Apple App Store: Neue Richtlinien pro Game-Streaming, contra Kartellamt
In einer Zeit von viel Kritik für die eigenen Regeln und Regelauslegungen hat Apple seine App-Store-Richtlinien überarbeitet. Zu den größten Änderungen zählt die explizite Zulassung von Anwendungen für Spiele-Streaming, die jedoch an einige Bedingungen geknüpft sind, die dem Kern der Idee widersprechen.
Bisher hatten es Dienste für Spiele-Streaming schwer, in den App Store – und damit auf einzigem offiziellen Wege auf iPhone und iPad – zu kommen. Nvidia GeForce Now oder Google Stadia sind nicht verfügbar, und Microsoft konnte für die weiteren Tests von xCloud nicht mehr auf iOS zurückgreifen. Apple begründete dies zuletzt damit, dass die Spiele nicht einzeln via App Store verfügbar wären und somit nicht überprüft, getestet und bewertet werden könnten.
Jedes Streaming-Spiel muss eine eigene App sein
Nun hat Apple in einer Aktualisierung der Richtlinien mit dem Punkt 4.9 „Streaming games“ explizit aufgenommen, fordert aber weiterhin die oben genannten Aspekte ein. Eine übergeordnete App als Bibliothek („Hub“) wäre möglich, gleichzeitig muss aber jedes zum Streaming angebotene Spiel einen eigenen Eintrag im App Store haben. Das soll ermöglichen, dass jeder Titel einzeln gesucht, bewertet und über Parental-Control-Funktionen gesteuert werden kann. Alle Käufe in der „Hub“-App sowie in Spielen müssen über Apples Bezahlsystem abgewickelt werden, was eine 30-prozentige Beteiligung am Umsatz für Apple bedeutet.
Im Falle von Microsoft xCloud, dem die Spielebibliothek des Game Pass Ultimate zugrunde liegt, würde dies in über 100 einzelnen Apps resultieren, die User manuell installieren müssten. Scheidet eine App aus dem Game Pass Ultimate und somit vom Streaming aus, wird die App effektiv nutzlos.
Gegenüber CNBC kritisierte Microsoft die von den Richtlinien erschaffene Benutzererfahrung:
This remains a bad experience for customers. Gamers want to jump directly into a game from their curated catalog within one app just like they do with movies or songs, and not be forced to download over 100 apps to play individual games from the cloud. We’re committed to putting gamers at the center of everything we do, and providing a great experience is core to that mission.
Was auf den ersten Blick wie eine Öffnung Apples gegenüber entsprechenden Diensten wirkt, erscheint bei genauerer Betrachtung damit eher wie eine theoretische Möglichkeit, die aufgrund der weiteren Bedingungen eine nutzerfreundliche Umsetzung einschränkt. Kritiker werfen Apple vor, mit solchen Regelungen das eigene Spiele-Abo Apple Arcade zu bevorzugen. Dabei handelt es sich nicht um einen Cloud-Dienst, sondern um eine von Apple kuratierte Auswahl an Spielen zur Installation; beide Anwendungsfälle behandeln aber ein (meist) kostenpflichtiges Abo-Modell für Spiele.
Kein Zwang zu In-App-Käufen für Bezahldienste mehr
Weitere Änderungen betreffen auch die Lockerungen von In-App-Käufen für kostenfreie „Stand-Alone-Apps“ von kostenpflichtigen Diensten. Im Falle von „Reader“-Apps – zu denen unter anderem auch Netflix gehört – soll es etwa nun möglich sein, dass Nutzer sich für die kostenfreien Varianten registrieren können. Ebenfalls ist es diesen Apps nun gestattet, ein Account Management für bestehende Nutzer einzupflegen.
Kostenfreie Ergänzungen zu zahlungspflichtigen Diensten wie VoIP, E-Mail-Anbietern oder Cloud-Speicher müssen nun nicht mehr In-App-Käufe anbieten, sofern es allgemein keine Kaufoptionen innerhalb der App und keinen Hinweis auf Käufe außerhalb der App, etwa über den Browser, gibt. Im Juni kam es an dieser Stelle zu einer Auseinandersetzung zwischen dem vor allem in den USA bekannten Entwickler Basecamp und Apple. Basecamps eigenständiger E-Mail-Dienst „Hey“ ist kostenpflichtig, die zugehörige App für iOS erschien kostenfrei im App Store. Einen In-App-Kauf für das Abo hat Basecamp in der App nicht angeboten, lediglich der Login für bestehende Nutzer war möglich.
Der Streit um „Hey“ und In-App-Käufe zieht Kreise
Wenig später blockierte das App Store Review Board weitere Updates der App, da die App nach dem Download „nicht funktioniere“ – es sei denn, man sei bereits Abonnent. Apple forderte Basecamp auf, die entsprechenden Dienste auch als In-App-Kauf anzubieten oder die App als klassischen E-Mail-Client in kostenfreier Form auch für andere E-Mail-Anbieter zu öffnen. Basecamp reagierte, indem die App dem Nutzer nach dem Download kostenfreie eine zufällig generierte E-Mail-Adresse erzeugte, die nach 14 Tagen auslief. In-App-Käufe hat der Anbieter nicht hinzugefügt, allerdings dafür gesorgt, dass die immerhin eine Funktion nach dem Herunterladen bereitstelle. Diese Version hat Apple kurz vor seiner Entwicklerkonferenz Ende Juni zugelassen.
Zunehmende Kritik von Entwicklern und Wettbewerbsaufsichten
Die Auseinandersetzung mit Basecamp ist nur eines von vielen Beispielen, die vor allem in den letzten Wochen und Monaten an Fahrt aufgenommen haben. Das derzeit weitreichendste Beispiel ist der Rechtsstreit zwischen Apple und Epic Games im Zuge des provozierten Rauswurfs von Fortnite aus dem App Store. Zwischenzeitlich stand Apple auch in der Kritik, die vollkommen kostenfreie Anwendung des bekannten Content Management Systems WordPress dazu zu nötigen, In-App-Käufe anzubieten, wovon Apple allerdings mit einer Entschuldigung wenig später zurückgerudert ist.
Mitte letzten Jahres reichte Spotify eine Beschwerde über Apple bei der EU-Kommission ein, woraufhin diese ein Kartellverfahren gegen Apple vorbereitete. Die Kritikpunkte von Spotify decken sich mit den meisten aller anderen Anbieter – und mittlerweile auch Wettbewerbshütern: Apples strikte Forcierung von In-App-Käufen bei kostenpflichtigen Diensten, von denen Apple 30 Prozent Provision erhält. Bei Abonnements anstelle von Einmalkäufen gelten diese 30 Prozent im ersten Jahr, ab dem zweiten Jahr sinkt die Provision auf 15 Prozent. Die Provision bezieht Apple explizit auf den Kauf digitaler Güter über die im App Store angebotenen Apps, nicht auf Käufe von physischer Ware, etwa über eBay. Aus diesem Grund verzichtet auch Amazon auf den Verkauf von Kindle-eBooks über seine iOS-Anwendungen.
EU-Kommission, US-Kongress und Russland ermitteln
Neben der EU-Kommission untersuchen auch Russlands Kartellamt und der US-Kongress die Geschäftspraktiken von Apple, im letztgenannte Fall zusammen mit denen von Amazon, Google und Facebook. Bezüglich Apple drehen sich die Untersuchungen insbesondere um die hohe prozentuale Beteiligung, die Abhängigkeit der Entwickler von Apples Zulassungen im App Store sowie den Verdacht auf Machtmissbrauch, um die eigenen Diensten bevorzugt anzubieten und damit Konkurrenten wie etwa Spotifiy (versus Apple Music) zu schwächen.
Ein weiterer Kritikpunkt betraf in dieser Hinsicht auch das lang aufrechterhaltene Verbot für Apps, über Push-Benachrichtigungen Werbung auszuspielen. während Apple dies zum Beispiel für Apple Music oder Apple TV+ nutzte. In einigen Fällen sogar ohne, dass Benutzer der Benachrichtigung zustimmen. Aus dem App Store geladene Apps können erst nach Opt-In der Anwender Benachrichtigungen senden. Die Erlaubnis solcher Benachrichtigungen führte Apple für andere Drittanbieter erst nach einer vorangehenden Richtlinienanpassung im März dieses Jahres ein.
Apple kommt Kritik nicht selbstlos entgegen
Dass viele der von Apple vorgebrachten Änderungen an den Richtlinien aus Zufall in den letzten Wochen und Monaten folgen, erscheint in Anbetracht der derzeitigen Untersuchungen gegen das Unternehmen aus Cupertino unwahrscheinlich. Kritische Stimmen sehen darin eher die Motivation, sich für die Außendarstellung weiter zu öffnen – wenn auch im Falle von Spiele-Streaming eher theoretischer Natur –, um weiteren Sanktionen durch Kartellbehörden zu entgehen.
Denn zuletzt war nicht nur der App Store Behörden weltweit ein Dorn im Auge. In Frankreich wurde Apple zu 1,1 Milliarden Euro Strafe wegen Absprachen mit Großhändlern verurteilt. In Südkorea wurden ähnlichen Vorwürfe laut, woraufhin Apple ein 84 Millionen US-Dollar schweres Hilfsprogramm für kleinere Unternehmen startete.