Samsung Galaxy Tab S7+ im Test: Fazit
9/9Das Galaxy Tab S7+ löst eine gewisse Orientierungslosigkeit aus, denn es ist nicht ersichtlich, welche Ausrichtung Samsung mit dem neuen Tablet verfolgt. Vom Anspruch her als iPad-Pro-Konkurrent angetreten und vermarktet, kann es in vielen Bereichen nicht einmal dem aktuellen iPad Air Paroli bieten. Preislich liegt es dagegen zwischen den beiden Apple-Tablets.
Dabei hatte Samsung alles selbst in der Hand. An der Verarbeitung gibt es auch bei der neuen Tablet-Generation nichts auszusetzen, diese bewegt sich erneut auf einem hohen Niveau. Doch bereits bei der Ausstattung werden erste Defizite deutlich: So lässt das Premium-Tablet einen Kopfhörer-Anschluss vermissen, obwohl er von der Gehäusedicke her gepasst hätte. Samsung ist aber bei einem Tablet mit einem UVP von 954 Euro zu knauserig, diesem einen USB-C-Kopfhöreradapter beizulegen. Es geht aber noch weiter: Statt eines Schnellladenetzteils beinhaltet der Lieferumfang lediglich ein 15-Watt-Ladegerät mit einem dünnen und gerade einmal einen Meter langen USB-C-Kabel. Das ist nicht nur dem Preis, sondern auch eines Herstellers wie Samsung unwürdig.
Das Display macht Spaß – so einfach kann es auf den Punkt gebracht werden. Für ein AMOLED-Panel weist es eine genügende Helligkeit auf, auch wenn es bei direkter Sonneneinstrahlung schwierig wird, wirklich etwas außer Fingerabdrücke und dem eigenen Spiegelbild zu erkennen. Ansonsten belohnt Samsung den Käufer mit einer tollen Farbdarstellung, obwohl bei dieser nur der NTSC-Farbraum abgebildet wird – der direkte Konkurrent Apple bietet hier erneut deutlich mehr. Darstellungen mit 120 Hz gewinnen gerade beim Scrollen deutlich an Geschmeidigkeit und bleiben besser erkennbar – was aber an einen deutlich ansteigenden Akkuverbrauch gekoppelt ist. Und hier beginnt das Dilemma: Trotz eines viel größeren Akkus bleibt das S7+ in Sachen Laufleistung selbst bei einer Bildrate von 60 Hz deutlich hinter seinen Vorgängern zurück. Das kann nicht nur auf die höhere Auflösung geschoben werden, denn bereits das Galaxy Tab S6 löste mit 2.560 × 1.600 Bildpunkten auf – so groß ist der Unterschied am Ende also nicht.
Technisch bildet das Galaxy Tab S7+ zusammen mit dem SoC-Flaggschiff von Qualcomm eine leistungsstarke Kombination, bei vielen Applikationen hält der Snapdragon 865 Plus noch genügend Reserven bereit. Somit stellt das S7+ eines der aktuell schnellsten, wenn nicht sogar das schnellste Android-Tablet dar. Doch in nicht wenigen Bereichen muss sich der iPad-Pro-Konkurrent sogar dem aktuellen iPad Air geschlagen geben, vor allem wenn es um die Leistung eines einzigen Kernes geht. Aber auch bei bestimmten Aufgaben ist das S7+ deutlich abgeschlagen – so braucht das iPad Air bei der Video-Kodierung nur rund ein Viertel der Zeit.
Bei der Stifteingabe spielt Samsung dagegen alle Karten gekonnt aus. Dank des neuen Panels wurde die Verzögerung zwischen Stifteingabe und der Darstellung auf dem Display deutlich verringert, sodass die Eingabe auch bei schneller Stiftführung nahe an der Spitze des S-Pen bleibt. Zudem stattet der koreanische Hersteller das Tablet mit vielen nützlichen Werkzeugen aus, auch wenn unter anderem die Notizen-App eine Funktion für das Trennen und Zusammenfügen von Wörtern und Sätzen, wie es Huawei beim MatePad Pro oder Apple mit iOS 14 gezeigt hat, gut zu Gesicht stehen würde.
Im Gegensatz zu Apples Pencil der ersten Generation muss der Stylus seit der Integration der Bluetooth-Unterstützung zum Aufladen nicht an den Steckeranschluss gesteckt werden, sondern wird einfach per Magnet auf den dafür auf der Rückseite vorgesehenen Bereich geheftet, wo er kontaktlos lädt. Dies ist bei Apple erst seit der zweiten Pencil-Generation möglich. Es sei jedoch erwähnt, dass Samsung, was an Mobilgeräten mit Stifteingabe erkennbar ist, den Strom nicht für die eigentliche Eingabe benötigt, sondern für die Fernbedienungsfunktion, die ebenfalls über Bluetooth realisiert wurde. Damit lässt sich das Tablet aus einer Entfernung von bis zu 10 Metern durch diverse Gesten steuern, was gerade bei Präsentationen hilfreich sein kann. Hier besitzt Apple klar das Nachsehen.
Das mit der eigenen One-UI-Oberfläche versehene und um zahlreiche Funktionen erweiterte Android 10 agiert flüssig, Apps starten ohne große Verzögerung und auch beim schnellen Scrollen von komplexen Dokumenten oder Web-Seiten treten keine Leerbereiche oder Ruckler auf. Ebenso stellen fordernde Applikationen aufgrund des potenten SoC kein Problem dar. Mit dem Desktop-Modus DeX spielt das System zudem einen weiteren großen Vorteil aus, indem es sich mittels Tastatur und Maus wie ein normaler Desktop-Rechner nutzen lässt. Das liegt nicht zuletzt an dem gegenüber iOS besseren Datei-Handling. War der Modus in der Vergangenheit nicht selten durch die technische Basis limitiert, nimmt er mit der neuen SoC-Generation deutlich mehr Fahrt auf. In Sachen Geschwindigkeit kann dieser zwar nach wie vor nicht mit Notebooks oder Desktop-Rechnern mithalten, erweitert aber den Workflow deutlich.
Und genau hier bringt Samsung den Gedanken nicht zu Ende: So stattet der Hersteller das System mit allerhand „Zeugs“ aus, das im Produktivbereich sicherlich nicht benötigt wird: die Kindersicherung, Daily Bord oder die verschiedenen Kamera-Goodies, die bei Videokonferenzen sicherlich nicht zum Einsatz kommen werden. Zwar führt das Tablet mit Microsoft Office und Outlook zwei ausgezeichnete Apps für den produktiven Einsatz, die aber ohne Abonnement nur als Betrachter taugen. Die umfangreichere und sinnvollere Grundausstattung bietet damit nach wie vor Apple – von der höheren Anzahl an professionellen Apps im eigenen Store einmal ganz abgesehen. Hier hätte Samsung nicht ansetzen können, sondern müssen und entsprechende Applikationen anbieten.
Samsung wäre somit gut beraten gewesen, das Galaxy Tab S7+ zwischen dem aktuellen iPad Air und dem iPad Pro zu positionieren, da es nicht nur in Sachen Rechenleistung dem Air näher ist, sondern auch preislich. Damit hätte das Unternehmen zwei Pluspunkte verbinden können: die immer noch gute Rechenleistung zum Preis des iPad Air mit der Display-Größe und der 120-Hz-Technik des iPad Pro. Jetzt wird das S7+ an Umständen gemessen, mit denen es nicht konkurrieren kann.
- gute Verarbeitung
- AMOLED-Panel
- gute Farbdarstellung
- Display mit 120 Hz
- sehr gute Stifteingabe
- schlechte Laufzeiten trotz großem Akku
- kein separater Kopfhöreranschluss
- Ladegerät mit lediglich 15 Watt und sehr kurzem Kabel
ComputerBase wurde das Galaxy Tab S7+ leihweise von Samsung für den Test zur Verfügung gestellt. Eine Einflussnahme des Herstellers auf den Testbericht fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand nicht. Es gab keinen NDA.
(*) Bei den mit Sternchen markierten Links handelt es sich um Affiliate-Links. Im Fall einer Bestellung über einen solchen Link wird ComputerBase am Verkaufserlös beteiligt, ohne dass der Preis für den Kunden steigt.
Dieser Artikel war interessant, hilfreich oder beides? Die Redaktion freut sich über jede Unterstützung durch ComputerBase Pro und deaktivierte Werbeblocker. Mehr zum Thema Anzeigen auf ComputerBase.