der neue Core i9-10850K war zum Zeitpunkt des Tests bei mehreren Händlern als Tray-Version für 445 Euro ab Lager lieferbar und zeigte damit eine Preisdifferenz von mindestens 130 Euro auf. Wie immer ist das aber nur die Momentaufnahme.
Den Core i9-10850K gibt es auch als Boxed-CPU und eine Special Edition soll hierzulande ebenfalls veröffentlicht werden, wie Intel auf Nachfrage von ComputerBase bestätigte. Die Marvel-Avengers-CPUs sind in Asien bereits verfügbar. Einziger Unterschied: Das Design der Verpackung, das Spiel oder ein Key für das Spiel liegt nicht bei.
Benchmarks in Anwendungen und Spielen sowie Leistungsaufnahme
Für den Test wurde auf ein abgespecktes Testumfeld auf dem bekannten Testsystem zurückgegriffen, denn der Unterschied zum Core i9-10900K stand im Fokus der Betrachtungen. Das Mainboard mit BIOS war exakt identisch, der Anwendungsparcours auch.
Anwendungstests sehen kaum einen Unterschied
Dass sich 100 MHz Taktunterschied in Regionen von über 5,0 GHz kaum bemerkbar machen, wird von den Tests untermauert. Oft ist es kaum ein Wimpernschlag, der zwischen beiden Modellen liegt. Aufgerundet ist es am Ende ein mageres Prozent, das den 10900K vor dem Neuling rangieren lässt.
- Performancerating für Anwendungen (Multi-Core)
- Performancerating für Anwendungen (Single-Core)
- 7-Zip
- Agisoft PhotoScan Pro
- Blender Benchmark
- Cinebench R15 – Multi
- Cinebench R15 – Single
- Cinebench R20 – Multi
- Cinebench R20 – Single
- Corona 1.3 Benchmark
- DigiCortex Simulation
- HandBrake
- POV-Ray – Multi
- POV-Ray – Single
Preislich am nächsten liegt AMDs Ryzen 9 3900XT, der lieferbar 460 Euro kostet. In Multi-Core-Szenarien liegt er dank zwei zusätzlicher Kerne rund 12 Prozent vorn, im Single-Core-Betrieb sind Intels Modelle einige Prozent flotter. Der 3900XT ist in dem Bereich letztlich aber auch nicht die Empfehlung, hier gilt das Gleiche wie nun bei Intel: Einfach zum kleineren Modell greifen, in dem Fall zum Ryzen 9 3900X für 390 Euro, und bares Geld für nahezu gleiche Leistung sparen.
In Spielen sind die CPUs Zwillinge
In Spielen traf das Testmodell direkt in den Vorbereitungen und ersten Analysen zum neuen Testparcours der Titel in CPU-Tests ein. Da jedoch hier ebenfalls bekannt ist, dass der Core i9-10900K im Durchschnitt der aktuell beste Gaming-Prozessor ist, sollte der neue Core i9-10850K auch hier primär darlegen, wie nahe er doch herankommt. Drei Spiele in voller Detailstufe bei Full-HD-Auflösung mit neuestem GeForce-Treiber 452.06 für die RTX 2080 Ti zeigen, dass er nicht nur sehr nahe heranreicht, sondern quasi die gleiche Leistung bietet.
Noch immer extremer Energiehunger
Die Comet-Lake-S-Prozessoren können unter Umständen extrem viel Energie aufnehmen, daran ändert sich auch mit 100 MHz weniger Takt kaum etwas. Aber immerhin ist es sichtbar: Rund 5 Prozent sind es bei voller Last. Damit ist der kleinere Prozessor unterm Strich effizienter unterwegs und offenbart gleichzeitig, wie sehr der 10900K doch auf Kante genäht ist.
Fazit und Empfehlung
Rein vom ökonomischen Standpunkt ist die Sache glasklar: Wer zehn Kerne mit freiem Multiplikator von Intel will, greift zum Intel Core i9-10850K. Die Unterschiede in der Leistung zum Core i9-10900K sind kaum mehr als ein Hintergrundrauschen, am Ende steht für quasi die gleiche Leistung ein deutlich geringerer Preis von aktuell 445 Euro – mindestens 130 Euro weniger im aktuellen Preisvergleich von ab Lager lieferbaren CPUs.
Vor allem für Spiele hat Intel hier nun letztlich mehrere Nummer-1-CPUs im Angebot, während sich mit dem Blick auf Anwendungsleistung das Bild nicht groß verschiebt. Für unter 400 Euro ist AMD mit dem 12-Kern-Prozessor Ryzen 9 3900X bei Mehr-Kern-Anwendungen konkurrenzlos aufgestellt. Vermischt sich das Bild mit Single-Core-Nutzung, steht der 10850K gar nicht schlecht dar. Wäre da nur nicht die Energieaufnahme, denn sie ist wie beim Flaggschiff 10900K extrem hoch.
Der voraussichtlich besser verfügbare Core i9-10850K macht den Core i9-10900K quasi zum Spezialmodell, wie es der 9900KS in der letzten Generation war. Zu nahe am Limit aufgestellt, wird es diesen zwar immer wieder in kleiner Dosierung zu hohen Preisen im Handel geben. Sinnvoll ist er allerdings nur für Rekordjäger und diejenigen, die ohnehin immer das Beste haben wollen und sich selbst mit knapp dahinter positionierten Produkt nicht abfinden. Alle anderen greifen jedoch zur Nummer 2, die gleich schnell, deutlich günstiger und etwas effizienter ist.
ComputerBase wurde der Core i9-10850K leihweise von Intel zum Testen zur Verfügung gestellt. Eine Einflussnahme des Herstellers auf den Testbericht fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand nicht. Es gab kein NDA.
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