Iron Harvest im Test: Spielkritik und Fazit
3/3Wie gut ist Iron Harvest?
Iron Harvest fällt auf. Statt eines Weltkriegs- oder Sci-Fi-Szenarios lässt die Echtzeitstrategie-Hoffnung Diesel-Mechs über Schlachtfelder einer alternativen Realität wandeln, in der der Erste Weltkrieg etwas anders ausgesehen hat. Das ist spannend, aber trotz aller Vorschusslorbeeren kein Überknaller.
Wie kann man sich das am besten vorstellen? Indem Iron Harvest als eine Art abgespecktes Company of Heroes beschrieben wird, in dem Steampunk-Mechs das Schlachtfeld dominieren. Die Gameplay-Zutaten entstammen der Relic-Blaupause: Ressourcenpunkte spenden Baumaterial und der Basisbau wird auf vier Gebäude, darunter einen Verteidigungsbunker, reduziert. Zeit soll und muss deshalb in das Mikromanagement gesteckt werden. Infanterie nutzt ein Deckungssystem, Mechs haben schwache Rückseiten – es kommt, auch dank des knappen Einheitenlimits, auf den gezielten Einsatz der Truppen und ihrer Fähigkeiten an.
Die sind der unbestrittene Hingucker. Riesige, waffenstarrende Kolosse stapfen hier so behäbig wie unaufhaltsam und bedrohlich über das Schlachtfeld und beeindruckend animiert durch Gebäude auf den Feind zu. Sie sind die interessantere Variante von Relics Panzern, weil sie das Schlachtfeld alleine durch Präsenz dominieren. Nach ersten Kanonaden verdeckt schließlich Pulverdampf das Gefechtsfeld, während Infanterie zwischen den gewaltigen Kolossen völlig untergeht; sie kann in Anbetracht der visualisierten Macht der Maschine, der Technisierung des Krieges nichts mehr ausrichten und übernimmt als primäres Kanonenfutter im Verlauf einer Partie immer öfter unterstützende Aufgaben. Trotz aller Verfremdung: Iron Harvest stellt ganz nebenbei eine Menge Dinge im Raum der Fiktion in ungerührter Korrektheit dar.
Den ersten Matchball vergibt Iron Harvest in der Kampagne. Das großartige Tutorial lässt auf ein Spiel hoffen, das die Verzweiflung und das Leid des Krieges zum Mittelpunkt macht. Diese nachdenkliche Note entfällt aber alsbald, weil eine klare Linie fehlt und damit die Tonalität zu krass schwankt; Cartoon-Schurken und Theatralik des Blockbuster-Kinos passen denkbar schlecht zu den anfangs angerissenen Aspekten. Es ist bisweilen schade um die hübsch animierten Zwischensequenzen, die nach jeder Mission gezeigt werden.
Eine zusammenhängende Geschichte wird trotz der schwankenden Untertöne zustande gebracht, die jedoch eher durch ihre Missionen im Kopf bleibt. Häufig löst sich Iron Harvest im Bewusstsein seiner Möglichkeiten vom simplen Basisbau. Stattdessen wechseln Ziele und Szenarien zwischen großen Schlachten, Schleichen, Flucht und Taktik mit kleinen Trupps. Zwei Aufgaben haken zwar etwas mangels klarer Hinweise über die erwarteten Aktionen, der Ideenreichtum – wenn nicht sogar immer die Umsetzung – bewegt sich am Ende aber auf dem Niveau der Genregrößen. Die Kampagne kann damit rund acht bis zehn Stunden lang unterhalten. Ob auch der Mehrspielermodus langfristig Potential bietet, erscheint dagegen unklar. Im Vergleich mit einem Company of Heroes sind taktische und strategische Optionen nahezu auf dem Niveau eines Dawn of War II und damit schon fast zu sehr vereinfacht, ohne im Gegenzug etwas wirklich Neues zu bieten. Rein spielerisch schneidet der Oldie daher besser ab.
Für Iron Harvest spricht dennoch eine ganze Menge: Es ist frisch, hat Charme und viele gute Ideen. Im Bewusstsein, kein revolutionär neues, sondern eher ein ansprechend verpacktes Spiel zu erwerben, kann man damit schon eine Menge Spaß haben. Freunde des Settings oder Genres können insofern beruhigt zugreifen. Dass Iron Harvest nur ein Startpunkt sein kann, deutet sich übrigens schon an: Vereinzelt lassen sich Anknüpfungspunkte für mögliche Erweiterungen erkennen. Der Überknaller kann also noch kommen.
Fazit
Iron Harvest ist als Crowdfunding-Spiel auf Kickstarter gestartet und zu einem ingesamt empfehlenswerten Echtzeitstrategiespiel gereift. Das betrifft nicht nur das Gameplay, auch die Technik der PC-Version kann sich sehen lassen. Mit King Art steckt zwar kein AAA-Entwickler dahinter und eine Blockbuster-Optik gibt es damit automatisch nicht. Aber trotzdem sieht Iron Harvest mit den dynamischen Schlachtfeldern richtig hübsch aus.
Die Anforderungen an die Grafikkarte liegen dabei auf einem annehmbaren Niveau. Auch Einsteiger-Grafikkarten sind schnell genug für ein flüssiges Spielen in Full HD, erst ab Ultra HD muss es eine richtig schnelle GPU sein – und zwar quasi zwangsläufig, denn das Tuning-Potenzial mittels der Grafik-Presets ist eingeschränkt Im Grafikkarten-Dauerduell AMD gegen Nvidia haben GeForce-Grafikkarten die Nase knapp vorn, die Radeon-Riege ist aber meist nahe dran. Einzig die Vega-Modelle der alten GCN-Generation fallen mal wieder deutlich zurück.
ComputerBase hat Iron Harvest vom Publisher zum Testen erhalten. Das Spiel wurde unter NDA zur Verfügung gestellt. Die einzige Vorgabe war der frühestmögliche Veröffentlichungszeitpunkt. Eine Einflussnahme des Entwicklers auf den Testbericht fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand nicht.
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