C:\B_retro\Ausgabe_56\: Der Commodore 64
tl;dr: Mit einer 1,024 MHz schnellen CPU, 64 kB RAM sowie 20 kB ROM avancierte der C64 alias „Brotkasten“ zum beliebtesten Heimcomputer (s)einer Ära. Zwischen 1982 und 1994 produziert, erfreute sich der Commodore 64 aufgrund seiner Erweiterbarkeit und seines erschwinglichen Preises nicht nur bei Spielern sehr großer Beliebtheit.
Jeden Sonntag wirft diese Serie einen unterhaltsamen Blick zurück auf drei Jahrzehnte voller bewegter Geschichten und interessanten Entwicklungen der Computerszene. Mythen, Meilensteine und Meisterwerke: C:\B_retro\.
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Der Commodore 64
Noch heute weckt allein schon der Name bei vielen Anwendern Kindheitserinnerung an den Heimcomputer, der zwischen Mitte und Ende der 1980er (s)eine Ära einleitete und maßgeblich mitprägte.
Im Januar 1981 begann die aus der MOS Technology hervorgegangene Commodore Semiconductor Group (CSG), ein Tochterunternehmen von Commodore International, mit der Entwicklung zweier neuer Chipsätze für die Grafik- und Audioausgabe auf Spielkonsolen der nächsten Generation.
Auf Basis des VIC-II entwickelte der japanische Ingenieur Yashi Terakura anschließend den Commodore Max, welcher in Deutschland als Commodore VC 10 und in den USA als Commodore Ultimax angekündigt wurde.
Der darauf folgende und erfolgreichere Commodore VC 20 sollte der Vorgänger eines noch erfolgreicheren und schlussendlich legendären Heimcomputers werden – des Commodore 64.
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Die Entwicklung
Für die Entwicklung des „C64“ unter dem Codenamen Commodore VC 40 zeichneten sich in erster Linie die Programmierer Robert Russel, Robert Yannes, Al Charpentier und Charles Winterble verantwortlich, die den damaligen CEO von Commodore International Jack Tramiel davon überzeugten, einen echten Low-Cost-Heimcomputer auf den Markt zu bringen. Dieser prägte daraufhin den Satz:
We need to build computer for the masses, not the classes!
Jack Tramiel, ehemaliger CEO von Commodore International
Der Codename Commodore VC 40 kennzeichnet dabei die Textauflösung des späteren Commodore 64 von 40 Zeichen pro Zeile, die Commodore unter anderem deswegen so festlegte, um unter der Leistungsfähigkeit der primär für den professionellen Einsatz vorgesehenen CBM-8000-Serie zu bleiben, die über 80 Zeichen verfügte.
Die Präsentation eines Prototypen des Commodore 64 fand bereits im Januar 1982 auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas statt, gut zwei Monate, nachdem die vier Entwickler die Idee an den CEO des Unternehmens herangetragen hatten.
Bereits im September 1982 kam der Commodore 64 zum Preis von 595 US-Dollar auf den Markt.
Hierzulande mussten Heimanwender sich bis Anfang 1983 gedulden und 1.495 D-Mark für den Heimcomputer auf den Tisch legen, was nach heutiger Kaufkraft in etwa 1.500 Euro entspricht.
Der aufstrebende Stern am Himmel der Heimcomputer wollte auch bereits in den 1980ern entsprechend beworben werden, weshalb Commodore eine Reihe von Werbespots schaltete, welche den C64 populär machen sollten.
Mitunter muten die mehr als 30 Jahre alten „Commercials“ befremdlich, zumindest aber lustig an, was nicht zuletzt daran liegt, dass die Werbeindustrie wie auch die damals noch verhältnismäßig junge Informationstechnik noch ziemlich am Anfang ihrer Entwicklung standen und ihren Kinderschuhen noch nicht entwachsen waren.
Dem Erfolg des auf Grund der Form seines Gehäuses von Fans liebevoll „Brotkasten“ genannten C64 tat dies jedoch keinen Abbruch. Zwischen 1982 und 1994 konnte Commodore vom „meistverkauften Heimcomputer aller Zeiten“ nach heutigen Schätzungen weltweit bis zu 30 Millionen Exemplare verkaufen.
Die Hardware
Der Erfolg des Commodore 64 lag nicht zuletzt in seiner umfangreichen Hardwareausstattung begründet, die Heimanwendern zu einem – nach einer teureren Einführungsphase – erschwinglichen Preis in den 1980er-Jahren erstmals Zugang zu einem für die damalige Zeit leistungsstarken Computer ermöglichte.
Im Gegensatz zu den „modernen“ Personal Computern seiner Zeit verfügte der Commodore 64, wie es zu dieser Zeit bei Heimcomputern üblich war, über keinerlei interne Massenspeichergeräte.
Alle Programme mussten von externen Laufwerken, wie dem Kassettenlaufwerk Datasette, welches auf handelsübliche Tonkassetten zurückgriff, dem 5¼″-Diskettenlaufwerk VC1541, oder von einem Steckmodul, der Cartridge geladen werden.
Lediglich Grundfunktionen wie der Kernal, der BASIC-Interpreter und zwei Bildschirmzeichensätze waren in drei ROM-Chips mit Speicherkapazitäten von zweimal acht und einmal vier kB gespeichert.
Die Spezifikationen
Mögen die Spezifikationen des C64 Lesern heutzutage sicher ein Schmunzeln entlocken, 1982 hingegen bedeuteten sie nie dagewesene Möglichkeiten.
- MOS Technology 6510 8-Bit-Mikroprozessor mit 0,985 MHz (PAL-Version) respektive 1,023 MHz (NTSC-Version)
- 64 KB RAM, davon 38.911 Bytes für BASIC-Programme nutzbar
- 20 KB ROM, davon 9 KB für den BASIC-V2-Interpreter und 7 KB für das Betriebssystem reserviert
- MOS Technology VIC II Grafikchip mit einer Auflösung von 320 × 200 Pixeln und bis zu 16 Farben
- Programmierbarer 3-stimmiger MOS Technology SID 8-Bit-Soundchip
- Commodore Basic V2 (ab 1985 auch GEOS 64 mit grafischer Benutzeroberfläche)
Neben der CPU vom Typ MOS 6510 stellten vor allem die 64 kB RAM, 38911 Byte davon für BASIC-Programme nutzbar, einen echten Leistungssprung im Heimcomputerbereich dar. Die Größe des Speichers war für die damalige Zeit üppig (der nur zwei Jahre ältere Vorgänger VC 20 hat nur 5 kB Arbeitsspeicher, wovon für die Programmiersprache BASIC 3584 Byte nutzbar sind).
Zwei Bytes (0 und 1) sind nicht für den Arbeitsspeicher nutzbar, hier befindet sich der Prozessorport des MOS 6510.
Weitere technische Details liefern das offizielle Datenblatt (PDF) des MOS Technology 6510 8-Bit-Mikroprozessors und das offizielle deutschsprachige Handbuch (PDF) des Commodore 64, welches dem Heimcomputer in gedruckter Form beilag.
Die Programme und Spiele (Umfrage)
Für viele Anwender ist es heutzutage schlicht nicht mehr vorstellbar, wie Nutzer Anno 1982 auf einem an einen Röhrenfernseher angeschlossenen Heimcomputer mit einer Auflösung von gerade einmal 320 × 200 Pixeln und mit maximal 16 Farben überhaupt spielen geschweige denn produktiv arbeiten konnten.
Sowohl Spiele als auch Anwendungsprogramme wurden über die Eingabeforderung des Betriebssystems Commodore Basic V2 gestartet, welche den Anwender direkt nach dem Startvorgang begrüßte.
Beliebte Anwendungen dieser Zeit waren die Textverarbeitung Vizawrite und deren deutschsprachige Alternative Textomat des Anbieters Data Becker aus Düsseldorf. Mit der Tabellenkalkulation Microsoft Multiplan war auch bereits der spätere Hard- und Softwaregigant aus Redmond höchst offiziell auf dem Commodore 64 vertreten.
Mit dem Betriebssystem GEOS 64, einem 8-Bit-Betriebssystem mit grafischer Benutzeroberfläche, hielten ab 1985 auch HiRes-Grafiken und Zeichenprogramme wie geoPaint Einzug auf dem C64 und ermöglichten es, gemessen an den damaligen technischen Möglichkeiten, weitestgehend „realistische“ Zeichnungen anzufertigen.
Auch bei Computerspielern fand der Commodore 64 schnell viele Freunde und eine ebenso rasche Verbreitung. Rund 17.000 kommerzielle Spiele wurden für den C64 veröffentlicht, darunter bekannte Arcade-Klassiker wie etwa Donkey Kong und Pac-Men.
Zu den grafischen Höhepunkten auf dem C64 gehören unter anderem das Strategiespiel Defender of the Crown und das Actionspiel Turrican II: The Final Fight von Manfred Trenz, deren Grafiken teilweise an Amiga-Qualität heranreichen. Für viele Fans des C64 ebenfalls unvergessen sind die Sportsimulationen Summer Games, Winter Games und California Games der kalifornischen Spieleschmiede Epyx.
Neben den offiziellen Spielen für den C64 existierte eine riesige Indie-Community mit zahllosen selbst programmierten Spielen von C64-Besitzern aus aller Welt. Zudem entwickelte und etablierte sich Mitte der 1980er eine weltweit aktive Demoszene.
Spiele erschienen zu dieser Zeit zumeist auf herkömmlichen Kompaktkassetten und wurden per Commodore Datasette 1530 ausgelesen oder wurden auf 5¼-Zoll-Disketten für das Commodore Diskettenlaufwerk VC 1541 ausgeliefert. Vereinzelt kamen aber auch Steckmodule, sogenannte Cartridges, zum Einsatz.
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Datassette 1530 (Bild: Toni Saarikko, CC BY-SA 3.0)
Eine sehr schöne Übersicht über einen Großteil aller C64-Werke liefert die Datenbank der C64-Community von GameBase64.
Auch das Musizieren auf dem C64 war seinerzeit äußerst populär, da der Soundchip des Heimcomputers zum Zeitpunkt der Einführung nicht weniger als eine echte Sensation war. Es gab schlicht und ergreifend keinen vergleichbaren Computer für den Heimgebrauch, der eine solche Vielfalt an Klangvariationen bot.
Auch das in Hamburg beheimatete deutsche Unternehmen Steinberg, heute vor allem bekannt für sein Musikproduktionsprogramm Cubase, nutzte den Commodore 64 als Steuerzentrale für seine ersten MIDI-Synthesizer und MIDI-Sampler. Selbst im professionellen Bereich war der C64 bis Ende der 1980er führend und wurde erst spät durch den Atari ST abgelöst.
Die Frage an die Community: Habt ihr bereits einen Commodore 64 besessen und darauf gespielt und gearbeitet?
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Ja, ich habe einen Commodore 64 besessen und damit gespielt und gearbeitet.
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Ja, ich habe einen Commodore 64 besessen und damit gespielt.
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Nein, ich habe keinen Commodore 64 besessen.
Wer bis heute nicht in den Genuss eines C64 kam, kann das neben Nachbauten wie dem THEC64 Mini mit 64 Spielen dem ausgewachsenen THEC64 (Test) nachholen – es gibt aber eine weitere Alternative.
C64-Spiele im Browser spielen
Die Macher des Internet Archive haben eine Software Library mit insgesamt mehr als 53.000 C64-Spielen zusammengestellt, die sich größtenteils per Emulator direkt im Browser spielen lassen.
Auch wenn sich die reguläre Anzahl an spielbaren C64-Klassikern durch Dopplungen und Demos auf weniger als die Hälfte beschränkt, bietet das Archiv dennoch die Möglichkeit ein wenig Feeling der 1980er auf den modernen PC zu holen.
Neben Spielen und Anwendungen für den Commodore 64 stehen auch Klassiker für den Amiga und MS-DOS bereit, die ebenfalls bereits in C:\B_retro\ Thema waren.
Alles hat ein Ende, auch der C64
Im gleiche Maße wie der Aufstieg des C64 als Heimcomputer den endgültigen Fall des Atari VCS 2600, der bis Anfang der 1980er am weitesten verbreiteten Konsole, bedeutete, läutete der Aufstieg des PCs Anfang der 1990er-Jahre das schnelle Ende für den Commodore 64 ein.
Nachdem Commodore bereits zu Beginn des neuen Jahrzehnts mit starken Umsatz- und Gewinnrückgängen zu kämpfen hatte, stellte das Unternehmen die Produktion des erfolgreichsten Heimcomputers aller Zeiten im Jahr 1994 nach insgesamt 11 Jahren ein.
An den Erfolg seines „Brotkasten“ und dessen zahlreicher Derivat und Nachfolgemodelle konnte das Unternehmen nie wieder anknüpfen und meldete kurz nach dem Ende der C64-Produktion am 29. April 1994 offiziell Insolvenz an.
Die bedeutendsten C64-Derivate und -Nachfolger:
- Der C64C, der in Deutschland als C64-II vermarktet wurde
- Der Commodore 128, als letzter zur Marktreife gebrachter 8-Bit-Mikrocomputer von Commodore
- Der Commodore 64 GS (GS = Games System), ein als Spielkonsole herausgebrachter C64
- Der nur in Deutschland erhältliche Aldi-C64
C:\B_retro\Community-Notes\
Hinweise und Ergänzungen aus der Community
In den Community-Notes kommen die Community-Mitglieder aus dem ComputerBase-Forum mit ihren Empfehlungen und Ergänzungen zu Wort.
Community-Mitglied „Thorque“ hat die The C-64 Scene Database empfohlen, die weiterführende Informationen zur C64-Szene sowie Spielen, Demos und Tools liefert.
ComputerBase-Leser „Balikon“ hat zudem eine tolle Bauanleitung vom YouTube-Kanal „Retro Recipes“ für einen Commodore 64 aus Lego-Klemmbausteinen in der Größe 1:1 geteilt.
Ein weiteres Highlight sind die Fotos von Community-Mitglied „xr4ffi“, die seinen Commodore 64 zeigen, der bereits seit 1984 im Einsatz ist. Alter Liebe rostet nicht, sagt man bekanntlich! ;)
Community-Mitglied „Thorque“ hat außerdem noch eine rund 30-minütige deutschsprachige Promotion zum C64 mit der Community geteilt, die wir euch nicht vorenthalten wollen. Absolut sehenswert.
C:\B_retro\Feedback\
Feedback ist jederzeit willkommen
Die Redaktion freut sich über konstruktive Kritik, Lob, aber auch Vorschläge, um die Serie zukünftig noch stärker an den Wünschen der Leserschaft ausrichten zu können. Mit diesem Lesestoff im Gepäck wünscht die Redaktion einen erholsamen Sonntag.
C:\B_retro\Review\
Die letzten fünf Ausgaben in der Übersicht
An dieser Stelle finden sich die letzten fünf Themen der vorangegangenen Ausgaben von C:\B_retro\:
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