Unihertz Titan im Test: Outdoor-BlackBerry mit 1:1-Display und Qwerty-Tastatur
tl;dr: Das Unihertz Titan ist ein BlackBerry Passport im Outdoor-Gewand. Wasser, Staub und Kälte haben dem Smartphone mit 1:1-Display und physischer Qwerty-Tastatur nichts an. Für 310 Euro erhalten Käufer nicht nur ein außergewöhnliches, sondern auch ein insgesamt überzeugendes Smartphone, wenn Mittelklasse-Leistung ausreicht.
Der vergleichsweise wenig bekannte Smartphone-Hersteller Unihertz versucht sich mit dem über Kickstarter erfolgreich finanzierten Titan an einer Neuauflage des BlackBerry Passport mit physischer Qwerty-Tastatur, aktueller Hardware, 6.000-mAh-Akku, Android 9.0 und einem Gehäuse, das Wasser, Stößen und Kälte problemlos standhält. Das Unihertz Titan könnte mit seinem 4,6 Zoll großen Display im 1:1-Seitenformat deshalb problemlos als Rugged BlackBerry Passport durchgehen.
Anders als das BlackBerry-Pendant ist das Unihertz Titan dabei kein hochpreisiges Smartphone, sondern derzeit schon für 310 Euro bei Amazon erhältlich*. Ein für das Gebotene moderater Preis, wie sich im Test herausstellen wird.
Technische Daten des Unihertz Titan
1:1-Display mit 4,6 Zoll
Das 1:1-IPS-Display des Unihertz Titan hat eine Diagonale von 4,6 Zoll und bietet eine Auflösung von 1.432 × 1.436 Pixeln, was in scharfen 441 ppi resultiert. Geschützt wird es einerseits durch Corning Gorilla Glass, wobei der Hersteller nicht nennt, um welche Version es sich handelt, und zusätzlich durch eine werkseitig aufgebrachte Schutzfolie. Das Display lässt sich problemlos auch mit nassen Fingern bedienen.
Physische Tastatur als Touchpad mit Hintergrundbeleuchtung
Der Fingerabdrucksensor zum Entsperren des Smartphones ist an der Vorderseite in der oberen Tastaturreihe integriert. Er funktioniert im Alltag zuverlässig. Neben dieser zentralen Home-Taste sind die Android-typischen Tasten für „Zurück“ und die App-Übersicht platziert, rechts und links jedoch um die Umschalt- und Alt-Taste ergänzt. Die eigentliche Tastatur ist darunter dreireihig aufgebaut und leicht spitz zulaufend. Die silbernen Trennstreifen erinnern an das Design des Blackberry Passport.
Die Tasten des Titan sind beleuchtet. Die Rückmeldungen erster Käufer, dass sich die Beleuchtung beim Entsperren nicht einschaltet, hat Unihertz inzwischen beherzigt, denn sobald man das Titan aktiviert, springt auch die Beleuchtung des Tastenfeldes an. Bei genauem Hinsehen fällt auf, dass die Helligkeit der Beleuchtung zum äußeren Rand rechts und links abfällt. Vor allem die Tasten Q, A und Z sind relativ dunkel. Negativ ins Gewicht fällt dieser Makel bei der Nutzung aber nicht.
Die Tastatur kann zudem als Touchpad genutzt werden, so dass beispielsweise durch ein Wischen über die Tasten in Websites gescrollt werden kann. Im Auslieferungszustand ist diese Funktion zunächst deaktiviert und kann unter „Einstellungen > Intelligenter Assistent > Umblättern-Helfer“ aktiviert werden. Dort kann auch festgelegt werden, für welche Apps die Funktion genutzt werden soll, so dass sie gezielt nur im Browser und E-Mail-Client verwendet werden kann, wo sie am sinnvollsten ist.
Schwer, dick und stabil
Das Titan ist mit Abmessungen von 92,5 × 153,6 × 16,65 mm und einem Gewicht von 303 g weder besonders handlich noch leicht. Das Display und die Tastatur sorgen dafür, dass das Smartphone rund 1,5 cm breiter ist als andere Outdoor-Modelle wie das Cat S42 (Test). Das BlackBerry Passport aus 2014 kommt auf 90,3 × 128,0 × 9,30 mm bei 196 g, das Gehäuse ist aber nicht besonders gegen äußere Einflüsse geschützt. Das Gehäuse des Titan ist gut verarbeitet und stabil. Metallelemente im Rahmen und an der Rückseite lenken von dem großflächigen Kunststoff-Einsatz ab. Mit einem deutlich teureren Cat S52 (Test) oder Cat S62 Pro kann das Titan bei der Anmutung und Haptik des Gehäuses aber nicht konkurrieren.
Wasserdicht und kälteunempfindlich
Das Unihertz Titan setzt hingegen auf einen massiven Rahmen und ist nach IP67 gegen Staub und Wasser geschützt, so dass es zeitweilig untergetaucht werden kann. Somit muss man nicht darauf achten, dass das Titan nicht nass wird, sondern kann es bei Bedarf auch einfach in Wasser reinigen. Zudem kann es offiziell bei bis zu -20 °C genutzt und bei bis zu -40 °C einen Tag lang gelagert werden. Im Test überstand es den Gefrierschrank zwei Tage lang problemlos und konnte sofort beim Herausnehmen genutzt werden. Die vereisten Tasten der Tastatur ließen sich ebenfalls nutzen, nachdem sie gedrückt und so gängig gemacht wurden. Vor Kälte muss sich das Unihertz Titan demnach nicht verstecken.
Auf eine zusätzliche Zertifizierung nach MIL-STD-810H, wie sie die Cat Phones häufig tragen und die aber wenig aussagekräftig ist, verzichtet Unihertz.
6.000-mAh-Akku und Wireless Charging
Beim Akku setzt Unihertz auf ein Modell mit einer Kapazität von 6.000 mAh. Technisch gesehen ist das Titan somit auch ein Garant für lange Akkulaufzeiten. Neigt sich die Akkuladung dem Ende entgegen, kann der Nutzer entweder über USB-C nachladen oder Wireless Charging nach Qi-Standard nutzen. Sowohl bei Schnittstelle als auch drahtlosem Laden steht der Hersteller der teureren Konkurrenz somit in nichts nach.
Wer weiterhin einen Kopfhöreranschluss am Smartphone wünscht, wird ebenfalls zufriedengestellt – das Titan verfügt im oberen Rahmen über einen Klinkenanschuss, der nicht von einer Abdeckung bedeckt wird. Auch die USB-C-Schnittstelle ist trotz IP67 ohne Abdeckung umgesetzt, was die Handhabung im Alltag erleichtert.
8-Kern-Prozessor, 128 GB Speicher und 6 GB RAM
Wer glaubt, dass Unihertz nun beim Hauptprozessor und Speicher im Vergleich zur Konkurrenz den Rotstift angesetzt hat, irrt. Auch wenn das Titan nicht auf den schnellsten Prozessor setzt, muss es sich vor der Konkurrenz nicht verstecken. Als Hauptprozessor dient ein MediaTek Helio P60 mit zwei Clustern, wovon das erste auf vier Cortex-A73- und das zweite auf vier Cortex-A53-Kerne mit jeweils bis zu 2,0 GHz Taktfrequenz setzt. Das SoC wird in 12 nm gefertigt und ist beispielsweise denen im Cat S42 (MediaTek Helio A20) und Gigaset GX290 (MediaTek Helio P23) überlegen. Als GPU dient im Titan eine Mali-G72 MP3.
Als interner Speicher stehen 128 GB zur Verfügung, der Arbeitsspeicher ist 6 GB groß – ebenfalls Werte, mit denen man günstige Outdoor-Smartphones deutlich übertrifft, die meist nur 32 GB und 3 GB RAM bieten.
Unihertz Titan | BlackBerry Passport | Cat Phones S42 | Gigaset GX290 | |
---|---|---|---|---|
Software: (bei Erscheinen) |
Android 9.0 | BlackBerry 10.3 | Android 10.0 | Android 9.0 Variante Android 10.0 |
Display: | 4,60 Zoll, 1.432 × 1.436 441 ppi IPS, Gorilla Glass |
4,50 Zoll, 1.440 × 1.440 453 ppi IPS, Gorilla Glass 3 |
5,50 Zoll, 720 × 1.440 293 ppi IPS, Gorilla Glass 5 |
6,10 Zoll, 720 × 1.560 283 ppi IPS, Gorilla Glass 3 |
Bedienung: | Touch, Physische Tastatur, Fingerabdrucksensor, Gesichtsscanner, Status-LED | Touch, Physische Tastatur, Status-LED | Touch, Status-LED | Touch, Fingerabdrucksensor, Gesichtsscanner |
SoC: | MediaTek Helio P60 4 × Cortex-A73, 2,00 GHz 4 × Cortex-A53, 2,00 GHz 12/12 nm, 64-Bit |
Qualcomm Snapdragon 801 4 × Krait 400, 2,20 GHz 28 nm, 32-Bit |
MediaTek Helio A20 4 × Cortex-A53, 1,80 GHz 12 nm, 64-Bit |
MediaTek Helio P23 8 × Cortex-A53, 2,00 GHz 16 nm, 64-Bit |
GPU: | Mali-G72 MP3 | Adreno 330 450 MHz |
PowerVR GE8320 | Mali-G71 MP2 770 MHz |
RAM: | 6.144 MB | 3.072 MB LPDDR3 |
3.072 MB LPDDR4 |
3.072 MB Variante 4.096 MB |
Speicher: | 128 GB (erweiterbar) | 32 GB (erweiterbar) | 32 / 64 GB (erweiterbar) | |
1. Kamera: | 16,0 MP, 1080p LED, AF |
13,0 MP, 1080p LED, f/2,00, AF, OIS |
13,0 MP, 1080p LED, f/2,00, AF |
|
2. Kamera: | Nein | 2,0 MP | ||
3. Kamera: | Nein | |||
4. Kamera: | Nein | |||
5. Kamera: | Nein | |||
1. Frontkamera: | 8,0 MP | 2,0 MP, 720p AF |
5,0 MP | 8,0 MP |
2. Frontkamera: | Nein | |||
GSM: | GPRS + EDGE | |||
UMTS: | HSPA+ | HSPA+ ↓42,2 ↑5,76 Mbit/s |
Ja | |
LTE: | Advanced ↓300 ↑50 Mbit/s |
Ja ↓150 ↑50 Mbit/s |
Ja ↓300 ↑50 Mbit/s |
Advanced ↓300 ↑50 Mbit/s |
5G: | Nein | |||
WLAN: | 802.11 a/b/g/n/ac Wi-Fi Direct, Miracast |
802.11 a/b/g/n/ac Wi-Fi Direct |
802.11 a/b/g/n | |
Bluetooth: | 4.1 | 4.0 LE | 5.0 | |
Ortung: | A-GPS, GLONASS | A-GPS, GLONASS, BeiDou, Galileo | A-GPS, GLONASS | |
Weitere Standards: | USB-C 2.0, NFC, 3,5-mm-Klinke | Micro-USB 2.0, SlimPort, NFC | Micro-USB 2.0, NFC, 3,5-mm-Klinke | USB-C 2.0, NFC |
SIM-Karte: | Nano-SIM, Dual-SIM | Nano-SIM | Nano-SIM, Dual-SIM | |
Akku: | 6.000 mAh fest verbaut, kabelloses Laden |
3.450 mAh fest verbaut |
4.200 mAh fest verbaut |
6.200 mAh (23,87 Wh) fest verbaut, kabelloses Laden |
Größe (B×H×T): | 92,5 × 153,6 × 16,65 mm | 90,3 × 128,0 × 9,30 mm | 77,2 × 161,3 × 12,70 mm | 79,0 × 162,4 × 15,30 mm |
Schutzart: | IP67 | – | IP68 + MIL-STD-810G | IP68 |
Gewicht: | 303 g | 196 g | 220 g | 279 g |
Preis: | ab 310 € | 649 € | 249 € | 299 € / 329 € |
Flüssiges Android 9, Update auf Android 10
Für grafisch anspruchsvolle Spiele ist das SoC im Titan zu langsam, aber diesen Anspruch hat das Smartphone ohnehin nicht. Derzeit kommt auf dem Unihertz Titan Android 9.0 zum Einsatz. Der neueste verfügbare Sicherheits-Patch stammt vom 5. April 2020, ist also nicht mehr auf dem aktuellen Stand. Die Firmware wurde von Unihertz zuletzt am 10.8.2020 aktualisiert. Das Unternehmen stellt immer wieder kleinere Updates bereit, die die Funktionen des Titan verbessern. Das Android 9 reagiert in der Praxis erfreulich schnell und verzögerungsfrei. Die zuletzt vom Cat S42 gewohnten Pausen bei der Bedienung legt es nicht ein. Unihertz verspricht ein Update auf Android 10 für das Titan, hat hierfür aber noch kein Datum genannt.
Dual-SIM und microSD-Steckplatz
Bei Bedarf kann der interne Speicher des Titan mit einer microSD-Karte erweitert werden. Dafür muss der zweite Nano-SIM-Steckplatz geopfert werden, denn dieser ist geteilt ausgelegt. Ohne microSD-Karte können zwei Nano-SIM-Karten ins Titan eingelegt werden.
WLAN-ac und altes Bluetooth 4.1
Während mit WLAN-ac (802.11ac, Wi-Fi 5) der aktuell verbreitete Standard geboten wird, kommt bei Bluetooth nur Version 4.1 zum Einsatz. Mit NFC und A-GPS werden hingegen zwei wichtige Funktionen geboten.
Single-Kamera mit 16 Megapixeln
Die Kameras des Titan standen bei der Entwicklung hingegen nicht im Vordergrund. Lediglich eine Hauptkamera mit 16 Megapixeln, Auto-Fokus und LED-Blitz kommt zum Einsatz. Für Videos kann maximal Full HD als Auflösung gewählt werden, alternativ aber auch die zum Display passende Auflösung mit 1.440 × 1.440 Bildpunkten. Weitere Spezifikationen nennt der Hersteller nicht. Die Frontkamera bietet 8 Megapixel.
In der Praxis kann die Kamera des Unihertz Titan für gelegentliche Schnappschüsse bei guten Lichtverhältnissen genutzt werden, hat aber leichte Probleme mit der Schärfe, da sie diese häufig überzeichnet. Die Bilder sind zudem vergleichsweise kühl. Wer sein Smartphone als Digitalkamera-Ersatz nutzt, sollte entweder in Kauf nehmen, dass nicht jedes Foto sofort gelingt, oder ein in diesem Bereich deutlich besser ausgestattetes Mobilgerät wählen.
Das Display unter der Lupe
Subjektiv macht das Display des Unihertz Titan einen weit besseren Eindruck, als es der Preis von rund 300 Euro zunächst vermuten lassen würde. Nicht nur die Pixeldichte überzeugt, sondern auch die Helligkeit ist subjektiv sehr hoch. Über einen Umgebungslichtsensor kann diese automatisch angepasst werden.
Auch die Messungen bestätigen den subjektiven Eindruck, denn mit 718 cd/m² bei der vollflächigen Darstellung von Weiß leuchtet das Unihertz Titan sehr hell. Schwarz leuchtet bei maximaler Helligkeit mit 0,762 cd/m², was ein vergleichsweise hoher Wert ist. Der Kontrast liegt so nur bei 942:1, was viele andere Smartphones dank besserer Schwarzwerte oder OLED-Display inzwischen übertreffen. Die Farbtemperatur des Bildschirms liegt bei 6.890 Kelvin.
Auch die minimale Helligkeit bei Weiß fällt mit knapp 11 cd/m² relativ hoch aus, ist im Alltag aber unproblematisch.
Die für die Akkumessungen genutzten 200 cd/m² werden beim Titan bei 74 Prozent Display-Helligkeit erreicht – die Helligkeitsregelung ist somit nicht gleichverteilt, denn auf die oberen 26 Prozent verteilen sich rund 500 cd/m², während auf die unteren 74 Prozent nur noch 200 cd/m² entfallen.
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