Ampelerkennung ausprobiert: BMW hält künftig automatisch an roten Ampeln
Fahrerassistenzsysteme für die Unterstützung im Stop-and-go-Verkehr erkennen zwar auch Ampelanlagen, sind bisher aber auf das manuelle Stoppen angewiesen. BMW erweitert die Geschwindigkeitsregelung nun um eine Ampelerkennung, um bei Rot automatisch anzuhalten. ComputerBase hat das System in München ausprobiert.
Nicht nur auf der Autobahn, sondern auch im Stadtverkehr unterstützen Fahrerassistenzsysteme stetig mehr Aufgaben des Fahrens. Im Stop-and-go-Verkehr ist es heutzutage üblich, dass eine aktive Geschwindigkeitsregelung den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug hält und ebenfalls anhält, sobald dieses Fahrzeug zum Stehen kommt und dann auch wieder anfährt, sobald der Verkehr dies zulässt.
An roten Ampeln konnten Fahrzeuge bisher allerdings nicht automatisch anhalten. Zwar wird das Signal bereits von vielen Fahrerassistenzsystemen erkannt, im digitalen Kombiinstrument angezeigt und notfalls auch davor gewarnt, anhalten musste der Fahrer bislang aber noch selbst. Anders sieht es aus, wenn bereits ein anderes Fahrzeug an der Haltelinie der roten Ampel steht: In dieser Situation wird das stehende Fahrzeug als Referenzpunkt genommen, sodass der automatische Halt und das Anfahren bei Grün möglich sind.
545e kommt zuerst mit neuer Ampelerkennung
BMW erweitert nun aber die aktive Geschwindigkeitsregelung mit Stop-and-go-Unterstützung um eine erweiterte Ampelerkennung, damit das Fahrzeug die Ampeln nicht mehr nur erkennt und davor im Kombiinstrument warnt, sondern bei Rotlicht auch automatisch an der Haltelinie stoppt. Das erste Fahrzeug mit dieser erweiterten Fähigkeit ist der ab November ausgelieferte BMW 545e, der in Verbindung mit dem optionalen Driving Assistant Professional und dem optionalen Head-Up-Display über die neue Ausstattung verfügt. Das Head-Up-Display wird ebenfalls von BMW vorausgesetzt, weil auch dort die neuen Ampelinformationen angezeigt werden.
Rote Ampel muss teils am Lenkrad bestätigt werden
Wie das erweiterte System agiert, ist in grundsätzlich zwei unterschiedliche Szenarien unterteilt, die sich anhand der Komplexität der Ampelanlage unterscheiden. Bei einfachen Ampelanlagen werden diese automatisch in die Geschwindigkeits- und Abstandsregelung übernommen. Eine einfache Ampelanlage kann zum Beispiel bei einer einspurigen Straße eine Ampelanlage ausschließlich für das Überqueren der Straße durch Fußgänger sein. Hier gibt es nur ein Ampelzeichen für eine Spur, sodass das Auto erkennen kann, dass es sich um ein für die Fahrt relevantes Signal handelt.
Anders sieht es bei komplexen Kreuzungen aus, wo für das Auto unter Umständen nicht ersichtlich ist, welche Signalanlage für den ausgewählten Fahrweg von Relevanz ist. In diesen Situationen erkennt die Ampelerkennung zwar ebenfalls ein Signal und zeigt dieses im Kombiinstrument an, der Fahrer muss über die „Set“-Taste am Lenkrad aber manuell bestätigen, dass das Rotlicht in die Geschwindigkeitsregelung übernommen werden soll. Ist dieser manuelle Eingriff erfolgt, stoppt das Fahrzeug auch hier an der Haltelinie.
Anfahren muss man noch selbst
Für das Anfahren zu Beginn der Grünphase ist aus rechtlichen Gründen allerdings der Fahrer verantwortlich. Zwar werden die Ampelphasen vom Fahrzeug überwacht und im Kombiinstrument dargestellt, doch auf die unten links im Display dargestellte Anfahrerinnerung bei Grün muss stets ein kurzer manueller Eingriff erfolgen. Damit die Geschwindigkeits- und Abstandsregelung wieder voll aktiv ist, kann entweder die „Set“-Taste links am Lenkrad gedrückt oder kurz das Gaspedal angetippt werden.
Das System ist in bestimmten Situationen hilfreich
ComputerBase konnte das System bei einer ersten Probefahrt im Münchener Stadtgebiet ausprobieren. Die Ampelerkennung selbst funktioniert bereits zuverlässig, ist für sich alleine betrachtet aber kein neues Feature. Neu ist die Übernahme in die Geschwindigkeits- und Abstandsregelung, die immer dann zuverlässig automatisch funktionierte, wenn nur eine einzelne Ampelanlage angefahren wurde. Das kann auch bei einer größeren Kreuzung der Fall sein, wenn man sich ganz rechts einordnet und für das Auto eindeutig eine Ampel der aktuellen Spur zugewiesen werden kann.
Bei komplexen Kreuzungen mit mehreren Fahrspuren und Ampeln musste stets wie von BMW beschrieben manuell das aktuelle Signal in die Geschwindigkeits- und Abstandsregelung übernommen werden. Im zähflüssigen Verkehr der Münchener Innenstadt kann das manchmal ein wenig ablenkend sein, weil nicht immer sofort klar ist, ob man noch mit dem vorausfahrenden Auto durch die Grünphase kommt oder doch als erstes Auto an der Haltelinie anhalten muss. Wenn dann im Kombiinstrument beachtet werden muss, ob mit der „Set“-Taste eine Bestätigung der aktuellen Ampelphase notwendig ist oder nicht, ist man mit einem manuellen Eingriff auf Gas und Bremse etwas schnellerer und gefühlt etwas sicherer unterwegs.
Wie bei den meisten Fahrerassistenzsystemen üblich, ist die erweiterte Ampelerkennung zudem eher konservativ und – wenig verwunderlich – mehr auf Sicherheit ausgelegt. Bei einer Gelbphase hält das Auto also tendenziell eher an, als noch rasch über die Kreuzung zu kommen. Bei der manuellen Fahrt hätte man manchmal anders und vermutlich etwas risikoreicher als das System agiert.
Vor allem aber auf einspurigen Straßen mit eindeutigen Ampelanlagen, die für das Auto sicher und zuverlässig zugewiesen werden können, ist die neue Ampelerkennung praktisch. In noch weniger Situationen muss dann mit Gas und Bremse interagiert werden, da das manuelle Anfahren über eine Bestätigung auf dem Lenkrad möglich ist. Nur gelenkt werden muss dann noch weitgehend manuell.
Remote Software Upgrade für Ampelerkennung geplant
Der ab November ausgelieferte 545e ist das erste Fahrzeug von BMW, das sich mit der beschriebenen Sonderausstattung mit der neuen Ampelerkennung bestellen lässt. Noch für diesen Herbst ist das System aber auch für die Baureihen 3er, 4er, weitere 5er, 6er Gran Turismo, 7er, 8er, iX3, X5, X6, X7, M3, M4, M5, M8, X5 M und X6 M geplant.
Weil BMW für die Ampelerkennung aber nur an der Software Veränderungen vorgenommen hat, soll das System künftig auch als sogenanntes Remote Software Upgrade für ab Juli 2020 produzierte Fahrzeuge angeboten werden, sofern diese mit dem Driving Assistant Professional und dem Head-Up-Display ausgestattet sind. Eine Ausnahme bildet allerdings der 8er, für den kein Update angeboten wird. Bei den Modellreihen X5, X6 und X7 muss die Produktion zudem frühestens im August statt schon im Juli erfolgt sein, damit das Upgrade eingespielt werden kann. Remote Software Upgrades lassen sich im geparkten Zustand über die integrierte Internetanbindung des Autos over the Air (OTA), über ein WLAN oder zunächst über das Smartphone mit anschließender Übertragung ins Fahrzeug einspielen. Alternativ kann aber auch immer ein offizieller Händler die Aktualisierung durchführen.
Einen Termin für das Remote Software Upgrade gibt es bislang allerdings noch nicht. Als Orientierung dient das letzte große Update, dessen Funktionen mit dem im Mai vorgestellten und im Juli verfügbaren neuen 5er eingeführt wurden. Das entsprechende Remote Software Upgrade auf Version 07/2020 verteilt BMW seit 19. Oktober, also gut drei Monate nach der Erstankündigung. Sollte für die Ampelerkennung ein ähnlicher Zeitraum zwischen der Verfügbarkeit ab Werk bis zum Remote Software Upgrade liegen, dürfte dieses im Februar zu erwarten sein.
ComputerBase hat Informationen zu diesem Artikel von BMW im Rahmen einer Veranstaltung des Herstellers in Garching erhalten. Die Kosten für An-, Abreise und Hotel wurden von BMW getragen. Eine Einflussnahme des Herstellers oder eine Verpflichtung zur Berichterstattung bestand nicht.