Patentstreit mit Nokia: Lenovo stellt Verkauf aller Produkte mit GPU ein
Lenovo hat in Deutschland mit sofortiger Wirkung den Verkauf aller Produkte, die Video mit dem Codec H.264 en- oder dekodieren können, gestoppt. Das betrifft letztendlich alle Produkte mit GPU – egal ob dediziert oder in die CPU integriert. Hintergrund ist ein Urteil des Landgericht München im Patentstreit mit Nokia.
Nokia erwirkt einstweilige Verfügung
Nokia hält Patente mit Bezug zum Video-Codec H.264, die darin beschriebenen Technologien verwenden aktuelle GPUs zur Beschleunigung des Codecs. Die von Nokia angeführten Patente sind so genannte Standard Essential Patents, Gebühren müssen deshalb dem FRAND-Grundsatz entsprechen. Und in diesem Punkt war zuletzt keine Einigung zu erzielen.
Nokia wirft Lenovo vor, kein angemessenes Angebot zur Lizenzierung der Technologien vorgelegt zu haben, Lenovo wiederum wirft Nokia vor, unangemessen hohe Gebühren zu verlangen, die FRAND nicht entsprechen. Nokia hat vor Gericht bisher entgangene Einnahmen von 3,25 Millionen Euro geltend gemacht.
Das Landgericht München ist jetzt Nokias Argumentation gefolgt und hat dem Konzern eine einstweilige Verfügung zugesprochen, die Lenovo den Verkauf aller betroffenen Produkte in Deutschland untersagt. Nokia hat deren Durchsetzung inzwischen erwirkt.
Die Folge: Ab sofort sind über Lenovos eigenen deutschen Online-Shop nur noch Produkte ohne GPU zu erwerben, nur noch Zubehör und Software finden sich im Sortiment. Unabhängige Händler scheinen zwar noch Lagerware zu verkaufen, dürften aber keine neue Ware von Lenovo mehr erhalten.
Das Urteil steht in der Kritik
Florian Müller von FOSS Patents kritisiert die Entscheidung des Landgerichts und Nokias Vorgehen scharf. Das Münchner Landgericht bezeichnet er als „die weltweit unausgewogenste Anlaufstelle für Patentstreitigkeiten“, die mit Präzedenzfällen weitere Urteile dieser Art nach sich ziehe. In diesem konkreten Fall kritisiert Müller unter anderem, dass die EU im Streit zwischen ZTE und Huawei bereits im Jahr 2015 festgestellt hatte, dass im Streitfall zuerst die vom Lizenzgeber aufgerufenen Lizenzgebühren einer Prüfung unterzogen werden müssen, bevor der Lizenznehmer ein Angebot vorlegen muss.
Das Oberlandesgericht München hat die Vollstreckung des vom Landgericht München verhängten Verkaufsstopps vorerst ausgesetzt. Zuvor hatte Lenovo Berufung gegen das Urteil eingelegt. Vorerst kann der Konzern Produkte mit einer GPU, die H.264 de- oder encodieren kann, in Deutschland wieder aufnehmen. Zur Stunde ist das Angebot im Online-Shop des Herstellers allerdings noch eingeschränkt. Florian Müller von FOSS Patents begrüßt die Entscheidung und sieht darin bereits einen Richtungswechsel in der Rechtsprechung zu Patenturteilen in Deutschland.
Wir freuen uns, dass das Oberlandesgericht München unserem Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung des Münchner Urteils gegen Sicherheitsleistung stattgegeben hat, da mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erwartet werden kann, dass die Entscheidung in der Berufung aufrechterhalten wird. Die Aussetzung gilt für die Dauer der Berufung von Lenovo gegen das Urteil im Fall des Nokia-Patents H.264. Wir setzen uns weiterhin dafür ein, diese Angelegenheit unter fairen, vernünftigen und nicht diskriminierenden (FRAND) Bedingungen zu klären.
Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass Nokia gegen seine eigenen rechtlichen Verpflichtungen verstoßen hat, indem es sich weigert, seine Technologie zu FRAND-Bedingungen an Lenovo oder unsere Drittanbieter zu lizenzieren. Dies ist ein richtungweisender Fall für die ganze Technologiebranche und einer, den wir weiterhin anfechten, da er die zukünftigen Voraussetzungen dafür schafft, dass unangemessene globale Patentlizenzgebühren den Zugang der Kunden zu erschwinglichen Innovationen nicht behindern.
Lenovo zum Urteil des Oberlandesgerichts
Im April 2021 haben sich Lenovo und Nokia schlussendlich außergerichtlich geeinigt. Beide Konzerne haben bekanntgegeben, ein auf mehrere Jahre ausgelegtes, gegenseitiges Patentabkommen abgeschlossen zu haben. Für die von Nokia beanstandete Nutzungsperiode im Vorfeld der Einigung wird Lenovo allerdings auch zahlen. Über die Höhe der Zahlung wurde Stillschweigen vereinbart.