Mobile Leistung: Tiger Lake liegt in Intels Benchmarks klar vorne
Zum finalen offiziellen Tiger-Lake-Start brachte Intel viele Leistungswerte und eigene Benchmarks mit, die das neue Produkt im Vergleich zum Vorgänger, aber auch zum Mitbewerber AMD zeigen. Intel verspricht zum Teil deutliche Vorteile. ComputerBase wirft einen kritischen Blick auf das Präsentierte und ordnet es ein.
Vorsicht: Benchmarks vom Hersteller
Aussagen von Herstellern und selbst der Presse bereitgestellte Muster sind stets zu hinterfragen. Ziel jedes Herstellers ist die bestmögliche Präsentation des eigenen Produktes und solange dafür keine unlauteren Vergleiche oder Methoden herangezogen werden, ist das grundsätzlich auch legitim. Blind vertrauen sollte man solchen Werten aber auch dann nicht, denn oft stellen sie nur eine Teilmenge mit den positivsten Ergebnissen dar.
Intel wählte im aktuellen Fall so selbstverständlich die bestmögliche Konfiguration mit schnellstem Prozessor Intel Core i7-1185G7 mit einer TDP von 28 Watt und einem maximalen PL2 von 50 Watt, schnellstem LPDDR4X-4267-Speicher und einer flotten Optane-SSD. Auf mehreren Webseiten legt der Hersteller in diesem Fall die Konfigurationen dar.
Für den Vergleich mit dem Wettbewerber AMD nutzte Intel chinesische Lenovo-Notebooks vom Typ Xiaoxin Pro 13, die mit einem Ryzen 7 4800U, 16 GByte Dual-Channel-DDR4-3200 und einer PCIe-3.0-x4-SSD bestückt waren. Der Ryzen 7 4800U ist AMDs aktuelles Renoir-Topmodell in der U-Serie. Auf Nachfrage gab Intel an, dass die CPU in dem Notebook im Maximum bis zu 37 Watt Leistung über einen Testzeitraum von 20 Minuten bereitstellen kann – das erinnert an das Verhalten des Prozessors in einer 25-Watt-TDP-Konfiguration im Lenovo IdeaPad Slim 7, das ComputerBase derzeit vorliegt. Das ist wiederum ein „Golden Sample“ von AMD, denn Lenovo verkauft das IdeaPad Slim 7 und das in Europa baugleiche Yoga Slim 7 maximal nur mit dem Ryzen 7 4700U, der weniger Takt und kein SMT bietet. Den Ryzen 7 4800U gibt es in Deutschland aktuell nur im IdeaPad 5 (15) zu kaufen.
Wie es um den Intel Core i7-1185G7 stehen wird, bleibt allerdings auch noch abzuwarten. Bei Ice Lake erschien das Topmodell Intel Core i7-1068G7 letztendlich nie – bzw. als Intel Core i7-1068NG7 mit einem halben Jahr Versatz nur für Apple.
Bei den Benchmarks setzt Intel weiterhin einen Fokus auf Sysmark, in dem der Hersteller traditionell sehr stark aufgestellt ist. AMDs Vorzeige-Test Cinebench findet in den „Real World Benchmarks“ nicht einmal mehr Erwähnung. Kunden kommen im Alltag mit beiden Anwendungen nicht in Berührung. Die Wahl der Benchmarks für den Vergleich mit AMD ist deshalb mit besonderer Vorsicht zu genießen. Geeigneter ist sie für den Vergleich im eigenen Haus, den Intel an einigen Stellen zieht, wobei auch dort Rosinen herausgesucht werden.
Die Leistung steigt vor allem in Spielen
Zweifelsfrei steht fest, dass Tiger Lake eine höhere Leistung bietet als sein Vorgänger Ice Lake. Und da auch dieser bereits in einigen Szenarien sehr gut aufgestellt war, wird es für Tiger Lake kein Problem sein, vom Vorgänger die Führung zu übernehmen. Den größten Sprung gibt es in Spielen und weil AMD mit der Renoir-Generation keinen großen Fortschritt gemacht hat, könnte Tiger Lake auch diesen Vergleich gewinnen. Intel sieht in eigenen Tests im Schnitt sogar 50 Prozent Mehrleistung.
Interessant sind die Aussagen von Intel auch in Richtung der diskreten Lösungen von Nvidia. Hier durfte Tom Peterson, ehemals hochrangiger Nvidia-Angestellter, zeigen, dass die Leistung der neuen Xe-Grafik im Durchschnitt einer Nvidia GeForce MX350 entspricht. Auch das dürfte im Großen und Ganzen zutreffen, nicht umsonst hat Nvidia vor wenigen Tagen eine GeForce MX450 mit GDDR6 und PCIe 4.0 vorgestellt, die mit Turing statt Pascal das erste Mal seit drei Generationen deutlich schneller werden dürfte als der Vorgänger.
Intel spielt die Nutzung einer diskreten GPU bei der neuen Generation jedoch generell herunter und sagt, dass die meisten OEMs auf sie verzichten werden, da die iGPU-Grafikleistung ausreicht. Doch das hat Intel auch in den letzten Generationen behauptet und Notebooks mit U-Prozessor und diskreter GPU gab es dennoch immer wieder. Manchmal als Leistungs-, oft aber aus Marketing-Gründen – GeForce verkauft sich auch als MX. Erste Tiger-Lake-Notebooks mit GeForce MX sind bereits angekündigt.
Im hausinternen Generationenvergleich sieht Intel die neue Xe-Grafik erneut sehr stark. Die Mischung aus 50 Prozent mehr EUs, deutlich mehr Takt für die GPU, aber noch viel mehr für die CPU bringt zusammen mit der angepassten Architektur einen Vorsprung um den Faktor 2.
Intel betont dabei, dass die Intel-Xe-Grafiklösung ihre hohe Leistung nur ausspielen kann, wenn Dual-Channel-Speicher zum Einsatz kommt – Speicherbandbreite ist nicht nur für iGPUs des Konkurrenten wichtig. Für Evo-Notebooks ist das deshalb auch zwingende Voraussetzung, bei günstigen Einsteigerlösungen ohne das Label muss der Kunde jedoch genau aufpassen.
In Anwendungen ist der Schritt kleiner
Wechselt der Blick auf Anwendungen, fällt der Leistungssprung nicht so groß aus. Vor allem wenn man im Hinterkopf behält, dass Tiger Lake mit fast 1 GHz höherem Takt als Ice Lake antreten darf, der zwar nicht immer anliegt, aber dennoch auch im Mittel deutlich über dem Vorgänger rangiert. So ist die im Mittel 24 Prozent höhere Leistung als bei Ice Lake zwar gut, aber eben nicht überwältigend – und das in Intels eigener Benchmark-Auswahl. In AMDs Testfeld würde hier vermutlich Ryzen 4000 weiterhin als Sieger vom Platz gehen.
In Spezialfällen sieht Intel noch viel mehr Leistung. DL Boost (AI) gibt es nun auch bei mobilen CPUs, dort kann der Vorsprung schnell auf den Faktor 4 oder 5 ausgebaut werden. Aber auch bei klassischer Video-Bearbeitung, die dank QuickSync in den letzten Jahren schon immer eine Intel-Domain waren, will der Hersteller den Mitbewerber deutlich auf die Plätze verweisen.
Intel will im Akku-Betrieb schneller sein
In Notebook-Tests ein eher selten betrachtetes Szenario ist die Leistung im reinen Akku-Betrieb. Sie kann stark einbrechen, weil der Prozessor in einem viel kleineren Power State gefahren wird, manchmal lässt sich das aber auch manuell aushebeln. Die Umsetzung ist bei jedem Hersteller anders geregelt, Pauschalaussagen sind extrem gefährlich. In diesem Punkt ist deshalb auch Intels Vergleich nur mit äußerster Vorsicht zu genießen.
Der Hersteller zeigte am Abend, dass Tiger Lake mit oder ohne Strom aus der Wand im PCMark 10 im Application-Testlauf (Office 365) nur fünf Prozent an Leistung verliert, AMDs Prozessor soll hingegen um 38 Prozent eingebrochen sein. Das bedeutet allerdings mitnichten, dass sich AMD Ryzen immer so verhält.
Mit dem von AMD bereitgestellten Muster des Lenovo IdeaPad Slim 7 mit Ryzen 7 4800U geht die Leistung im PCMark 10 Application in der Tat deutlich zurück, obwohl in Windows 10 und Lenovo Vantage jeweils die höchste Leistung konfiguriert wurde – ComputerBase hat minus 34 Prozent ermittelt. Wie von Intel gezeigt, liegt das daran, dass die CPU zu jedem Zeitpunkt deutlich weniger Leistung aufnimmt. Das ist aber nicht bei jeder Last der Fall.
Im Blender-Benchmark und damit unter Multi-Core-Last geht die Leistung zwischen dem Betrieb direkt am Netzstecker und nur im Akku-Modus lediglich von 22:07 Minuten auf 23:51 Minuten zurück – also nicht einmal um zehn Prozent. Und im Single-Core-Durchlauf des Cinebench R20 sind es lediglich drei Prozent Verlust. Die von Intel präsentierten Werte zum Ryzen 7 4800U scheinen vor diesem Hintergrund korrekt zu sein, spiegeln aber eben nur einen Teil der Realität wieder.
Abwarten und OEM-Modelle testen
Zusammengefasst lässt sich sagen: Intel verspricht mit Tiger Lake einen deutlichen Leistungssprung, die dafür herangezogenen Benchmarks zeigen aber definitiv nur einen Ausschnitt der Realität. Das komplette Bild müssen umfangreiche unabhängige Tests erarbeiten. Tiger-Lake-Notebooks werden im Oktober zu Preisen ab 600 bis 700 Euro starten und preislich bis hinauf über die 2.000-Euro-Marke klettern. Erst dann kann mit Sicherheit gesagt werden: Das leistet Tiger Lake.