MO360: Daimler treibt die vernetzte Produktion auch über 5G voran
Der Prozess der Digitalisierung und Vernetzung von Produktionsprozessen und ganzen Werken geht bei Mercedes-Benz mit MO360 den nächsten Schritt. „Mercedes-Benz Cars Operations 360“ soll die Fahrzeugproduktion transparenter und Echtzeitdaten in einer Reihe neuer Applikationen für die Mitarbeiter sichtbar machen – auch dank 5G.
Die Industrie 4.0 ist digital und vernetzt
Industrie 4.0 ist ein häufig verwendetes Schlagwort, wenn es darum geht, die Digitalisierung der industriellen Produktion zu beschreiben. Das geht auch ohne Mobilfunk, doch der 5G-Mobilfunkstandard wurde maßgeblich dafür entwickelt, weit mehr als nur mobile Endgeräte per Funk miteinander zu verbinden und so auch die Industrie 4.0 zu beflügeln. Erstmals können Unternehmen auch eigene Lokale Netze ohne Rückgriff auf große Mobilfunkbetreiber aufspannen. In Deutschland wurden von der Bundesnetzagentur zu diesem Zweck 100 MHz im Frequenzbereich von 3,7 bis 3,8 GHz bei der 5G-Frequenzversteigerung außen vor gelassen.
Die erste industrielle lokale Umsetzung in Deutschland wurde Ende 2019 von Siemens und Qualcomm in einem Showroom in Nürnberg realisiert.
Was Digitalisierung der Industrie im größeren Stil konkret bedeuten kann, zeigt sich bei MO360, das der Autobauer Mercedes-Benz sukzessive in seine Produktion integriert. Die Weichen dafür wurden bereits 2016 gestellt, als die Produktion mit einheitlichen Robotern und einheitlicher Steuerungssoftware neu organisiert wurde.
„Mercedes-Benz Cars Operations 360“ bezeichnet Mercedes-Benz als Ökosystem einer Familie von Software-Applikationen, die ihre Informationen aus Echtzeitdaten der weltweiten Fahrzeugproduktion erhalten, die mehr als 30 Standorte umfasst. Erfasst werden diese Daten schon zu Beginn der Produktion, wenn zum Beispiel ein Roboter im Presswerk Stahl- und Aluminiumbleche aufgreift.
Mercedes-Benz will so die auf Kennzahlen basierende Produktionssteuerung optimieren und Mitarbeitern bedarfsgerechte Informationen und Arbeitsanweisungen etwa für die Qualitätssicherung über die Software „Quality Live“ auf einem mobilen Endgerät wie Smartphone oder Handheld bereitstellen. Damit das funktioniert, muss weltweit dieselbe Steuerungssoftware „Integra“ für alle Elemente der Produktion zum Einsatz kommen. Die Verarbeitung der Daten findet mehrstufig statt. Zum einen wird auf dezentrales Edge Computing einzelner Werke, zum anderen auf eigene Rechenzentren für die globale Vernetzung gesetzt.
Factory 56 ist mit 5G ausgerüstet
In Sindelfingen soll im September mit der „Factory 56“ die bisher modernste Fabrik ihre Produktion aufnehmen. Dort will Mercedes-Benz etwa die Produktion der neuen S-Klasse starten. Die Vernetzung geht hier mit einem eigenen 5G-Campus-Netz, das mit Ericsson und O2 aufgebaut wurde, noch einen Schritt weiter. In Teilen der Halle soll das schnelle 5G-Mobilfunknetz Prozesse, Maschinen, Anlagen und Geräte miteinander vernetzen. Über MO360 soll auch eine zentimetergenaue Ortung aller Fahrzeuge in den Werkhallen in Echtzeit durchgeführt werden, so dass jede Applikation zu jedem Zeitpunkt weiß, wo genau sich welches Fahrzeug befindet. Ein klassisches, unflexibles Montageband gibt es nicht mehr. Die Factory 56 ist zudem als papierlose Fabrik ausgelegt, da alle Beschäftigten komplett digital arbeiten sollen. MO360 hat nicht nur eine prozessoptimierte, sondern auch eine nachhaltige Produktion zum Ziel.
Ein weiteres konkretes Beispiel für den Einsatz von MO360 ist das digitale Shopfloor-Management über die eigene Software „SFMdigital“. Darüber lässt sich der Live-Status der Produktion mit Zugriff auf produktions- und steuerungsrelevante Kennzahlen einsehen, sodass schneller auf aktuelle Produktionsgeschehen reagiert werden kann. Wichtige Kennzahlen sind etwa die „Geradeauslaufquote“ (alle Fahrzeuge ohne Nacharbeit), die Produktionsziele pro Schicht oder der Umlaufbestand, der anzeigt, wie viele Fahrzeuge sich im Soll-Ist-Vergleich befinden. Auf Abweichungen von der Norm soll sofort und noch in der Produktionslinie reagiert werden können.
Teile der Software sollen Open Source werden
Die neue Software soll nach dem DevOps-Prinzip entwickelt und betrieben werden. Entwickelte Schnittstellen (APIs) seien wiederverwendbar für verschiedene Bereiche der Produktion. In Teilbereichen soll Free and Open Source Software (FOSS) entwickelt werden. Im dritten Quartal 2020 will Mercedes-Benz zum Beispiel das MO360-Frontend-Toolkit auf GitHub veröffentlichen. Mercedes-Benz schließt zudem nicht aus, gewisse Bestandteile von MO360 interessierten Partnern zur Verfügung zu stellen.
ComputerBase hat Informationen zu diesem Artikel von Mercedes-Benz unter NDA erhalten. Die einzige Vorgabe war der frühest mögliche Veröffentlichungszeitpunkt.