Snapdragon 888 im Detail: Snapdragon-X60-Modem ist wieder integriert
3/4Konnektivität ist einer der Bereiche, in dem der Snapdragon 888 eine der größten und wichtigsten Veränderungen gegenüber dem Snapdragon 865 und 855 vollzieht und wieder den Status quo von 2017 zu Zeiten des Snapdragon 845 herstellt. Denn mit dem Snapdragon X60 für Mobilfunk vom alten 2G bis zum aktuellen 5G ist das Modem wieder vollständig in das SoC integriert, sodass kein weiterer Chip mehr dafür benötigt wird.
Integration folgt auf zwei externe 5G-Modems
Ein kurzer Rückblick: Während der Ende 2017 vorgestellte Snapdragon 845 mit integriertem Snapdragon-X20-Modem noch ein einzelner Chip mit maximal LTE im Mobilfunksegment war, kam Ende 2018 mit dem Snapdragon 855 die Option für 5G hinzu. Den neuen Mobilfunkstandard wickelte Qualcomm damals über das externe Snapdragon-X50-Modem ab, das einzig und allein für 5G zuständig war und das in das SoC integrierte Snapdragon-X24-Modem ergänzte, das für alle Standards bis inklusive LTE verantwortlich war. 5G war damit eine reine Option zusätzlich zu 2G bis LTE, die Smartphone-Hersteller jedoch nicht nutzen mussten, da mit dem Snapdragon-X24-Modem alle zur damaligen Zeit wichtigen Mobilfunkstandards über das SoC geboten wurden.
Ende 2019 kam mit dem Snapdragon 865 der Umbruch, weil dieses SoC als erstes seit dem Snapdragon 805 wieder als reiner „Application Processor“ (AP) konzipiert war. Für Mobilfunk musste deshalb zwangsweise das externe Snapdragon-X55-Modem angebunden werden, das diesmal nicht nur für 5G zuständig war, so wie es noch beim Snapdragon X50 der Fall war, sondern alle Standards abdeckte. Eine Zwei-Chip-Lösung war jedoch kein exklusives Merkmal nur von Qualcomm, auch Samsung musste beim Exynos 990 mit dem externen Exynos-5123-Modem so vorgehen. Geschuldet war dieser Umstand der nur mit dieser Umsetzung vollständig verfügbaren Leistung und den Features. War das Modem hingegen in das SoC integriert, so wie zum Beispiel beim Snapdragon 765 mit Snapdragon X52 oder beim Exynos 980 mit Shannon 5188, stand nicht mehr das vollständige Feature-Set zur Verfügung oder die Leistung musste reduziert werden.
Diese zweijährige Zwischenphase findet mit dem Snapdragon 888 ein Ende, weil das Anfang des Jahres vorgestellte Snapdragon-X60-Modem aus 5-nm-Fertigung wieder direkt in das SoC integriert wurde, sodass Smartphone-Hersteller im kommenden Jahr nur noch einen Chip verbauen müssen.
Sub-6-GHz-Bereich mit mmWave bündeln
Zu den Neuerungen des 5G-Modems zählt die Aggregation von Spektrum im Sub-6-GHz-Bereich mit Spektrum über mmWave. So lassen sich die Datenkanäle aus dem Low-Band (600 MHz bis 2 GHz) und Mid-Band (2 GHz bis 6 GHz) mit den Datenkanälen im Frequenzbereich oberhalb von 24 GHz für höhere Geschwindigkeiten, eine breite Netzabdeckung und eine erweiterte Kompatibilität koppeln. In Deutschland findet derzeit ausschließlich Sub-6-GHz-Spektrum Verwendung. Zusätzlich ist die Carrier-Aggregation nur im Sub-6-GHz-Bereich jetzt über FDD und TDD hinweg möglich.
Downlink und Uplink bleiben gleich schnell
Im mmWave-Spektrum kann das Snapdragon X60 bis zu acht Frequenzblöcke zu je 100 MHz für eine Bandbreite von 800 MHz aggregieren und 2×2 MIMO nutzen. Im Spektrum unterhalb von 6 GHz sind bis zu 200 MHz in Kombination mit 4×4 MIMO möglich. Qualcomm wirbt mit Spitzengeschwindigkeiten von 7,5 Gbit/s im Downlink und 3 Gbit/s im Uplink. Rein auf die Geschwindigkeiten bezogen ist das Snapdragon X60 nicht schneller als das X55, es kann verfügbares Spektrum aber flexibler nutzen, wird wie das SoC in 5 statt 7 nm gefertigt und unterstützt das Telefonieren über 5G.
Telefonieren und Dual-SIM mit 5G
Das Snapdragon X60 ist Qualcomms erstes 5G-Modem mit Unterstützung für „Voice over New Radio“ (VoNR), sodass damit neben der Datenverbindung das Telefonieren über den neuen Mobilfunkstandard 5G möglich ist. Die Einführung von VoNR ist vergleichbar mit der von VoLTE bei 4G, das im Anfangsstadium ebenfalls erst einmal ein reiner Datenkanal war, während die Telefonie noch über 3G und 2G abgewickelt wurde.
Mit der Unterstützung von VoNR, das im aktuellen 3GPP Release 15 standardisiert wurde, bereitet sich Qualcomm auf die Einführung von „5G Standalone“ (5G SA) vor, die mit dem 3GPP Release 16 erfolgen soll. Bei „5G Standalone“ können in der Theorie alle derzeit mit 2G, 3G und 4G angebotenen Dienste vollständig über 5G abgewickelt werden, sodass ältere Netze sukzessive abgeschaltet werden können. In der Praxis wird jedoch insbesondere LTE noch längere Zeit neben 5G existieren, während 2G und vor allem 3G früher verschwinden werden.
Der Snapdragon 888 ist Qualcomms erste Plattform, mit der sich 5G auf zwei SIM-Karten gleichzeitig nutzen lässt. Bisherige Smartphones mit Snapdragon 865 oder 765 unterstützen mit dem 5G-Modem nur auf der ersten Karte den neuen Standard, während die zweite Karte LTE nutzt. Bei der iPhone-12-Familie ist es sogar so, dass beim Einsatz einer zweiten SIM-Karte 5G überhaupt nicht mehr genutzt werden kann. Mit dem Snapdragon X60 sind hingegen zwei parallele 5G-Verbindungen möglich.
Wi-Fi 6E mittels FastConnect-6900-Plattform
Die im Sommer dieses Jahres mit dem Snapdragon 865 Plus hinzugekommene Kompatibilität zur FastConnect-6900-Plattform für Wi-Fi 6E ist zum Snapdragon 888 kompatibel, aber nicht integriert. Während Wi-Fi 6 im Spektrum bei 2,4 und 5 GHz arbeitet, erweitert Wi-Fi 6E das genutzte Spektrum um den 6-GHz-Bereich, genauer gesagt sind es 1.200 MHz zwischen 5.925 und 7.125 MHz. In dem erweiterten Frequenzbereich sind mit Qualcomms neuen FastConnect-Lösungen bis zu 20 × 60 MHz als nicht überlappende Kanäle oder alternativ 29 × 40 MHz, 14 × 80 MHz oder 7 × 160 MHz möglich.
Das insgesamt für WLAN-Verbindungen verfügbare Spektrum verdreifacht sich durch die Erweiterung am oberen Ende im Vergleich zu nur 2,4 und 5 GHz bei Nutzung aller Kanäle. Als Spitzengeschwindigkeit für den Downlink gibt Qualcomm 3,6 Gbit/s an. Laut Bundesnetzagentur soll der erweiterte Frequenzbereich in Deutschland ab dem zweiten Quartal 2021 zur Verfügung stehen. Über die FastConnect-6900-Plattform werden zudem Funktionen wie Bluetooth 5.2 oder aptX abgewickelt. Bei den Standortdiensten sind erneut GPS, GLONASS, BeiDou, Galileo, QZSS, NavIC und SBAS vertreten.