Digital Service Act: EU will Tech-Konzerne in die Schranken weisen

Andreas Frischholz
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Digital Service Act: EU will Tech-Konzerne in die Schranken weisen
Bild: Sébastien Bertrand | CC BY 2.0

Die EU-Kommission hat heute den Entwurf für die Digitalen-Dienste-Gesetze vorgelegt. Das Maßnahmenpaket ist als großer Wurf geplant, um die Macht von Tech-Konzernen wie Amazon, Facebook und Google zu brechen. Rechte von Verbrauchern sowie Wettbewerbern sollen gestärkt werden.

Konkret geht es um zwei Gesetzespakete. Den Digital Service Act (DSA), der sämtliche digitalen Dienste betrifft und auch etwa den künftigen Umgang mit Inhalten regelt. Und den Digital Markets Act (DMA), der zentrale Plattformen regulieren soll. „Viele Online-Plattformen spielen heute eine zentrale Rolle im Leben unserer Bürger und Unternehmen und sogar unserer Gesellschaft und Demokratie insgesamt“, sagt der für den Binnenmarkt zuständige EU-Kommissar Thierry Breton. Die neuen Regeln sollen daher für faire Bedingungen sorgen. Die Auswirkungen könnten weitreichend sein, Beobachter sprechen etwa von einem Plattform-Grundgesetz.

Das bemerkenswerte an dem Gesetzespaket ist, dass es besondere Pflichten für große Plattformen vorsieht. Wenn diese mehr als 10 Prozent der EU-Bevölkerung (also 45 Millionen Nutzer) erreichen, gelten diese „als systemrelevant und unterliegen nicht nur besonderen Verpflichtungen in Bezug auf das Management ihrer eigenen Risiken, sondern auch einer neuen Aufsichtsstruktur“, so die EU. Wettbewerbsverfahren sollen vereinfacht werden, gezielte Marktuntersuchungen sollen es ermöglichen, leichter marktbeherrschende Anbieter zu identifizieren und zu regulieren. Selbst eine Zerschlagung von Unternehmen ist als Ultima Ratio vorgesehen.

Digital Service Act: Haftungsregeln bleiben im Kern bestehen

Was im Vorfeld für Aufsehen sorgte, war der Umgang mit Inhalten im Rahmen des Digital Service Act. Wie Netzpolitik.org analysiert, bleibt das Provider-Privileg aber grundsätzlich erhalten, entsprechende Passagen wurden aus der bisher geltenden E-Commerce-Richtlinie übernommen. Anbieter haften also weiterhin nicht unmittelbar für die Inhalte, die Nutzer der jeweiligen Angebote verbreiten. Das Verbot für allgemeine Überwachungspflichten bleibt bestehen. Ausnahmen betreffen etwa die Betreiber von Handelsplattformen – hier greift der Verbraucherschutz.

Nichtsdestotrotz werden die Vorgaben für den Umgang mit illegalen Inhalten verschärft, gleichzeitig gibt es aber auch Schutzvorkehrungen für Nutzer, deren Inhalte irrtümlicherweise entfernt wurden. Zu der Vielzahl von weiteren Vorgaben zum Umgang mit illegalen Inhalten sowie mehr Transparenz bei Online-Werbung und Algorithmen, die Nutzern Inhalte empfehlen.

Digitale Torwächter an die Kandare nehmen

Das Gesetz für die digitalen Märkte zielt derweil auf die großen Tech-Konzerne wie Amazon, Apple, Facebook und Google – im Jargon der EU als digitale „Torwächter“ bezeichnet. Welche Anbieter dazu zählen, ermittelt die EU künftig im Rahmen von Marktanalysen. Grundsätzlich geht es aber um die Betreiber der zentralen Plattformen, die so etwas wie der Zugang zur digitalen Welt sind und komplette Ökosysteme kontrollieren. Die sollen künftig unter besonderer Beobachtung stehen, weil diese Plattformbetreiber erheblichen Einfluss auf eine Vielzahl von weiteren Marktteilnehmern haben. Das sorgt für Konflikte, als Beispiel dient etwa der Streit zwischen Apple und Epic.

Die EU will nun künftig mehr Rechte haben, um bei unlauteren Praktiken eingreifen zu können. Untersagt werden soll etwa, dass vorinstallierte Software nicht deinstalliert werden kann. Ebenso würden sich mit dem Digital Market Act proaktive Maßnahmen ergreifen lassen und eine Interoperabilität bei marktbeherrschenden Diensten ist vorgesehen – theoretisch könnten so etwa die führenden Messenger-Dienste verpflichtet werden, einen Nachrichtenaustausch mit kleineren Diensten zu ermöglichen. Wie so etwas in der Praxis aussehen soll, lässt sich derzeit aber noch nicht sagen.

Bei Verstößen sind höhere Geldbußen möglich. Bei den digitalen Torwächtern können diese sich auf bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes belaufen. Im Wiederholungsfall können sogar strukturelle Maßnahmen drohen. Das bedeutet: Ein Unternehmen kann in letzter Konsequenz verpflichtet werden, bestimmte Geschäftsbereiche abzustoßen.

Bis die Gesetze gelten, wird es noch einige Jahren dauern

Die ersten Reaktionen sind zuversichtlich. So begrüßt etwa der IT-Branchenverband Bitkom das Vorhaben. „Der Digital Services Act muss die Grundlagen des freien Internets stärken. Das ist entscheidend dafür, dass künftig mehr innovative Online-Dienste im europäischen digitalen Binnenmarkt entstehen können“, so Bitkom-Präsident Achim Berg.

Bis die Gesetzespakete in Kraft treten, wird es vermutlich aber noch einige Jahre dauern. Nun müssen sich zunächst das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten im EU-Rat beraten. Dann folgen die sogenannten Trilog-Verhandlungen, bei der sich die EU auf das abschließende Gesetzespaket verständigt. So etwas nimmt Zeit in Anspruch. Die DSGVO wurde etwa 2012 vorgestellt, gültig war sie erst nach über sechs Jahren.